Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 404

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 404 (NJ DDR 1969, S. 404); Ill Halten Sie, geehrter Herr Präsident, und die Mitglieder des von Ihnen präsidierten Senats die Art der von den Nazibanden industriemäßig betriebenen Massenvernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen nicht für „grausam“ im Sinne des § 211 StGB? Muß ich in diesem Zusammenhang wirklich an die Gaskammern der Vernichtungslager erinnern, in denen wie Vieh zusammengepfercht die Mutter, bevor sie selbst erstickt wurde, den Todeskampf ihres Kindes, der Ehemann den seiner Frau miterleben mußte oder an die Opfer, die gezwungen wurden, sich in dem selbst geschaufelten Massengrab auf die Leichen ihrer ermordeten Angehörigen zu legen, um den Todesschuß zu erhalten? Demgegenüber bliebe vielleicht der formalrechtliche Einwand, es könne zweifelhaft sein, ob ein Heinrich und seine Kumpane diese Begehungsformen der Morde in' ihren Einzelheiten gekannt haben. Wäre dem so, dann hätte, meine ich, der von Ihnen präsidierte Senat die Verpflichtung gehabt, diese Zusammenhänge durch die Vorinstanz aufklären zu lassen. Aber mehr noch: War die Art, in der die Opfer dieser Massenvernichtungen an die Mordstätte gebracht wurden, nicht „heimtückisch“ im Sinne des Gesetzes? 1st die symptomatische Tatsache nicht gerichtsbekannt, daß die Opfer der Massenmorde unter Vorspiegelung einer „Umsiedlung“, eines „Arbeitseinsatzes“ u. a. m. zu den Mordstätten gebracht wurden? Schon insoweit widerspricht also die im Falle Heinrich erfolgte Einstellung des Verfahrens gestatten Sie mir, Herr Präsident, dieses offene Wort dem Gesetz, womit auch die in der Bundesrepublik so weit gespannten Erörterungen über die generellen Folgen dieser Grundsatzentscheidung auf rechtlich unhaltbarer Grundlage beruhen. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung bleibe ich Ihr stets ergebener Friedrich Karl Kaul II II Herrn 30. Mai 1969 Prof. Dr. F. K. K a ul Rechtsanwalt und Notar Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt! Den Vorwurf, daß der Bundesgerichtshof das Zusammenwirken eines Teilnehmers am Morde mit anderen aus einer Mittäterschaft zu einer Beihilfe „umfunktioniere“, haben wir nach meiner Ansicht nicht verdient. Gerade der 5. Strafsenat hat in mehreren Fällen Schwurgerichtsurteile, die eine Beihilfe angenommen hatten, mit der Begründung aufgehoben, daß es sich um Mittäterschaft handele. Zu Ihrer Frage, wie es sich bei der Heimtücke verhalte, überreiche ich Ihnen unser Urteil vom 14. Januar 1969 5 StR 689/68. Dort ist entschieden worden, daß die Heimtücke bei dem damals festgestellten Sachverhalt nicht zu den besonderen persönlichen Umständen im Sinne des § 50 Abs. 2 (n. F.) StGB gehört. Die Frage, ob Grausamkeit ein „tatbezogenes“ oder ein „täterbezogenes“ Merkmal ist, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden. Insbesondere gab die Strafsache gegen Heinrich keinen Anlaß, sich hierzu zu äußern. Die von Ihnen, Herr Rechtsanwalt, erwähnten grausamen Begehungsformen lagen bei Heinrich nach den eindeutigen und erschöpfenden Feststellungen des Schwurgerichts nicht vor. Zu Ihrer Unterrichtung erlaube ich mir weiterhin, einen Abdruck des von Ihnen kritisierten Urteils beizufügen. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung bleibe ich Ihr stets ergebener Herrn 4. Juni 1969 Prof. Dr. Sarstedt Präsident des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs Sehr geehrter Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Beantwortung meines Schreibens, deren Unverzüglichkeit wohl auch der von Ihnen empfundenen Notwendigkeit entspricht, das fragliche Urteil des von Ihnen präsidierten Senats zu erläutern, doch ist diese von Ihnen gegebene Erläuterung, sehr geehrter Herr Präsident, ich bedauere, dies erklären zu müssen unzulänglich. Noch einmal: in diesem Zusammenhang kein Wort über die m. E. völkerrechtlich generell unzulässige Verjährbarkeit nazistischer Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen; kein Wort auch über die Problematik von Täterschaft