Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 376

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 376 (NJ DDR 1969, S. 376); Insassen, die sich im Pkw des Angeklagten befanden, verstarben kurze Zeit nach dem Unfall. Das Kreisgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte die ihm nach § 5 Abs. 3 StVO obliegende Pflicht verletzt hat, weil er die Fahrt mit einem nicht betriebs-und verkehrssicheren Fahrzeug angetreten hat. Im Hinblick auf den Tod von zwei Menschen und die Verletzung fünf weiterer Personen hat es das Vorliegen einer Straftat nach § 196 Abs. 1, 2 und 3 Ziff. 1 StGB bejaht, jedoch die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 62 Abs. 3 StGB und damit zugleich für eine Verurteilung des Angeklagten auf Bewährung als vorliegend erachtet. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation des Urteils zuungunsten des Angeklagten beantragt und Verletzung des Gesetzes durch Nichtanwendung des § 196 Abs. 3 StGB in Verbindung mit unrichtiger Anwendung der §§ 62 Abs. 3 und 33 StGB sowie darauf beruhende gröblich unrichtige Strafzumessung gerügt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat die Grundsätze der sozialistischen Gerechtigkeit in der Strafrechtspflege verletzt und die im neuen StGB erstmals gegebenen, für alle Gerichte verbindlichen Regeln der Strafzumessung fehlerhaft angewandt. Die grundsätzliche Bedeutung, die unser Staat dem Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, dem sicheren Zusammenleben der Bürger und der Wahrung ihrer Rechte und Interessen beimißt, hat sowohl in der Ausgestaltung des Allgemeinen Teils als auch in den Strafandrohungen der im Besonderen Teil des StGB enthaltenen Strafbestimmungen ihren Niederschlag gefunden. Das trifft auch auf den schweren Fall der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 1 StGB zu, der entsprechend den humanistischen Grundprinzipien unseres sozialistischen Staates im Interesse des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bürger bei der Tötung mehrerer Menschen Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr bis zu fünf Jahren androht. Diese Strafandrohung stimmt auch überein mit den in § 39 Abs. 2 StGB. enthaltenen allgemeinen Grundsätzen für die Anwendung der Freiheitsstrafe bei Vergehen, wonach grundsätzlich nicht auf Freiheitsstrafen verzichtet werden kann, sofern besonders schädliche Folgen herbeigeführt worden sind. Da im vorliegenden Fall zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt wurden, davon zwei erheblich, liegt demnach seitens des Kreisgerichts, das zwar über den § 196 Abs. 1 und 2 StGB hinaus dem Wortlaut des Gesetzes nach auch einen schweren Fall i. S. des Abs. 3 Ziff. 1 dieser Bestimmung bejaht, aber unter Hinweis auf § 62 Abs. 3 StGB außergewöhnliche Strafmilderung eine erhöhte Tatschwere verneint, eine Verkennung des Verhältnisses dieser beiden Bestimmungen zueinander vor. Der Sinn und Zweck des § 62 Abs. 3 StGB besteht darin, wie insbesondere im Bericht an das 22. Plenum des Obersten Gerichts zu Problemen der Strafmilderung und Strafverschärfung* dargelegt wurde, von der Anwendung erschwerender Strafvorschriften in den Fällen abzusehen, in denen trotz Vorliegens der im Gesetz enthaltenen Erschwerungsgründe eine wirkliche Erhöhung der Gesellschaftswidrigkeit nicht eingetreten ist. Der Nichteintritt der erhöhten Gesellschaftswidrigkeit ist in jedem konkreten Fall vom Gericht an Hand aller objektiven und subjektiven Umstände der Straftat zu prüfen. Zum Ausschluß der Anwendung einer erschwerenden Strafvorschrift können entsprechend dem Wort- * Der Bericht ist auszugsweise in NJ 1969 S. 264 ff. veröffentlicht. - D. Red. laut des § 62 Abs. 3 StGB immer nur solche Umstände führen, die Einfluß auf die Schwere der Tat haben. Die Schwere der Tat ergibt sich aus ihrer objektiven Schädlichkeit und der Schuld des Täters. Zwischen diesen beiden bestimmenden Gruppen der Strafzumessungskriterien des § 61 Abs. 2 StGB bestehen enge Wechselbeziehungen. Im vorliegenden Fall wird die objektive Schädlichkeit der Tat wesentlich durch das Ausmaß der eingetretenen Folgen, den Tod von zwei Menschen und die Gesundheitsbeschädigung von fünf weiteren Personen, bestimmt. Das hat das Kreisgericht auch richtig erkannt. Dagegen können der Grad des Verschuldens des Angeklagten und die straftatbegünstigenden Umstände nicht, wie das Kreisgericht meint, die Tatschwere in einem solchen Maße zugunsten des Angeklagten beeinflussen, daß unter Berücksichtigung der gesamten Umstände eine erhöhte Gesellschaftswidrigkeit zu verneinen ist. Bei der Schuldfeststellung im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit ist das Kreisgericht zunächst richtig davon ausgegangen, daß der Angeklagte seine ihm nach § 5 Abs. 3 StVO obliegende Pflicht verletzt hat Da er den Zustand der beiden Hinterreifen bei Antritt und während der Fahrt kannte, wußte er als erfahrener Kraftfahrer auch, daß ein solches Fahrzeug leicht zum Schleudern neigt und dadurch Personen- und Sachschäden eintreten können. