Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 331

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 331 (NJ DDR 1969, S. 331); dern er muß zugleich die realen Möglichkeiten einer Resozialisierung des Jugendlichen unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen darlegen. Es reicht z. B. nicht aus, bei einem entwicklungsrückständigen Jugendlichen lediglich festzustellen, daß er aus diesem oder jenem Grunde die Bedingungen des § 66 StGB nicht erfüllt und somit nicht schuldfähig ist. Das Anliegen der Gesellschaft besteht doch gerade darin, jeden Jugendlichen und insbesondere diejenigen, bei denen ein Entwicklungsrückstand besteht zu befähigen, sich gesellschaftsgemäß zu verhalten. Es geht also im Falle des Fehlverhaltens Jugendlicher darum, die der Persönlichkeit adäquaten Mittel und Methoden zur Resozialisierung zu finden. Daher hat sich der als Gutachter bestellte forensische Psychologe gründlich mit der gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen, aus der heraus ein Jugendlicher strafbare Handlungen beging. Im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Strafrechts waren Inhalt und Form der Begutachtung der Schuldfähigkeit Jugendlicher wiederholt Gegenstand der Diskussion in dieser Zeitschrift1. Däbei ging es im wesentlichen um die Frage, wann ein Kollegialgutachten, erstattet von einem Psychologen und von einem Psychiater, erforderlich ist und wann ein Einzelgutachten von nur einem Vertreter dieser Disziplinen erstattet werden soll. Es ist an der Zeit, nunmehr zu grundsätzlichen Vereinbarungen zu kommen, um Forschung und Praxis der Forensischen Psychologie maximal zu aktivieren. Bei der Beantwortung der Frage, in welcüer Form die Jugendbegutachtung erfolgen soll, ist von folgendem auszugehen: Gemeinschaftsarbeit ist ein grundsätzliches Prinzip unserer Entwicklungsepoche und letzten Endes eine wichtige Voraussetzung jeglichen sozialistischen Fortschritts in Theorie und Praxis. Insofern ist es müßig, die Frage zu erörtern, ob in solchen Fällen, in denen das Rechtspflegeorgan gleichzeitig Zweifel am Vorliegen der Bedingungen der Schuldfähigkeit (§ 66 StGB) und der Zurechnungsfähigkeit (§§15, 16 StGB),hat, ein Gemeinschaftsgutachten (wir verstehen darunter ein psychiatrisch-psychologisches Komplementär-Gutachten) anzufordern sei. Das Gericht würde sich wesentlicher Mittel zur Wahrheitsfindung berauben, käme es in solchen Fällen zu der Entscheidung, ein Einzelgutachten eines Psychiaters oder eines Psychologen anzufordern. Der grundsätzliche Denkfehler, dem man in einigen Publikationen begegnet, liegt m. E. darin, daß in jedem Strafverfahren gegen Jugendliche prinzipiell die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 15, 16 u n d des § 66 StGB stehe. Eine Vermengung der psychopathologischen Sachverhalte „Zurechnungsfähigkeit“ bzw. „verminderte Zurechnungsfähigkeit“ und des psychologischen Sachverhalts „sozialer Entwicklungsrückstand“ wird l Vgl. Amboß / Geister, „Prüfung der Schuldfähigkeit Jugendlicher im gerichtlichen Verfahren“, NJ 1968 S. 295 fl. (300), die zwar im Kollegialgutachten die in der Regel zweckmäßigste Form der Begutachtung sehen, aber dennoch differenzieren. Szewcyk dagegen vertrat in seinem Beitrag „Zur psychologisch-psychiatrischen Begutachtung Jugendlicher“, NJ 1968 S. 437 ff.; einen sehr pointierten Standpunkt. Gegen diese Auffassungen wandten sich Goldenbaum / Koblischke in einem Artikel über „Die Besonderheiten der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher“, NJ 1968 S. 328 ff. (330). Sie verweisen auf den entwicklungs-, persönlichkeits- und sozialpsychologischen Inhalt des § 66 StGB und sehen die Begutachtung der Schuldfähigkeit als eine Aufgabe des psychologischen Sachverständigen an. Insbesondere die bisherige.Stellungnahme der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie in der DDR und der Gesellschaft für Psychologie in der DDR zur Frage der forensischen Begutachtung jugendlicher Straftäter (veröffentlicht in NJ 1968 S. 439) hat zur Diskussion angeregt und zu einer Weiterentwicklung der Gedanken hinsichtlich der Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Juristen, Psychologen und Psychiatern auf diesem Gebiet geführt. Zu den möglichen Alternativen der Jugendbegutachtung vgl. auch Szewezyk, „Jugendstrafrecht und Jugendbegutachtung Entwicklung, Krisen und Perspektiven“, Probleme und Ergebnisse der Psychologie 1966, Heft 18, S. 7 ff., und H.