Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 538

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 538 (NJ DDR 1969, S. 538); ohne daß bereits eine Gesundheitsschädigung eingetreten zu sein braucht. Der Verantwortungsbereich der Leiter oder' leitenden Mitarbeiter umfaßt nicht nur die "Verantwortung für den Schutz von Leben und Gesundheit derjenigen Werktätigen, die in dem ihnen überantworteten Produktionsabschnitt arbeiten. Der Leiter oder leitende Mitarbeiter ist gemäß § 193 StGB auch dafür verantwortlich, wenn durch seine ungenügende Einhaltung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes erhebliche unmittelbare Gefahren oder Schädigungen für Leben und Gesundheit von solchen Bürgern ausgehen, die sich innerhalb oder in der Nähe seines Produktionsbereichs befinden. So ist z. B. der leitende Mitarbeiter für den Schutz von Leben und Gesundheit entsprechend § 193 StGB verantwortlich, wenn für ein Mitglied einer Delegation bei einer Besichtigung in einem Werk, durchgeführt in seinem Verantwortungsbereich, infolge ungenügender Beachtung von Arbeitsschutzbestimmungen eine erhebliche Gefahr entsteht oder ihm Schädigungen an Leben oder Gesundheit zugefügt werden. Ebenso dient die ordnungsgemäße Absperrung einer Baustelle dazu, solche Personen von Gefahrenstellen fernzuhalten, die zu dem Betrieb keine arbeitsrechtlichen Beziehungen haben. Dem Arbeitsschutzverantwortlichen werden also Rechtspflichten nicht nur gegenüber den auf der Baustelle tätigen Werktätigen, sondern auch gegenüber allen anderen Bürgern auferlegt. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß der Arbeitsschutzverantwortliche den Beginn der Arbeiten erst zulassen darf, wenn gesichert ist, daß sowohl die unmittelbar im Produktionsprozeß tätigen Werktätigen als auch außenstehende Personen vor unmittelbaren Gefahren für die Gesundheit gesichert sind, und er andererseits die Arbeiten sofort einstellen lassen muß, wenn sie eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der im Produktionsprozeß tätigen Werktätigen oder außenstehender Personen ■darstellen. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß der Angeklagte unbeschadet der Frage des verwendeten schadhaften Seils die Arbeiten am Zeltaufbau nur beginnen bzw. weiterführen durfte, wenn keine Kinder mehr anwesend waren. Aus diesem Grunde war die Weisung des Bezirksgerichts, die Handlungen des Angeklagten ausschließlich nach §§ 114, 118 StGB zu beurteilen, unrichtig. Es kann aber auch der Auffassung, der Angeklagte habe tateinheitlich §§ 193 und 114 StGB verwirklicht, nicht zugestimmt werden. Es wird bei dieser Subsumtion übersehen, daß § 193 StGB hinsichtlich der Belange des Gesundheits- und Arbeitsschutzes Spezialtatbestand und demzufolge die Anwendung anderer Bestimmungen des StGB ausgeschlossen ist. Dabei ist zu beachten, daß § 193 StGB nicht auf die Verletzungen der Gesundheit abstellt, sondern darüber hinausgehend bereits den jeder Verletzung vorangehenden erheblichen (unmittelbaren) Gefahrenzustand für die Gesundheit für tatbestandsmäßig erklärt. Während Abs. 2 solche Fälle erfaßt, in denen ein erheblicher Ge-'sundheitssehaden eingetreten ist, werden die Fälle mit unerheblichem Gesundheitsschaden von Abs. 1 umfaßt, da die erhebliche unmittelbare Gefahr bestanden hat eventuell auch für weitere als die verletzten Personen , wie' die eingetretene unerhebliche Gesundheitsschädigung beweist. Den weiteren Ausführungen des Bezirksgerichts hinsichtlich des Umfangs der Pflichtverletzungen und des Kausalzusammenhangs zwischen den Handlungen des Angeklagten und den eingetretenen Folgen (Tötung, Körperverletzungen) wird zugestimmt. Ebenso wird der Auffassung des Bezirksgerichts zugestimmt, das Kreisgericht habe unrichtigerweise auf die Handlungen des Angeklagten die Bestimmung des § 193 Abs. 3 Ziff. 2 StGB angewendet, indem es ausführte, der Angeklagte habe „rücksichtslos“ die Bestimmungen zum Schutze von Leben und Gesundheit verletzt. Die Begründung des schweren Falles gemäß § 193 Abs. 3 Ziff. 2 StGB durch das Kreisgericht ist insofern fehlerhaft, als es über die Pflichtverletzung des Angeklagten beim Zeltäufbau hinaus ihn für alle beim Zirkus vorhandenen Unzulänglichkeiten und Pflichtverletzungen im Gesundheits- und Arbeitsschutz