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Angeklagte die durch seine Pflichtverletzungen verursachten Folgen nicht vorausgesehen hat. Seine Voraussicht brauchte sich nicht auf das volle Ausmaß derspä-ter eingetretenen tatsächlichen Folgen zu erstrecken, sondern nur darauf, daß sein nicht Verkehrs- und betriebssicheres Fahrzeug zum Schleudern neigte und das aus dieser Tatsache erhöhte Gefahren sowohl für die Insassen seines Fahrzeugs als auch für andere Verkehrsteilnehmer erwuchsen. Daher liegt nicht fahrlässige Schuld i. S. des § 8 Abs. 1 StGB vor, sondern der Angeklagte hat fahrlässig i. S. des § 7 StGB gehandelt, weil er leichtfertig darauf vertraute, daß keine Folgen eintreten werden, obwohl er über mehrere Hunderte von Kilometern ein nicht betriebs- und verkehrssicheres Fahrzeug benutzte. Zu dieser Schuldfeststellung im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit, die bereits als solche eine bestimmte Aussage über den Grad des Verschuldens enthält, bedurfte es weiterhin der Konkretisierung des Ausmaßes der Schuld an Hand der weiter vorliegenden Umstände, die die Beziehungen des Angeklagten zur Tat charakterisieren, um die Stärke der subjektiven Verantwortungslosigkeit und Pflichtwidrigkeit richtig beurteilen zu können. Hierzu gehören auch die bewußtseinsmäßigen Ursachen, die den Angeklagten zu seinem verantwortungslosen Handeln bestimmten und die in die Schuldbewertung eingehen. Soweit das Kreisgericht hierzu festgestellt hat, daß der Angeklagte die Fahrt mit dem nicht betriebs- und verkehrssicheren Fahrzeug auf „Drängen“ einer anderen Person unternommen hat, kann dies keinen Einfluß auf die inhaltliche Schwere der Schuld haben; denn kein Bürger, der weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß er ein nicht betriebssicheres Fahrzeug benutzt, kann sich damit entlasten, daß er dazu von anderen Personen angeregt oder verleitet worden sei. Die Verantwortung des Angeklagten für die Benutzung des nicht betriebs- und verkehrssicheren Fahrzeugs und damit seine Schuld wird nicht durch eine solche mögliche Einwirkung zu seinen Gunsten beeinflußt. Vielmehr trägt der Fahrer eines Fahrzeugs stets die Verantwortung dafür, daß die von ihm beförderten Personen nicht zu Schaden kommen. Andererseits wird nicht verkannt, daß beim Angeklagten bewußtseinsmäßige Ursachen gegeben sind, die ge- 376;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Diensteinheit. Benachrichtigung des übergeordneten Leiters durch den Leiter der Abt eil ung Xlv auf -der Grundlage der für ihn verbindlichen Meldeordnung, des Leiters der Abteilung Information des Leiters der Abteilung vom chungsa t: Die aus den politisch-operativen LageBedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierenden höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuch.ungsh.aftvollzuges und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Dis imperialistischen Geheimdienste der Gegenwart. Vertrauliche Verschlußsache . Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und offensiven Bekämpfung feindlicher und anderer politischoperativ relevanter Handlungen irn Zusammenhang mit Versuchen von Bürgern der die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die Verhafteten werden in den für sie erforderlichem Umfang mit den Regimebedinqungen in der Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit , vorn Zeitpunkt der Aufnahme an, vertraut gemacht. Sie werden über ihre Rechte und Pflichten und über die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Sekretärs des zuständigen Gerichts zur Klärung insbesondere zivil-, arbeits- und familienrechtlicher Angelegenheiten sowie über die Ordnungs- und Verhaltensregeln von Inhaftierten in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Zur Durchsetzung der Gemeinsamen Anweisung psGeh.ffä lstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, defür Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen ist vorrangig auf die Gewährleistung einer hohen Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Durchführung der Strafverfahren zu konzentrieren.

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