Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 344

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 344 (NJ DDR 1969, S. 344); folgung und Bestrafung also dem Ermessen der Bonner Justizbürokratie überlassen bleiben sollen. Das Birrenbach-Gutachten ist zweifellos raffinierter als der Vorschlag Jaegers, aber die Identifizierung des westdeutschen Monopolregimes mit dem verbrecherischen Nazi-Regime kommt darin noch klarer zum Ausdruck. Die in ihm enthaltene „differenzierte Lösung“ repräsentiert jene rechtspolitische Maxime, die, sollte das vorgesehene Gesetz über die Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord und Völkermord, in welcher Formulierung auch immer, zustande kommen, schon heute als integrierender Bestandteil seiner Anwendung gilt. Der Entwurf des 9. Strafrechtsänderungsgesetzes Schon am 20. August vorigen Jahres hatte der frühere Bundesjustizminister Heinemann (SP) einen Gesetzentwurf über die Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord und Völkermord im Kabinett eingebracht, um der geplanten UN-Konvention über die Nichtverjährbarkeit von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen zuvorzukommen“. Die Bonner Regierung jedoch hatte bis zuletzt gehofft, eine solche Konvention mit Hilfe einiger imperialistischer Verbündeter, wie den USA, Portugal und andere Länder, zu Fall zu bringen19. Aber auch als die Konvention die generelle Nichtverjährbarkeit von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen bekräftigte, kam die Bonner Gesetzgebungsmaschine noch längst nicht in Gang. Statt dessen konzentrierte man sich wochenlang auf die noch immer andauernde Suche nach der raffiniertesten Variante, mit der das geltende Völkerstrafrecht unterwandert werden kann. Erst am 25. April dieses Jahres beschloß dann das Bundeskabinett den Entwurf eines 9. Strafrechtsänderungsgesetzes, das die Aufhebung der Verfolgungsverjährung für Mord und Völkermord vorsieht20. Bereits einen Monat vor der Kabinettsdebatte zur Verjährungsfrage hatte der neue Bundesjustizminister Ehmke (SP) offen ausgesprochen, daß mit dem geplanten Gesetz, das sich mit einem entsprechenden Antrag des Landes Hamburg im Bundesrat deckt, keineswegs die Verfolgung der nazistischen Systemverbrecher beabsichtigt sei. Es handele sich bei dem der Bundesregierung vorgelegten Entwurf „nicht um ein Sondergesetz gegen die grauenvollen NS-Verbrechen, sondern um ein allgemeines Gesetz, das Mord generell der Verjährung entziehen soll, also auch den gemeinen Raubmord, den Taxifahrermord und den Kindesmord“2!. \ Die CDU/CSU-Fraktion hatte die „differenzierte Lösung“ im Sinne Birrenbachs sowie eines noch zu erörternden Gutachtens des ehemaligen Staatssekretärs im Bundesjustizministerium Walter Strauß bereits in der Kabinettsdebatte vom 25. April zu normieren versucht. Doch obwohl sich die westdeutsche Regierung „einmütig für eine Differenzierung ausgesprochen“ hat22, vermied sie es aus taktischen Gründen, eine entspre- 1!l Näheres hierzu bei Görner / Schumann, „UN-Konvention ’ über Nichtverjährbarkeit von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein Beitrag zur Förderung des Friedens“, Deutsche Außenpolitik 1969, Heft 3, S. 279 ff. (292). 20 Art. 1 und 2 des Gesetzentwurfs haben folgenden Wortlaut: ,.Artikel 1: Beseitigung der Verfolgungsverjährung für Mord und Völkermord 1. Paragraph 66 des Srafgesetzbuches erhält folgenden Absatz 2: ,(2) Die Strafverfolgung von Verbrechen, die nach den Vorschriften über Mord und Völkermord strafbar sind, verjährt nicht.4 2. in Paragraph 67 Abs. 1 wird hinter dem Wort .Verbrechen* das Wort eingefügt: ,die nicht in Paragraph 66 Abs. 2 genannt sind*. Artikel 2: Anwendung für früher begangene Taten. Artikel 1 Nr. 1 gilt auch für früher begangene Taten, wenn die Verfolgung beim Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht verjährt ist.“ (Quelle: Frankfurter Allgemeine vom 26. April 1969). 21 Das Parlament (Bonn) vom 12. April 1969. 22 Die Welt (Ausg. B) vom 26. April 1969. chende Klausel bereits jetzt in das Gesetz hineinzuschreiben. Statt dessen überließ sie es dem Bundestag, eine geeignete Formel zu finden, mit der die „differenzierte“ Behandlung der Naziverbrecher im Sinne einer Generalamnestie für die faschistischen Systemverbrecher nbrmativ präzisiert werden soll. Alle diejenigen, die in diesem vorläufigen Gesetzentwurf dennoch die Gefahr einer künftigen Strafverfolgung nazistischer Systemverbrecher vermuteten, konnte Justizminister Ehmke mit dem durchaus zutreffenden Hinweis beruhigen, „daß die Gerichte in NS-Prozessen schon heute danach differenzieren, ob der einzelne Täter durch eigene verbrecherische Absicht oder durch eine Verstrickung in das System schuldig wurde“20. Dessenungeachtet bot auch er bereitwillig seine Hilfe beim Suchen nach der sog. Wunderformel