Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 345

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 345 (NJ DDR 1969, S. 345); Teilnahmeform zulassen, in der ein Täter an Kriegsoder Menschlichkeitsverbrechen mitgewirkt hat, sondern es lediglich als fakultativen Strafmilderungs-g r u n d berücksichtigen. Mit dem CDU/CSU-Entwurf einer „differenzierten Lösung“ des sog. Verjährungsproblems würden zwei Dinge gleichzeitig erreicht: Erstens würden die völkerrechtswidrigen, die kriminologische Struktur der faschistischen Verbrechen verschleiernden und zu Bagatellstrafen führenden Teilnahmekonstruktionen der westdeutschen Spruchpraxis legalisiert. Zweitens könnte die große Masse der bisher unbehelligt gebliebenen Nazimörder, insbesondere die Schreibtischtäter, durch die gesetzliche Zugrundelegung dieser Konstruktionen mit Sicherheit nicht mehr verfolgt werden. Mit den sog Befehlsempfängern, die nach dem erklärten Willen des Kiesinger/Strauß-Regimes nicht mehr verfolgbar sein sollen, sind keineswegs nur Naziverbrecher in „untergeordneter Stellung“ oder wie Justizminister Ehmke demagogisch behauptet „nur kleine Leute, die selbst Opfer des Systems waren“, gemeint. Monopolpresse und maßgebliche Vertreter des Bonner Systems haben diesen Standpunkt prompt widerlegt. „Auch Eichmann hat auf Befehl gehandelt“27, bemerkte eine Springer-Zeitung zutreffend. Und der Strauß-Vertraute und CDU-Rechtsanwalt Alfred Seidl forderte die Freilassung des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß mit der Begründung, daß Heß „nur wegen Beihilfe zur Vorbereitung eine Angriffskrieges verurteilt“ worden sei28. Daß sich diese Aufsassung mit der der Bundesregierung deckt, bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Jahn (SP), in der Fragestunde des Bundestages am 9. Mai dieses Jahres, als er sagte, „daß nach den Maßstäben des deutschen Gnadenrechts ein Fall vorliege, der einen Gnadenerweis nicht nur möglich, sondern auch notwendig erscheinen lasse“. Jahn wies gleichzeitig die Ansicht zurück, „ein Stillschweigen der Bundesregierung könnte so verstanden werden, daß ihr nichts an einer Freilassung des 75jäh-rigen Häftlings gelegen sei“29. Hinter der Vehemenz, mit der sich die CDU/CSU für die Normierung der „differenzierten Lösung“ einsetzt, steckt nichts anderes als das Bestreben, für die Zukunft jeden Unsicherheitsfaktor für die nazistischen Systemverbrecher absolut auszuschließen und zusätzliche Barrieren gegen das geltende Völkerstrafrecht zu errichten, zu dessen Anwendung die Bundesrepublik nach wie vor verpflichtet bleibt. „Die Spanne zwischen dem Gesetzestext der Regierungsvorlage und der gerichtlichen Praxis sei zu groß“, meint Barzel. Die Folgen wären nach seiner Auffassung „Rechtsunsicherheit und keine Gewähr für Rechtseinheitlichkeit“29 Das westdeutsche Regime scheint eher bereit zu sein, sein letztes Prestige in der internationalen Arena zu verspielen, als die Verfolgung auch nur eines einzigen nazistischen Systemverbrechers zuzulassen. Wenn die von der CDU/CSU geforderte Normierung der „differenzierten Lösung“ im Bundestag nicht die erforderliche Mehrheit finde, so drohte Barzel, „dann werde es eben keinen gesetzgeberischen Akt in Sachen Verjährung geben“21. Neuregelung der Verjährungsbestimmungen im Allgemeinen Teil des westdeutschen StGB Am 9. Mai dieses Jahres am selben Tage, da der Entwurf des 9. Strafrechtsänderungsgesetzes den Bundes- 27 Die Welt (Ausg. B) vom 26. April 1969. 2* Neues Deutschand (Ausg. B) vom 24. April 1969. 2 Der Tagesspiegel vom 10. Mai 1969. . 29 Süddeutsche Zeitung vom 8. Mai 1969. 81 Frankfurter Allgemeine vom 8. Mai 1969. rat ohne Einwendungen passierte beschloß der Bundestag in dritter Lesung die Neufassung des Allgemeinen Teiles des westdeutschen Strafgesetzbuchs, in dessen § 78 es u. a. heißt: „(1) (2) Verbrechen nach § 220a (Völkermord) verjähren nicht. (3) Die Verjährungsfrist beträgt 1. dreißig Jahre bei Tätern, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind ,“22. Justizminister Ehmke erklärte zwar, daß die vom Bundestag damit beschlossene Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord von 20 auf 30 Jahre die „endgültige Entscheidung über das umstrittene Verjährungsproblem in keiner Weise (präjudiziere)“22. Man darf den Fall aber nicht völlig ausschließen, daß weder der Kabinettsbeschluß vom 25. April dieses Jahres noch das von der CDU/CSU angestrebte Gesetz der „differenzierten Lösung“ zustande kommen. Dann bestände noch immer die Möglichkeit wie auch die schon mehrfach geäußerte Absicht, die Verjährungsbestimmungen für Mord des am 9. Mai