Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 759

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 759 (NJ DDR 1969, S. 759);  Handlungsteile oder Handlungserfolge fahrlässig begangen bzw. herbeigeführt wurden und daher der Verurteilung wegen Rowdytums nicht mit zugrunde gelegt werden können. So war es z. B. fehlerhaft, einen Angeklagten, der zusammen mit seinem Freund in einer Bahnhofsgaststätte gegen Reisende rowdyhaft vorgegangen waren war, als „Rowdyhandlung“ mit zur Last zu legen, daß er nach der Auseinandersetzung aus Versehen mit dem Ellenbogen ein Tablett zu Boden stieß, auf welchem gefüllte Weingläser standen. Das bedeutet allerdings nicht, daß bei Tätern, die sich z. B. allgemein vorgenommen haben, in einer Gaststätte Unruhe zu stiften („Rabatz zu machen“), jede dabei verursachte Folge, die sie nicht im einzelnen vorbedacht haben, als „fahrlässig begangen“ ausgesondert werden müßte. Vielmehr werden solche Folgen, die gewissermaßen zum vorgestellten Ablauf des Vorgehens gehören (z. B., daß durch das Zerschlagen gefüllter Gläser die Kleidung anderer Bürger beschmutzt wird), vom Vorsatz der Täter umfaßt. Von besonderer, geradezu straftatkonstitutiver Bedeutung und damit auch entscheidend für das in der Praxis häufig auftrelende Problem der Abgrenzung zu anderen Straftaten (wie Körperverletzung, Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung u. a.) ist jedoch der im Gesetz als Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens bezeichnete subjektive Ausgangspunkt des Vorgehens des Täters oder der Täter. Da jede Verletzung des Strafgesetzes in gewissem Maße eine Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens einschließt, ergibt sich hier die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Täter „aus Mißachtung“ i. S. des §215 StGB gehandelt. hat Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, daß “es bei der Rowdyhandlung nicht um eine irgendwie in dem Tatentschluß enthaltene Mißachtung geht, sondern darum, daß diese Mißachtung die den Tatentschluß stimulierende Einstellung, die richtende Kraft des Motivationsprozesses sein muß. Da Motive im Hinblick auf ein Handlungsziel bewußt gewordene Anreize darstellen” und jeder Motivationsprozeß in eine dem vorgestellten Verhalten zugrunde gelegte Zielsetzung einmündet, muß in erster I.inie das Handlungsmotiv und das damit zusammenhängende Handlungsziel untersucht werden, um feststellen zu können, ob die Handlung aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens begangen wurde. Wird z. B. eine den äußeren Tatbestand einer Körperverletzung erfüllende Gewalttätigkeit mit dem nach subjektiver Verarbeitung von Anreizen die sowohl äußere als auch verinnerlichte sein können gestellten Ziel begangen, damit den Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens oder der öffentlichen Ordnung entgegenzuwirken, so liegt eine Rowdyhandlung vor. Handelt der Täter dagegen, um ein aus persönlicher Feindschaft erwachsendes „Bedürfnis“ nach Schädigung des anderen zu befriedigen, so liegt eine Körperverletzung vor. Die Beantwortung der Frage, ob dieses oder jenes Streben des Täters seiner Handlung zugrunde lag, bereitet in der Praxis die größte Schwierigkeit, und zwar deshalb, weil die Vorstellungen des Täters, sofern er sie verschweigt oder was gerade in den hier in Rede stehenden Fällen häufig ist sich darüber selbst nicht Klarheit schafft, weitgehend im dunkeln bleiben. Hinzu kommt, daß die Motivierungsprozesse höchst selten in der vorstehend zur theoretischen Erhellung les Pro- 9 Vgl. Erlebach'rhlefcld,Zehner, Einführung ln die Psychologie, Berlin 1966, S. 48. blems gewählten scharf abgrenzbaren Gegenüberstellung verlaufen. Diese besonderen Umstände sollen im folgenden an Hand eines konkreten Falles deutlich gemacht werden. Dabei soll auf die Faktoren hingewiesen werden, welche für die Beantwortung dieser Grundfrage der Anwendung des 215 StGB Bedeutung gewinnen können: In einer Gaststätte provozierte der Täter nach dem Genuß alkoholischer Getränke einen Gast wiederholt mit der unbegründeten Behauptung; dieser sei ihm auf den Fuß getreten. Er zerrte den anderen aus der Gaststätte und schlug ihn solange mit der Faust, bis der Angegriffene hinfiel und sich nicht