und Beihilfe und von Tat- oder Täterbezogenheit der „niedrigen Beweggründe“. Ich konzentriere vielmehr meine Kritik darauf, daß in dem fraglichen Urteil gegen Heinrich die Mordmerkmale „grausam“ und „heimtückisch“ unberücksichtigt gelassen wurden. Ich nehme aus Ihrem Schreiben zur Kenntnis, daß der Bundesgerichtshof bislang noch keine Veranlassung fand, die Frage zu klären, ob das Mordmerkmal „grausam“ tat- oder täterbezogen ist, obwohl die von Ihnen im Falle Heinrich als „eindeutig und erschöpfend“ bezeichneten Feststellungen des Schwurgerichts bezüglich des angeblich Nichtvorliegens von Grausamkeit den im Sinne des BGH (Bd. 6 S. 292 ff.) offenkundigen Tatsachen über die Art der von den Nazis industriemäßig betriebenen Menschenvernichtung widersprechen. Es ist für mich eine um so größere Genugtuung, aus Ihrem Schreiben ersehen zu können, daß wir bezüglich der Tatbezogenheit des Mordmerkmals „heimtückisch“ übereinstimmen. Warum aber enthält das im Falle Heinrich ergangene Urteil kein Wort darüber, daß die Massentötungen, zu denen der Angeklagte „Beihilfe“ leistete, offenkundig heimtückisch waren? Warum ist darüber auch in Ihrem an mich gerichteten Schreiben kein Wort zu finden? Meine Bemühungen, auf diese Fragen eine Antwort zu finden, wecken zu meinem Schrecken, verehrter Herr Präsident, in mir nur immer wieder die Erinnerung an die Drohung, mit der der Verteidiger Laternser im 1. Auschwitz-Prozeß das Schwurgericht in Frankfurt/M. von einer Verurteilung der SS-Mörder abzuhalten versuchte: „Es wird der Tag kommen, an dem ein Richter der an ihn herangetragenen Zumutung, derartige Handlungen (d. h. nazistische Geivaltverbrechen) zu bestrafen, ein ,NeinV entgegensetzen wird.“ Hierin bestärkt mich nicht zuletzt die Eile, mit der unter Berufung auf die fragliche Entscheidung des von Ihnen präsidierten Senats das Westberliner Schwurgericht die Verfahren gegen die Mörder aus dem Reichssicherheitshauptamt einstellte, ohne daß auch nur mit einem Wort gleichfalls der Entscheidung im Falle Heinrich entsprechend zu der Heimtücke Stellung genommen wurde, mit der die ahnungslosen Opfer in die Mordstätten verbracht wurden. Ist eine derartige ich finde beim besten Willen keinen anderen Ausdruck Verheerung des Rechtslebens wirklich zu verantworten? In der Erwartung, daß Sie sich der Besorgnis, aus der diese Frage emoachsen ist, nicht verschließen werden, bleibe ich mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung Ihr stets ergebener Werner Sarstedt Friedrich Karl Kaul;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 404 (NJ DDR 1969, S. 404) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 404 (NJ DDR 1969, S. 404)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den Sicherheitserfordernissen der sozialistischen Gesellschaft und der Sicher- heitspolitik der Partei ergebende generelle Anforderung an die Arbeit Staatssicherheit . Diese generelle Anforderung besteht in der Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und der politischen, ökonomischen und sozialen Erfordernisse der ist es objektiv notwendig, alle eingewiesenen Antragsteller auf ständige Wohnsitznahme umfassend und allseitig zu überprüfen, politisch verantwortungsbewußt entsprechend den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen die Aufgabe, vorbeugend jede Erscheinungsform politischer Untergrundtätigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Aufklärung der Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit ihnen durchgefiihrt. kann auch ohne Verbindung zu feindlichen Stellen und Kräften des imperialistischen Systems begangen werden. Die greift die politischen und ökonomischen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der dazu notwendigen Weiterentwicklung und Vervollkommnung der operativen Kräfte, Mittel und Methoden ist die Wirksamkeit der als ein wesentlicher Bestandteil der Klärung der Frage Wer ist wer?, zur Aufdeckung von Mängeln und Mißständen beizutragen. Die wichtigste Quelle für solche Informationen ist in der Regel der Beschuldigte.

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