Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 475

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 475 (NJ DDR 1969, S. 475); Das Kreisgericht sah darin eine leichte alkoholische Beeinflussung und machte dem Angeklagten den Vorwurf, daß er vor Antritt der Fahrt Alkohol getrunken und in diesem Zustand zu schnell in die Kurve gefahren sei. Er habe deshalb gegen §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 StVO verstoßen. Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls (Vergehen nach § 196 Abs. 1 und 2 StGB) auf Bewährung und entzog ihm die Fahrerlaubnis auf unbegrenzte Dauer. Gegen dieses Urteil richtet sich der zuungunsten des Angeklagten'gestellte Kassationsantrag des Präsidenten des Obersten Gerichts. Mit ihm werden Gesetzesverletzung durch unvollständige Aufklärung des Sachverhalts und unrichtiger Schuldausspruch sowie der damit im Zusammenhang stehende gröblich unrichtige Strafausspruch gerügt und eine Freiheitsstrafe erstrebt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat zwar den eigentlichen Tathergang aufgeklärt und in Übereinstimmung mit dem Protokoll der Hauptverhandlung richtig festgestellt. Es hat jedoch nicht alle in der Person des Angeklagten liegenden tatbezogenen Umstände bei der Prüfung der Tatschwere mit einbezogen. Ausgangspunkt der fehlerhaften Entscheidung des Kreisgerichts ist zunächst dessen falsche Auffassung, daß die beim Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat vorhandene, als leichte alkoholische Beeinflussung charakterisierte Blutalkoholmenge nur zu einer leichten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit geführt habe. Abgesehen davon, daß der Alkoholspiegel zum Zeitpunkt der Tat nicht bei 1,0 Promille, sondern bei etwa 1,3 Promille und damit erheblich höher lag, hat das Kreisgericht insoweit die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit von Motorradfahrern nach dem Genuß alkoholischer Getränke außer acht gelassen. Das ist um so unverständlicher, als das Kreisgericht in seiner Entscheidung selbst eine Reihe von Faktoren dargelegt hat, die als Ausdruck erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit allgemein auf alle unter Alkohol stehenden Verkehrsteilnehmer, speziell aber auch auf den Angeklagten zotreffen. So hat es auf die Minderung des Gleichgewichtsgefühls, auf die verlängerten Reaktionszeiten und das geminderte Reaktionsvermögen schon bei geringfügig erhöhten Verkehrsanforderungen hingewiesen. Das Kreisgericht hat damit angedeutet, daß sich die Wirkung des Alkohols nicht lediglich auf eine Funktionsgruppe des menschlichen Organismus beschränkt, sondern stets mehr oder weniger den gesamten Menschen erfaßt. Berücksichtigt man weiter, daß der Angeklagte mit nur wenig Fahrpraxis eine schwere tmd schnelle Maschine fuhr, hätte es um so mehr einer völlig intakten Persönlichkeitsstruktur bedurft, um die Verkehrssituation richtig einschätzen und sich entsprechend den Gegebenheiten dem Kurvenbereich und der Besetzung der Maschine mit zwei Personen verkehrsgerecht verhalten zu können. Es ist wissenschaftlich erwiesen, daß bei allen Menschen bereits bei einer relativ geringen Blutalkoholkonzentration erhebliche Leistungsminderungen auf-treten können, die vorwiegend in einer enthemmenden Wirkung bestehen. Das ist auch der Grund, weshalb in der DDR für Kraftfahrer ein generelles Alkoholverbot besteht (§5 Abs. 1 StVO); denn Alkohol vermindert die Aufmerksamkeit gegenüber äußeren Einflüssen und Geschehnissen, beeinträchtigt die Selbstkontrolle des Betroffenen und löst eine übertriebene Begeisterungsfähigkeit und eine verzögerte oder sogar wesentlich ver- schlechterte Reaktionsfähigkeit bei der Einschätzung der Gesamtsituation aus. Solche Leistungsminderungen lagen offensichtlich auch beim Angeklagten vor, aus dessen Verhalten sich in Verbindung mit einer Blutalkoholkonzentration von etwa 1,3 Promille sogar eine erhebliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ergibt. Wie das Kreisgericht festgestellt hat, herrschten zum Zeitpunkt des Unfalls günstige Witterungsbedingungen, und die Straßenverhältnisse waren normal. Die vom Angeklagten zu durchfahrende Linkskrümmung der Straße war durch zwei gut sichtbare Leitplanken ge- 1 kennzeichnet. Es hätte deshalb bei einem in seiner Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigten Kraftfahrer keiner besonderen Aufmerksamkeit und Fahrfertigkeit bedurft, um diese Verkehrssituation zu meistern. Diese Tatsachen und der Tatverlauf zeigen jedoch, daß die bereits erwähnte Leistungsminderung des Angeklagten infolge vorangegangenen Alkoholgenusses einen Grad erreicht hatte, der seine Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigte. Daraus resultierte einerseits die Unterschätzung der Fahrgeschwindigkeit durch den Angeklagten und andererseits die Überschätzung seiner eigenen Fahrtüchtigkeit, die letztlich die eingetretenen Folgen auslösten. Das hat auch das Kreisgericht insoweit richtig erkannt, als es anführte, daß allein das Durchfahren der Kurve mit einer Geschwindigkeit von 60 km h unter objektiv und subjektiv günstigen Bedingungen nicht der Grundregel im Straßenverkehr Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme widersprochen hätte, daß jedoch unter den Bedingungen des vorliegenden Falles damit kann nur der Trunkenheitsgrad des Angeklagten gemeint sein mit Sicherheit gegen § 7 Abs. 2 StVO verstoßen wurde. Damit hat aber das Kreisgericht im Grunde genommen selbst eine erhebliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit i. S. des § 200 StGB bejaht und ist zutreffend zu der Feststellung gelangt, daß das pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten, hervorgerufen durch die alkoholische Beeinflussung, ursächlich für den Tod seines Freundes H. war. Bei einem solchen Ergebnis hätte aber für das Kreisgericht unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts die Notwendigkeit bestanden, auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen. So hat das Oberste Gericht z. B. in seinem Urteil vom 23. Juli 1965 3 Zst V 9,65 (NJ 1965 S. 769) bereits ausgesprochen, daß grundsätzlich der Ausspruch einer Freiheitsstrafe zu erwägen ist, wenn ein in seiner Fahrtüchtigkeit erheblich beinträchtigter Kraftfahrer einen Verkehrsunfall verursacht, in dessen Folge ein Mensch getötet wird, da der Grad der Schwere einer solchen Straftat in der Regel eine Strafe ohne Freiheitsentzug nicht rechtfertigt. Dieser Grundsatz der Strafzumessung entspricht den gesellschaftlichen Erfordernissen, da sich bei dem ständig anwachsenden Straßenverkehr auch die Anforderungen an den einzelnen Verkehrsteilnehmer erhöhen. An dieser Rechtsauffassung hält das Oberste Gericht auch nach Inkrafttreten des neuen StGB fest. Dies um so mehr, als die Regelung des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB in Fällen der rücksichtslosen Verletzung von Bestimmungen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Bürgern den Ausspruch einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorsieht. Eine solche Rücksichtslosigkeit wird dann vorliegen, wenn ein Täter im krassen Gegensatz zu den an ihn zu stellenden Anforderungen seine Pflichten außer acht läßt und unter Mißachtung der konkreten Verkehrssituation gegenüber anderen eine besonders gefährliche Fahrweise offenbart, in deren Ergebnis es zu einem Unfall kommt.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 475 (NJ DDR 1969, S. 475) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 475 (NJ DDR 1969, S. 475)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

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