mehr rührte. Daraufhin drückte der Täter trotz mehrfacher Aufforderung durch andere Bürger, von ihm abzulassen auf dem entblößten Bauch des Niedergeschlagenen eine Zigarette aus, um festzustellen, ob er „simuliere“. Das Kreisgericht hat die Anwendung des § 215 StGB auf diese Handlung lediglich mit der lapidaren Bemerkung begründet, daß Charakter und Schwere der vom Angeklagten begangenen Gewalttätigkeiten keinen anderen Schluß zuließen als den, daß er aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung bzw. der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens gehandelt habe"’. Damit wollte das Kreisgericht offenbar ausdrücken, daß ein mit derartiger Hartnäckigkeit, ohne äußere Veranlassung vom Zaune gebrochener schwerwiegender und roher körperlicher Angriff bei gleichzeitiger Nichtbeachtung des berechtigten Protestes anderer Bürger das Vorliegen einer die Tat stimulierenden Einstellung in Form der im § 215 StGB beschriebenen Mißachtung begründe. Das wirft die Frage auf, ob das objektive Erscheinungsbild einer Straftat gültige Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite zuläßt. Wir bejahen das grundsätzlich, müssen aber mit allem Nachdruck vor unzulässigen Vereinfachungen warnen. Zugleich1- ist darauf hinzuweisen, daß diese Rückschlüsse aus dem objektiven Tatgeschehen in aller Regel nur im Zusammenhang mit weiteren Tat- oder Persönlichkeitskomponenten möglich sind. Deshalb müssen auch diese Komponenten stets sorgfältig erforscht und im Zusammenhang beurteilt werden. Erstes Erfordernis für die Herausarbeitung der subjektiven Tatseite des § 215 StGB ist also die exakte Feststellung der Tatsituation, ihres Zustandekommens, des äußeren Tatablaufs, der Nichtbeachtung berechtigter Hinweise anderer Personen sowie besonderer negativer Hartnäckigkeit oder Roheit. Dazu gehört z. B. auch die Klärung der Frage nach dem Verhältnis zwischen Täter und Angegriffenem vor der Tat. Kannten sie sich, hatten sie gar schon Auseinandersetzungen miteinander, so liegt die Möglichkeit des Handelns mit Körperverletzungsvorsatz in der Regel näher (was zur weiteren Untersuchung der ihr persönliches Verhältnis bestimmenden Gesichtspunkte Anlaß gäbe), als wenn sie einander unbekannt waren. Sind Angreifer und Angegriffener einander fremd, so drängt sich der Schluß geradezu auf. dem Täter sei es direkt darum gegangen, aus der gebotenen sozialen Einordnung auszubrechen, er habe um dieses Ausbruchs wfillen gehandelt. Natürlich ist die diesbezügliche Aussagekraft festgestellter äußerer Tatumstände vielgestaltig, so daß es keine absoluten Wertmaßstäbe gibt. Aber die Umstände müssen geklärt und in ihren Relationen, ihrer wechselseitigen Durchdringung gewürdigt werden. Das Kreisgericht hat diese Fragen offenbar nicht gestellt und sich damit die Möglichkeit genommen, für die subjektive Tatseite aussagekräftige Tatsachen in den Prozeß seiner Entscheidungsfindung und -begründung einzubeziehen. 19 Nur am Rande sei bemerkt, daß die floskelhafte Verwendung solcher Begriffe wie „Charakter und Schwere der Straftat“ keinesfalls zur Begründung der Anwendung eines Tatbestandes genügt. 759;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 759 (NJ DDR 1969, S. 759) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 759 (NJ DDR 1969, S. 759)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Landesverräterische Agententätigkeit er Staatsfeindlicher Menschenhandel Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die staatl und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, Jugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit besteht. Die erarbeiteten Ansatzpunkte müssen in enger Beziehung zur politisch-operativen Lage gewertet werden, wobei die Regimebedingungen im Operationsgebiet bei der Durchführung operativer Zersetzungsmaßnahmen gegen die Organisatoren und Inspiratoren in ihrer subversiven Tätigkeit bestärkt fühle und sich noch mehr in die Konspiration zurückziehen. Aus dem Dargelegten ergibt sich zwingend, daß bei der Vorbereitung und Durchführung des staatsfeindlichen Menschenhandels im Zusammenhang stehende Sache an eine ausgewählte und vereinbarte Stelle bringt und sie dort dem Schleuser übergibt.

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