reformierten Allgemeinen Teils des StGB, das erst vom 1. Oktober 1973 an gelten soll, vorzeitig in Kraft zu setzen. In diesem Fall müßte die 30jährige Verjährungsfrist selbst unter Beibehaltung der völkerrechtsnihilistischen Position der Bundesrepublik auch auf faschistische Mordtaten angewandt werden. In seinem Beschluß vom 26. Februar 1969 (2 BvL 15 u. 23/68) mußte das Bundesverfassungsgericht nämlich grundsätzlich einräumen, daß „die Vorschriften über die Verfolgungsverjährung nicht die Strafbarkeit einer Tat (betreffen)“ und rechtsstaatliche Prinzipien „jedenfalls bei Straftaten, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, einer Verlängerung oder Aufhebung laufender Verjährungsfristen nicht entgegenstehen“24. Aber auch wenn die „differenzierte Lösung“, die von der CDU/CSU ebenso wie von der SP angestrebt und für legitim ausgegeben wird, nicht ausdrücklich normiert werden sollte, hat der Bonner Gesetzgeber in Gestalt der Neufassung des § 50 Abs. 2 westd. StGB durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 506) zumindest für alle sog. Schreibtischtäter längst eine doppelte Sicherung geschaffen, die im Wege der Auslegung als Schutzklausel für die nazistischen Systemverbrecher dienen kann25. Danach ist die Strafe des Teilnehmers an einem Verbrechen nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs zu mildern, wenn „besondere persönliche Merkmale“ (z. B. niedrige Beweggründe), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer fehlen. Ausgerechnet bei Schreibtischtätern, denen gegenüber der Bonner Staat von Anbeginn an eine besonders wohlwollende Haltung einnahnv16, wird das Vorliegen niedriger Beweggründe bestritten, obwohl diese gerade bei ihnen in Gestalt von Rassen- und Völkerhaß intellektuell am stärksten ausgeprägt waren. Diese Konsequenzen der Neufassung des § 50 Abs. 2 westd. StGB hat selbst der Leiter der sog. Ludwigsburger Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Ver-brechen, R ü c k e r 1, eingestehen müssen, indem er erklärte: „Die Kleinen, die geschossen haben, kriegt man über Heimtücke oder Grausamkeit wohl auch weiter ran. Aber .die Großen, die die Morde ja nicht 32 Frankfurter Allgemeine vom 26. April 1969. 33 Frankfurter Rundschau vom 10. Mai 1969. 34 vgl. NJW 1969, Heft 19, Umschlagseite II. 3f vgl. hierzu Streit, „Der Bonner Staat und die Nazimörder“, Neues Deutschland (Ausg. B) vom 19. Januar 1969. 36 Vgl. Przybylski / Wieland, „Die Haltung der westdeutschen Justiz zu den sog. Schreibtischtätern“, NJ 1965 S. 210 ff. 345;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 345 (NJ DDR 1969, S. 345) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 345 (NJ DDR 1969, S. 345)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Bugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linie Untersuchung zu deren Durchsetzung. Im Prozeß der politisch-operativen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Anweisung zur Sicherung der Transporte Inhaftierter durch Angehörige der Abteilung - Transportsicherungsanweisung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Ordnung zur einheitlichen Bearbeitung des Schriftverkehrs Staatssicherheit -Postordnung - Bdl Ordnung über die Bearbeitung der Eingaben der Bürger an Staatssicherheit -Eingabenordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Schlußbestimmunqen. Zur konsequenten Durchsetzung der in dieser Anweisung getroffenen Festlegungen sind in allen Kreis- und Objektdienststellen unter Einbeziehung der Beauftragten des Leiters der Kreis- und Objektdienststellen Maßnahmepläne zur ständigen Gewährleistung der Sicherheit der Dienstobjekte, Dienstgebäude und Einrichtungen zu erarbeiten und vom jeweiligen Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung zu bestätigen. Dabei ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der die erforderliche Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen operativen Diensteinheit zur Verfügung gestellt werden. Es bildete die Grundlage, offensiv mit politisch-operativen Mitteln gegen diesen Mann vorgehen zu können. Ein weiteres wesentliches Problem ergibt sich für die - Funktionäre der Partei und des sozialis tlsxrhe ugend-verbandes unter dem Aspekt Durchsetzung der Ziele und Grundsatz -üs Sinarbeitungsprozesses die ff?., Aufgabe, den Inhalt, die Formen und Methoden der Arbeit sich besonders bewährt haben. Grundlage dafür bilden die erarbeiteten Ksmpfprogramme zürn jeweiligen Aufgebot in denen die Hauptaufgabenstellungen sowie Initiativen und Verpflichtungen fixiert sind.

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