-D. Schmidt, „Zur Kompetenzproblematik bei der Jugendbegutachtung“, ebenda, S. 29 ff. den Grundsätzen unseres Strafrechts nicht gerecht und steht nicht in Übereinstimmung mit der marxistischen Theorie der Entwicklung und Persönlichkeitsformung. Es ist im Gegenteil ein grundsätzliches Anliegen unserer gegenwärtigen Forschung, entwicklungsbedingte psycho-soziale Anpassungsstörungen und psychopatho-logische Erscheinungen sauber gegeneinander zu differenzieren. Es ist hier nicht möglich, dies an Hand einer grundsätzlichen entwicklungstheoretischen Analyse zu belegen. Insoweit sei auf die Darlegungen von * Hiebsch verwiesen2. Die marxistische Entwicklungslehre geht von der Grundvoraussetzung aus, daß die wesentlichen Impulse positiver (und selbstverständlich auch negativer) Entwicklungen im Kindes- und Jugendalter in der für das Kind relevanten Umwelt zu suchen sind. Hiebsch analysiert die unterschiedlichen Bezugssysteme, von denen her die Determination bzw. Formung der Persönlichkeit des Jugendlichen erklärbar wird. Zwar sind die anatomisch-physiologischen Voraussetzungen Grundlage der komplizierten Prozesse der Bewußtseinsbildung und Sozialisierung des Jugendlichen. Die eigentlichen Determinanten der Entwicklung liegen jedoch primär in ganz spezieller Beschaffenheit der Reizkonstellation der konkreten gesellschaftlichen Umwelt. Das gilt in vollem Umfang auch für psycho-soziale Fehlentwicklungen. Die Entwicklung im Jugendalter trägt mancherlei Charakteristiken, die sich vor allem aus der unterschiedlichen individuellen Umwelt der Jugendlichen und ihrer aktiven Auseinandersetzung mit diesen Reizkomplexen ableiten. Nicht jeder Jugendliche spiegelt in seinem Erleben und Verhalten das alterstypische Niveau der Bildung und Erziehung, d. h. des Wissensstandes und der Sozialisierung wider, das für seine Alterspopulation unter den konkreten gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen typisch ist. In vielen Fällen sind Formen jugendlichen Fehlverhaltens auf erzieherisches Versagen der Umwelt bei der Herausbildung eines positiven Bewußtseinsstandes des Jugendlichen zurückzuführen. Dem trägt unser neues Strafrecht in § 66 StGB voll Rechnung. Diese Bestimmung sichert den Rechtsschutz Jugendlicher, die unverschuldet negativen Entwicklungsreizen ausgesetzt waren. Sie fordert vom Gutachter somit ausschließlich eine entwicklungs-, persönlichkeits-und sozialpsychologische Analyse des Jugendlichen, die in der Zuständigkeit des Psychologen liegt. Im Rahmen des § 66 StGB sind sicher auch solche Formen der Fehlentwicklung zu diskutieren, die primär umweltbedingt sind und deren wissenschaftliche Repräsentanz im Fachgebiet Pathopsychologie liegt. Es handelt sich hierbei um exogene (umweltbedingte) psychische Auffälligkeiten, die im Rahmen der Normalpopulation bleiben und die somit keinen Krankheitswert haben2. Alle psychopathologischen Störungen bei Jugendlichen sind ähnlich wie bei erwachsenen Straftätern selbstverständlich im Zusammenhang mit den §§ 15, 16 StGB zu diskutieren. Das bezieht sich auch auf nachweisbar organisch verursachte erhebliche Entwicklungsverzögerungen im Jugendalter'i, ganz abgesehen davon, daß beim Vorliegen organischer Ursachen einer Entwicklungsverzögerung in vielen Fällen auch Schwachsinn leichteren oder schweren Grades vorhanden ist. Die Entscheidung, ob ein psychologisches Gutachten zu § 66 StGB oder ein psychiatrisches Gutachten zu § 15 StGB anzufordern ist, wird den Rechtspflegeorganen 2 Hiebsch, Sozial psychologische Grundlagen der Persönlich-keitsformung, Berlin 1966. 3 in diesem Zusammenhang wird mitunter auch von der „Psychologie des Ranctnormalen“ gesprochen. 4 Auf das Vorliegen organisch verursachter Entwicklungsverzögerungen hat insbesondere Szewezyk, a. a. O., S. 437, hingewiesen. 331;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 331 (NJ DDR 1969, S. 331) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 331 (NJ DDR 1969, S. 331)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von politischer Untergrundtätigkeit zu beachtender Straftaten und Erscheinungen Terrorhandlungen Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen :die Staatsgrenze. Yon den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden im Jahre gegen insgesamt Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenzen der Ermittlungsverfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen. Bei diesen Personen handelt es sich um die beabsichtigten, illegal die zu verlassen die sich zur Ausschleusung von Bürgern der in die Tätigkeit von kriminellen Menschenhändlerbanden eingegliedert hatten die bei Angriffen gegen die Staatsgrenze Angriffe gegen die Landesverteidigung. Zu Feststellungen über die Organisierung politischer Untergrundtätigkeit Straftaten der staatsfeindlichen Hetze, der öffentlichen Herabwürdigung und weitere damit im Zusammenhang stehende Straftaten gegen die staatliche und öffentliche. Im Berichtszeitraum wurden Ermittlungsverfahren gegen Personen bearbeitet, die in schriftlicher oder mündlicher Form mit feindlich-negativen Äußerungen gegen die staatliche und öffentliche Ordnung. Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Volkswirtschaft Staatsfeindlicher Menschenhandel und andere Angriffe gegen die Staatsgrenze V: Militärstraftaten ?. Verbrechen Men schlichke Entwicklung der Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit der Kreis-und Objektdienststellen gearbeitet. Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben die gestellten Aufgaben richtig verstanden und notwendige Maßnahmen eingeleitet.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X