verantwortlich macht. Aus den allgemeinen Schuldgrundsätzen des Strafgesetzbuchs (§§ 5 ff. StGB) ergibt sich, daß die individuelle Schuld des Täters sich auf die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes eines Vergehens oder Verbrechens beziehen muß. Daraus folgt, daß auch die in verantwortungsloser Weise verletzten Sorgfaltspflichten im gesellschaftlichen Zusammenleben im Sinne des § 193 Abs. 3 Ziff. 2 StGB kausal für die eingetretenen Folgen sein müssen. Andere im Verfahren festgestellte Pflichtverletzungen im Gesundheits- und Arbeitsschutz im Bereich des Täters sowie nach der Straftat festgestellte weitere Pflichtverletzungen können nicht zur Begründung des schweren Falles im Sinne des § 193 Abs. 3 Ziff. 2 StGB herangezogen werden; sie sind jedoch bei der Strafzumessung zu beachten (§61 Abs. 2 StGB). Falls nach der erneuten Sachaufklärung ein fahrlässiges Verschulden an der Tötung und an dem Gesundheitsschaden der Kinder festgestellt wird, wird hinsichtlich der Strafzumessung das Kreisgerichl mehr als bisher zu beachten haben, daß der Angeklagte ein sehr junger Bürger ist, der bisher fleißig und aktiv seine Arbeit verrichtet hat, gesellschaftlich positiv eingestellt ist, wie aus der Organisierung einer Solidaritätsvorstellung für das kämpfende vietnamesische Volk ersichtlich ist, und auf Grund seiner Ausbildung im VEB Zentralzirkus Neuerungen in dem kleinen Betrieb seines Vaters vornehmen wollte, aber sich teilweise gegen die älteren Kollegen, die ein ganzes Lebensalter bei diesem Zirkus zugebracht haben, nur sehr schwer durchsetzen konnte. Es wird vor allem zu beachten sein, daß für die Einhaltung der Bestimmungen über den Gesundheits- und Arbeitschutz grundsätzlich der Betriebsleiter verantwortlich ist. Das trifft ganz besonders in einem so kleinen Betrieb zu, da er dort alles überblicken kann und in der Lage ist, persönlich für die Belange des Gesundheits- und Arbeitsschutzes zu sorgen. Diese Umstände erfordern bei Beachtung der eingetretenen bedauerlichen Folgen eine genaue Abwägung und lassen eine Strafe in der vom Kreisgericht erkannten Höhe nicht zu. Sie bewirken, daß auf eine wesentlich niedrigere, nicht über einem Jahr liegende Freiheitsstrafe zu erkennen ist. § 197 StGB. 1. Täter nach § 197 StGB kann auch ein Straßenverkehrsteilnehmer sein. 2. Die unmittelbare Gefahr eines schweren Verkehrsunfalls im Verkehr der Bahn kann auch für Teilnehmer am Straßenverkehr im Bereich der Bahn gegeben sein. 3. Eine unmittelbare Gefahr eines schweren Verkehrsunfalls bei der Bahn (§ 197 StGB) Hegt vor, wenn durch die Herbeiführung einer Situation die Gesundheit und das Leben von Menschen tatsächlich bedroht oder Schäden an bedeutenden Sachwerten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. 4. Eine unmittelbare Gefahr eines schweren Verkehrsunfalls wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß andere die Gefahr erkennen und durch Gegenmaßnahmen wei- 538;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion und verstärkter Eontaktaktivitäten des Gegners standen, unter denen sich oft entscheidend ihre politisch-ideologische Position, Motivation und Entschluß-, fassung zur Antragstellung auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der gestellt hatten und im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und ihrer weltanschaulichen Grund- läge, dem Marxismus-Leninismuse Feindliche Einstellungen bringen die innere Bereitschaft zu einem Handeln zum Ausdruck, das offen oder verdeckt dem Ziel dient, die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Positionen herausgebildet, gesellschaftswidrige Verhaltensweisen hervorgerufen oder verstärkt und feindliche Handlungen ausgelöst werden können, um langfristig Jugendliche im Sinne konterrevolutionärer Veränderungen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der vor Angriffen zu gewährleisten. Deshalb ist in unverminderter Schärfe das subversive Wirken des Gegners sozialistischen Staat und seine Machtorgane, gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und der Sicherheit der Rechte Verhafteter macht es sich erforderlich, eine für alle Diensteinheiten der Linie einheitlich geltende Effektenordnunq zu erlassen.

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