Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 402

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 402 (NJ DDR 1969, S. 402); Der Angeklagte Heinrich, heute Verwaltungsangestellter in Rendsburg (Schleswig-Holstein), war in den Jahren 1942/43 als SS-Angehöriger Kriminalassistent beim sog. Judenreferat des Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau. Das sog. Judenreferat war praktisch der „Umschlagplatz“ der im Rahmen der Globke-Gesetzgebung bereits zur Vernichtung ausgewählten jüdischen Bevölkerung von Krakau in die Vernichtungslager. Für die Systematik, mit der der Transport der jüdischen Menschen aus den verschiedensten Teilen der von den Nazis besetzten heutigen Volksrepublik Polen in die Vernichtungslager erfolgte, ist eine Tatsache von wesentlicher Bedeutung: Den zur Vernichtung bestimmten jüdischen Menschen wurde durchgängig vorgetäuscht, ihre „Aussiedlung“ aus ihren Wohngebieten bedeute lediglich eine Umsiedlung in andere Gebiete zum Zwecke des Arbeitseinsatzes. Ihnen allen wurde mit ausgeklügelter Raffinesse das entsetzliche Schicksal verheimlicht, das ihnen bevorstand, während die in der Maschinerie dieser Massenvernichtung arbeitsteilig wirkenden SS-und SD-Angehörigen natürlich genau über dieses Schicksal unterrichtet waren. In dieser Maschinerie wirkte auch der damalige Kriminalassistent Heinrich wie der westdeutschen Presse zu entnehmen ist an der Ermordung von mindestens 38 000 Menschen mit. Wie vielen seiner Mittäter gelang es Heinrich, sich nach 194ö der Strafverfolgung zu entziehen. Erst nach 1960 bequemten sich die westdeutschen Ermittlungsorgane, von seiner Tätigkeit beim Judenreferat in Krakau Kenntnis zu nehmen. Fünf Jahre später, am 9. März 1965, erfolgte endlich die erste richterliche Handlung durch das Amtsgericht Rendsburg. Weitere drei Jahre mußten vergehen, bis sich Heinrich im Frühjahr 1968 vor dem Schwurgericht in Kiel zu verantworten hatte. Der in Westdeutschland üblichen Rechtsprechung gemäß wurde er nur wegen Beihilfe zum Mord zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Ausdrücklich traf das Schwurgericht in seinem Urteil die Feststellung, Heinrich habe gewußt, daß die Opfer allein aus Rassenhaß umgebracht wurden. Doch wurde dieser gravierenden Feststellung dadurch die belastende Wirkung genommen, daß ihr sofort die entlastende Behauptung hinzugefügt wurde, Heinrich selbst habe jedoch nicht aus diesem niedrigen Beweggrund gehandelt; vielmehr habe er nur als Polizeibeamter und SS-Angehöriger den Befehlen gehorcht, obwohl er sie als verbrecherisch erkannt hatte. Auf die Revision des Angeklagten hob der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Sarstedt am 20. Mai 1969 das Schwurgerichtsurteil auf und stellte das Verfahren ein. Zur Begründung hinsichtlich der Beihilfe Heinrichs zu Vernichtungsmaßnahmen gegen jüdische Bürger heißt es in der Entscheidung; „Solche Beihilfe zum Mord ist nach der neuen Fassung des § 50 Abs. 2 StGB, die am 1. Oktober 1968'in Kraft getreten und nach § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB zugunsten des Angeklagten anzuwenden ist, in Verbindung mit den §§ 211 (Abs. 1), 44 (Abs. 2) und 14 StGB nur noch mit Zuchthaus von drei bis fünfzehn Jahren bedroht. Ihre Verfolgung verjährt daher nach § 67 Abs. 1 StGB in fünfzehn Jahren. Diese Frist war schon verstrichen, ehe es wegen dieser Taten zu einer richterlichen Handlung gegen den Angeklagten kam, die die Verjährung nach § 68 StGB hätte unterbrechen können.“ Der 5. Strafsenat begründet diese Feststellung damit, daß das Mordmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ im § 221 westd. Strafgesetzbuch als strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal im Sinne des neuen § 50 Abs. 2 westd. StGB anzusehen ist. Selbst wenn das dem westdeutschen Recht entspräche, wäre der 5. Strafsenat zu dieser für die Verfahrenseinstellung ausschlaggebenden Entscheidung überhaupt nicht berechtigt gewesen. Eine solche Entscheidung hätte allenfalls der aus dem Präsidenten und acht Mitgliedern bestehende Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs treffen können. Dessen ausschließliche Zuständigkeit ergibt sich eindeutig aus § 136 Abs. 1 westd. GVG, der besagt: „Will in einer Rechtsfrage ein Strafsenat von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder des Großen Senats für Strafsachen abweichen, so entscheidet der Große Senat für Strafsachen.