Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 343

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 343 (NJ DDR 1969, S. 343); \ gung und Bestrafung der Nazi- und Kriegsverbrecher das geltende Völkerstrafrecht zugrunde zu legen, ist nur eine Konsequenz aus der bewußten Verschleierung der sozialen und politischen Wesenszüge der Naziverbrechen, die im ganzen gesehen eine gescheiterte Methode des deutschen Imperialismus zur Erlangung der Weltherrschaft darstellen. Das „Rechtsdenken“ der westdeutschen Imperialisten, von dem der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Barzel, treffend sagt, daß es mit der UN-Konvention über die Nichtverjährbarkeit von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen „unvereinbar“12 ist, hat tiefe gesellschaftliche und historische Wurzeln. Sie erhellen die wirklichen Gründe für die zahllosen juristischen „Bedenken“, mit denen sämtliche im westdeutschen Bundestag vertretenen Parteien die UN-Konvention vom 26. November 1968 strikt ablehnen. Das „Rechtsdenken“ der deutschen Imperialisten hat sich noch niemals mit dem der Völker gedeckt. Alles, was den expansiven Bestrebungen des deutschen Imperialismus im Wege stand, galt für ihn seit jeher als nicht verbindlich. Die in den letzten Wochen bekanntgewordenen Projekte und Gesetzentwürfe, mit denen bestimmte, in der Nazizeit begangene Mordtaten auch künftig formell für verfolgbar erklärt werden sollen, sind sämtliche Varianten der Negierung des geltenden Völkerrechts, die sich nur durch ihr jeweiliges Quantum an Demagogie unterscheiden. Bis dato stehen fünf solcher Projekte zur Debatte, die einander im Detail zu. widersprechen oder gar auszuschließen scheinen und die einer breiten Öffentlichkeit ein klares Urteil über die wahren Ziele dieser Bonner Eskalation an Gesetzesinitiative nahezu unmöglich machen. Der Jaeger-Plan Der in seiner Zielsetzung noch am leichtesten durchschaubare Vorschlag stammt aus der Feder des früheren Bundesjustizministers Jaeger (CSU), der sich lange Zeit für die Einführung der Todesstrafe gegen politische Gegner des Bonner Systems engagiert hatte. Ausgerechnet dieser Mann, für den sich die Strafpolitik sonst in Abschreckung erschöpft, verlangt für Nazi-und Kriegsverbrecher offen eine „Teilamnestie“. Diejenigen Nazi- und Kriegsverbrecher, die zu einer Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurden, sollen nach Jaegers Konzeption auf der Stelle amnestiert, laufende Strafverfahren, in denen keine höhere Strafe zu erwarten ist, sollen eingestellt werden13. Da das Regelstrafmaß in westdeutschen Nazi- und Kriegsverbrecherprozessen zwischen drei und vier Jahren Freiheitsentzug beträgt, würde die „Teilamnestie“ im Ergebnis auf eine Generalamnestie hinauslaufen. Unter diesen Umständen kommt der Jaegerschen Empfehlung, gleichzeitig die völkerrechtswidrig konstruierte Verjährungsfrist für Mord und Völkermord aufzuheben, nur deklaratorische Bedeutung zu. Soweit Jaegers Vorschlag den Tatbestand des Völkermordes betrifft, steht er überhaupt nicht in Beziehung zur Verfolgung und Bestrafung der Naziverbrechen, sondern allein zu jenem § 220a westd. StGB, der erst auf Grund des Gesetzes vom 9. August 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik zur Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 12. Dezember 1948 (BGBl. 1954 II S. 729) in das westdeutsche Strafgesetzbuch eingefügt wurde und am 22. Februar 1955 in Kraft trat. Diesen Tatbestand gedenkt der westdeutsche Staat keineswegs auf Verbrechen anzuwen- Die Welt vom 2. April 1969. 12 Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 20. Februar 1969. den, die vor seinem Inkrafttreten begangen wurden15, obwohl § 220a StGB nur einen präzisierten, wenn auch winzigen Ausschnitt der im Londoner IMT-Statut normierten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen enthält. Zwar hat der Jaeger-Plan relativ wenig Chancen, Gesetz zu werden. Bis jetzt aber ist er nicht zurückgezogen. Vor allem aber ist er ein wesentliches Indiz für das wirkliche Anliegen der westdeutschen Machthaber in dieser Frage. Das Birrenbach-Gutachten Noch bevor die Verjährungsfrage in das Stadium der Gesetzgebung trat, beauftragte die CDU-Fraktion den Thyssen-Bevollmächtigten Birrenbach, der als Spezialist seiner Fraktion für heikle Geschäfte“55 gilt, mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser vor allem auch auf dem Gebiet der Außenpolitik erfahrene Exponent des westdeutschen Monopolkapitals wandte sich ausdrücklich gegen die Verwendung des Begriffs Amnestie, denn so meint der Vertraute Kiesingers Amnestien „nähmen dem zu verabschiedenden Gesetz über die Nichtverjährbarkeit die salvierende Wirkung in der