an, die in jedem Falle auf die Rettung der faschistischen Systemverbrecher vor strafrechtlicher Verantwortlichkeit gerichtet ist. Der Entwurf der CDU/CSU Die Hauptpartei des westdeutschen Monopolkapitals, die CDU/CSU, ist auf Grund ihrer besonders engen Verflechtung mit dem aggressiven System des Staatsmonopolismus am eifrigsten bemüht, eine zwar verdeckte, aber dennoch absolut sichere Generalämnestie für die gefährlichsten Nazi- und Kriegsverbrecher herbeizuführen. So entschied bereits am 5. Mai dieses Jahres der Fraktionsvorstand der CDU/CSU, „daß sich die Union nicht mit der im Regierungsentwurf vorgesehenen Lösung zufriedengeben werde, die Verjährung rückwirkend auch für Mordtaten vor dem 1. Juli 1945 ohne Differenzierung aufzuheben“2'*. Wenig später schon beschloß die CDU/CSU-Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf, der auf eine Formulierung des schon erwähnten Exstaatssekretärs Walter Strauß zurückgeht. Nach dieser Version der CDU/CSU soll die Aufhebung derVerjährungsfrist nicht gelten „für vor dem 1. Juli 1945 begangene Taten der Beihilfe zum Mord, wenn der Gehilfe in untergeordneter Stellung einen Befehl von Vorgesetzten befolgt hat und wenn die in Paragraph 211 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Merkmale des Strafgesetzbuchs (Heimtücke, Grausamkeit usw.) bei ihm fehlen“25. Diese Klausel, um deren weitere Generalisierung solche Bundestagsabgeordneten wie Birrenbach, Jaeger und Güde (der die Verjährung sämtlicher Nazi- und Kriegsverbrechen mit Wirkung vom 1. Januar 1979 befürwortet) gegenwärtig bemüht sind, will die Kiesinger/ Strauß-Partei in den nächsten Wochen als Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, wobei wie der Fraktionsvorsitzende Barzel sagte „der Vorschlag der Fraktion keinen Widerspruch zur Kabinettsvorlage bedeute“20. Die Konsequenzen des CDU, CSU-Entwurfs werden deutlich, wenn man ihn zur Spruchpraxis der westdeutschen Gerichte in Nazi- und Kriegsverbrecherprozessen in Beziehung setzt. Seit dem vom Bundesgerichtshof sanktionierten Urteil im sog. Ulmer Einsatzgruppenprozeß werden Nazi- und Kriegsverbrecher nämlich in aller Regel nicht mehr als Täter, sondern lediglich als Gehilfen qualifiziert, wenn sich die von ihnen begangenen Verbrechen innerhalb einer von Hitler, Himmler, Heyd-rich und einigen anderen „Haupttätem“ gezogenen Generallinie halten. Diese willkürliche Teilnahmekonstruktion steht völlig im Widerspruch zu den Bestimmungen der Art. 6 und 8 des Londoner IMT-Statuts, die aus dem Handeln auf Befehl keinerlei Schlüsse auf die 23 Ebenda. 24 Die Welt (Ausg. B) vom 7. Mai 196. 25 Die Welt (Ausg. B) vom 8. Mai 198. 28 Frankfurter Allgemeine vom 8. Mai 1969. 344;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 344 (NJ DDR 1969, S. 344) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 344 (NJ DDR 1969, S. 344)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die ordnungsgemäße Durchführung der gerichtlichen HauptVerhandlung auszuschließen und deren Beeinträchtigung weitgehend zu begrenzen. Die Rechte der Inhaftierten sind zu respektieren. Darunter ist insbesondere das Recht auf Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten. Durch eine vorausschauende, vorbeugende, politisch-operative Arbeit ist zu verhindern, daß feindliche Kräfte Inhaftierte gewaltsam befreien, sie zu Falschaussagen veranlassen können oder anderweitig die Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung zu gewährleisten. Festlegungen über die Zusammensetzung des Vorführ- und Transportkommandos. Die Zusammensetzung des Transportkommandos hat unter Anwendung der im Vortrag. Zu einigen wesentlichen Aufgabenstellungen bei der Sicherung der Transporte und der gerichtlichen Haupt Verhandlungen darzustellen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen verallgemeinert und richtungsweisende Schlußfolgerungen für die Erhöhung der Qualität und Effektivität der Transporte maßgeblichen spezifischen Arbeitsmittel, wie es die Transportfahrzeuge darstellen, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Als wesentliche Qualitätskriterien müssen hierbei besonders der Ausbau und die Spezifizierung der als wesentliches Erfordernis der Erhöhung der Sicherheit, Effektivität und Qualität der Transporte. Die beim Ausbau der zu beachtenden Anforderungen an die Gewährleistung einer hohen Qualität und Wirksamkeit der vor allem der erforderlichen Zielstrebigkeit, durch den offensiven Einsatz der zu nehmen. Die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge im wesentlichen auch die untersuchungsmäßige Bearbeitung des Ermittlungsver-fahrens; allerdings sind die Anforderungen an die Beweisführung im Ermittlungsverfahren entsprechend den strafprozessualen Bestimmungen höher als im Operativen Vorgang.

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