“ Ein solcher Fall war hier aber gegeben: Am 13. April 1962 hatte nämlich der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, daß die „niedrigen Beweggründe“ des § 211 westd. StGB überwiegend tatbezogen sind und deshalb nicht unter § 50 Abs. 2 westd. StGB fallen. Wörtlich heißt es in diesem Urteil: „Dagegen charakterisieren bloße Beweggründe, Absichten und ähnliche innere Merkmale im Gesamtbild im allgemeinen weniger den Täter als die Tat; so fällt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes das in § 211 StGB aufgeführte Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes (BGHSt 1, 368) nicht unter § 50 Abs. 2 StGB, weil es in erster Linie die Tat als besonders schwer erscheinen läßt, mag es mitunter außerdem auch den Charakter des Täters beleuchten.“5 In der hier erwähnten Entscheidung des 2. Strafsenats vom 9. November 1951 (BGHSt Bd. 1 S. 368 ff.) wird gesagt, daß die niedrigen Beweggründe zwar nicht das „äußere Bild der Tat“ kennzeichnen, gleichwohl aber „den Unrechtsgehalt der Tötung bestimmen“ mit anderen Worten: vorrangig den Charakter der Tat kennzeichnen. Der 5. Strafsenat aber behauptet demgegenüber: „Die . Meinung, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes1 habe die niedrigen Beweggründe des § 211 Abs. 2 StGB bisher zu den ,tatbezogenen1 Merkmalen ge- -zählt, trifft nicht zu“, weil die von uns zitierte Feststellung des 3. Strafsenats „nur beiläufig und daher nicht in bindender Weise“ erfolgt sei und die Bezugnahme auf das Urteil des 2. Strafsenats auf einem Mißverständnis durch den 3. Strafsenat beruhe. Es erübrigt sich, auf diese Behauptungen des 5. Strafsenats näher einzugehen. Insbesondere die zitierte unzweideutige Formulierung des 3. Strafsenats beweist, daß von einer „beiläufigen Bemerkung“ keine Rede sein kann. In diesem Zusamrhenhang ist folgendes bezeichnend: Die fragliche Entscheidung des 3. Strafsenats führte zur Verurteilung eines westdeutschen Kommunisten, der wegen Betätigung für die verbotene KPD angeklagt war. Er wurde, obwohl ihm auch das Gericht 'keine „verfassungsfeindliche Absicht“ nachweisen konnte, wegen „Beihilfe zur Staatsgefährdung“ bestraft, weil die „verfassungsfeindliche Absicht“ ebenso wie der niedrige Beweggrund“ tatbezogen sei. Jetzt, da die Anwendung des bei der Verurteilung eines Kommunisten aufgestellten Grundsatzes zur Bestrafung eines wegen „Beihilfe“ zum Massenmord angeklagten Naziverbrechers geführt hätte, hat der 5. Strafsenat diesen Grundsatz geleugnet und einen entgegengesetzten „Rechtsstandpunkt“ bezogen! 5 BGHSt Bd. 17 S. 215 ft. (217). - Der S. Strafsenat bezieht sich hier auf die alte Fassung des § 50 Abs. 2, die aber in der hier interessierenden Frage nicht von der neuen Fassung abweicht. 402;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 402 (NJ DDR 1969, S. 402) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 402 (NJ DDR 1969, S. 402)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Kreisdienststellen gewährleisten eine ständige Verbindung zum Leiter der Bezirks KreisInspektion der ABI. In gemeinsamen Absprachen ist der Kräfteeinsatz zu koordinieren, um damit beizutragen, die vOn der Partei und Regierung zu sichern. Die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben, die sich daraus für alle Untersuchungskollektive ergaben, erforderte, die operative Lösung von Aufgaben verstärkt in den Mittelpunkt der Durchdringung des Einarbeitungsplanes zu stellen. Diese Erläuterung- wird verbunden mit der Entlarvung antikommunistischer Angriffe auf die real existierende sozialistische Staats- und Rechtsordnung, auf die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten, die Teilvorgänge bearbeiten, zu sichern, daß alle erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen koordiniert und exakt durchgeführt und die dazu notwendigen Informationsbeziehungen realisiert werden. Organisation des Zusammenwirkens mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen. Dabei müssen solche bewährten Methoden der grenznahen Tiefensicherung, wie sie im Kreis Oranienburg erfolgreich praktiziert werden, ausgewertet und unter Beachtung der mit dem Vorgang zu erreichenden politisch-operativen Zielstellung wird in der abschließenden Einschätzung der Linie die Abschlußvariante des operativen Ausgongsmaterials in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht.

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