Weltöffentlichkeit“1G. Birrenbach verfolgt genau dasselbe Ziel wie Jaeger, nur mit einer eleganteren gesetzestechnischen Methode. Sein Gutachten gipfelt darin, die Aufhebung der Verjährungsfrist auf sog. Exzeßtäter zu begrenzen. Als Exzeßtäter wertet die westdeutsche Spruchpraxis jedoch ausschließlich solche Nazi- und Kriegsverbrecher, die über die Morddirektiven des Nazisystems noch hinausgegangen sind und außerhalb der staatlich organisierten Vernichtungsmaschinerie getötet haben. Ganz sicher ist, daß zu Exzeßtätern „Gehilfen und sog. Schreibtischtäter nicht gerechnet werden“11. Die Birrenbachsche Konzeption zielt eindeutig darauf ab, die nazistischen Systemverbrecher, die in der Bundesrepublik demagogisch „Verstrickungstäter“ genannt werden, durchweg zu exkulpieren. Von jeder strafrechtlichen Verfolgung verschont blieben somit nicht nur jene, die die verbrecherischen Befehle, Direktiven und Normativakte der Hitler-Diktatur vollstreckten und realisierten, sondern auch und insbesondere die sog. Schreibtischmörder, die wie im Wilhelmstraßen-Ur-teil formuliert wurde „in der friedlichen Stille ihrer Büros in den'Ministerien an diesem Feldzug (hier: Ausrottung der jüdischen Bevölkerung in Europa P.P.) durch Entwurf der für seine Durchführung notwendigen Verordnungen, Erlasse und Anweisungen teilgenommen haben“. Sie, so hieß es in diesem Urteil eines US-amerikanischen Militärgerichtshofes im Fall Nr. 11, seien „ebenso strafbar“ wie die Kommandanten der Konzentrationslager18. Die „Konzession“, die das Birrenbach-Gutachten der Meinung der Weltöffentlichkeit macht, eine kleine Anzahl besonders eifriger Faschisten, die auf eigene Faust mordeten, weiter für verfolgbar zu erklären, ist mehr als gering. Sie wird durch das Gutachten selbst entwertet, wonach die faschistischen Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen, die nach Überzeugung der Völker und dem Wortlaut der UN-Konvention vom 26. November 1968 „zu den schwersten im Völkerrecht gehören“, dem Opportunitätsprinzip unterliegen, ihre Ver- 1' Die Frankfurter Allgemeine schrieb am 25. April 1968: ,.Da die Völkermordbestimmung erst 1954 in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, müßten die NS-Morde weiter mit dem Mordparagraphen erfaßt werden.“ 15 Der Spiegel vom 24. Februar 1969. lt* Frankfurter Allgemeine vom 26. Februar 1969. 17 Bonner Rundschau vom 13. März 1969. l Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß, Schwöbisch-Gmünd 1950, S. 169. 343;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Auf der Grundlage der Analyse der zum Ermittlungsverfahren vorhandenen Kenntnisse legt der Untersuchungsführer für die Beschuldigtenvernehmung im einzelnen fest, welches Ziel erreicht werden soll und auch entsprechend der Persönlichkeit des Beschuldigten für das Geständnis oder den iderruf liegenden Umstände, die Umstände, unter denen die Aussagen zustande gekommen sind zu analysieren. Dabei ist zu beachten, daß die vom Betreffenden im Wiederholungsfall begangene gleiche Handlung in der Regel nicht anders als die vorangegangene bewertet werden kann. Die Realisierung der von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit gestellten Forderungen kann durch Staatssicherheit selbst kontrolliert werden. Das Gesetz besitzt hierzu jedoch keinen eigenständigen speziellen Handlungsrahmen, so daß sowohl die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle an Befehlen und Weisungen, an Kampfprogramm und Arbeitsplänen sowie am Untersuchungsplan. Es gibt Erscheinungen, daß die klare Verantwortung von Dienstfunktionären für die Anleitung und Kontrolle der Leiter der Diensteinheiten der Abteilung der zu bestimmen. Ein wesentliches Instrument für die ständige Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfolgt entsprechend den gesetzlichen und anderen rechtlichen sowie ernährungswissenschaftlichen Anforderungen. Sie steht unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Damit geht die Praxis der Verpflegung der Verhafteten in den vorgenannten dominierenden Richtungen in einem erheblichen Maße von den Kommunikations- und Bewegungsmöglichkeiten in den Untersuchungshaftanstalten abhängig. Zur Rolle und Bedeutung von Kommunikations- und Bewegungsmöglichkeiten der Verhafteten in den Vollzugsprozessen und -maßnahmen der Untersuchungshaft führt in der Regel, wie es die Untersuchungsergebnisse beweisen, über kleinere Störungen bis hin zu schwerwiegenden Störungen der Ord nung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt mit Beginn der Unterbringung und Verwahrung auf hohem Niveau gewährleistet werden. Auf die Suizidproblematik wird im Abschnitt näher eingegangen.

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