Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 322

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 322 (NJ DDR 1969, S. 322); der Zusammenhang zwischen dem Versuch zur Rechtfertigung der Hitler-Aggression und dem Versuch zur Rehabilitierung der Nazi-Kriegsverbrecher betont. Dieser Gedanke zieht sich durch den gesamten Text des Appells und kommt auch deutlich zum Ausdruck, wenn an anderer Stelle „die Rehabilitierung der Naziverbrecher und ihre erneute Einsetzung in allen Teilen des Staatsapparates“ als ein Bestandteil der revanchistischen gegen die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges gerichteten Politik gekennzeichnet wird. Das heißt: Es geht nicht einfach nur um eine Verjährungsfrist. Es geht nicht um eine untergeordnete Frage, die in den verschiedenen Ländern verschieden gelöst wird. Es geht nicht um eine isolierte Verjährungsfrage, die mit dem letzten Naziverbrecher ausstirbt. Die Bonner Verjährungspolitik ist nur e i n Bestandteil der systematischen Nichtanerkennung der Verantwortlichkeit für die Aggression und der Völkerrechtswidrigkeit des SS-Staates. Verjährung der Naziverbrechen, Zulassung der neonazistischen NP sowie Nichtanerkennung der Verbindlichkeit des Potsdamer Abkommens und der europäischen Nachkriegsgrenzen sind eine politische Konzeption, die sich gegen die Grundlagen des gegenwärtigen Völkerrechts richtet, weil sie die Legitimität des Aggressorstaates impliziert. Das völkerrechtlich entscheidende Ergebnis des zweiten Weltkrieges aber war gerade die Durchsetzung der Verantwortlichkeit für das Aggressionsverbrechen und die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit des faschistischen Regimes. Auf diesen Grundsätzen bauen nicht nur das Potsdamer Abkommen und die Friedensverträge von 1947 auf, sondern auch die UN-Charta selbst. Der Versuch der westdeutschen Imperialisten, che Ergebnisse des zweiten Weltkrieges zu revidieren, bezieht sich auch auf diese für die Gestaltung von Beziehungen der friedlichen Koexistenz bedeutungsvollen Ergebnisse des zweiten Weltkrieges in bezug auf die Weiterentwicklung des Völkerrechts. In diesem Prozeß der Bewußtseinsmanipulation spielt die Behandlung der faschistischen Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen durch die Bonner Justiz eine entscheidende Rolle. Man kann geradezu sagen, daß die Beschränkung auf die Verfolgung von Exzeßtätern und jede Verurteilung eines Exzeßtäters durch ein westdeutsches Gericht nur wegen des Exzesses ein Beitrag zur nachträglichen Rechtfertigung des faschistischen Staates und seines Aggressionskrieges ist. Denn die Verurteilung wegen des Exzesses, für das Überschreiten der Ordnung, setzt die Rechtfertigung, die Anerkennung der Ordnung selbst voraus. Ein SS-Mann, dem befohlen wurde, 100 sowjetische Kriegsgefangene zu erschießen, und der statt dessen 99 erschoß, wurde von den Nazis wegen schlechter Befehlsausführung bestraft. Ein SS-Mann, der statt der befohlenen 100 Kriegsgefangenen 101 erschoß, kann im Staate Kiesingers und Strauß' als Exzeßtäter bestraft werden. Er ging über den Befehl hinaus. Im Grunde wird er in beiden Fällen bestraft, weil er den Befehl schlecht ausgeführt hat. Die Rechtswidrigkeit des Befehls, der Anordnung, des Gesetzes zum Mord wird nicht in Betracht gezogen. In beiden Fällen wird der verbrecherische Befehl als gültige Ordnung behandelt. Die Entscheidungen in den Fällen Nerlinger und Rehse haben das System der bewußten Ausklammerung des verbrecherischen Nazistaates aus der Verfolgung der Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen ganz offensichtlich werden lassen'5. Wer sich bei der Begehung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen an die Nazige- Vgl. dazu Kaul. „Der Fall Rehse“, NJ 1969 S. 148 ff. und 179 ff.! Toeplitz, „Das Nürnberger Juristenurleil Bedeutung und aktuelle Lehren“, NJ 1967 S. 713 ff.: Kaul / Noack, „Anwendung des Völkerstrafrechts gegen Nazi-System-Verbrechen“, NJ 1969 S. 97 ff. setze und Befehle gehalten hat, kommt nicht als Verbrecher in Betracht. Umgekehrt: Noch heute wird von den westdeutschen Gerichten der Widerstand der KZ-Häftlinge und Kriegsgefangenen gegen die völkerrechtswidrige und verbrecherische Behandlung bei den Nazis als Vergehen gegen die nun einmal bestehende Ordnung behandelt. Ein Notstandsrecht wird nicht dem Häftling gegen das faschistische Terrorregime, sondern dem SS-Mann gegen den Widerstand leistenden Häftling zugebilligt. Der verbrecherische Charakter des faschistischen Raubkrieges wird ebenso wie der verbrecherische Charakter der faschistischen KZ-Ord-nung ausgeklammert; übrigbleibt „militärische Notwendigkeit“ und ein Notstand bei der Aufrechterhaltung der Ordnung. Mit Hilfe dieses einfachen Tricks wird jeder völkerrechtliche Maßstab geleugnet und der Faschismus zum Maßstab der Gerechtigkeit. Auf diese Weise dienen solche Prozesse gegen Naziverbrecher in Westdeutschland heute nicht der Ausrottung der Wurzeln des Faschismus und der Festigung des völkerrechtlichen Verbots des Nazismus, sondern der Rehabilitierung der Kriegsverbrecher, der Rechtfertigung des faschistischen Regimes und der Hitler-Aggression. Das gilt auch für den Versuch Bonns, die Nichtverjährung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen durch ein Gesetz über die Nichtverjährung von Mord und Völkermord zu ersetzen*, da sich beides nicht auf Naziverbrechen als Verbrechen im Rahmen des faschistischen Systems bezieht und die rechtliche Qualifikation einer Tötungshandlung als Mord auf Grund der Gesetze des faschistischen Staates vorgenommen wird. Die Beurteilung der Naziverbrechen auf Grund des Strafgesetzbuchs aus dem Jahre 1871, die Anwendung der Verjährungsbestimmungen dieses Gesetzbuchs sowie der im innerstaatlichen Strafrecht üblichen Maßstäbe kurz: die Gleichsetzung der internationalen Verbrechen des Nazismus mit der gewöhnlichen innerstaatlichen Kriminalität beruhen auf der Gleichsetzung der Ordnung des faschistischen Aggressorstaates mit der Rechtsordnung eines friedliebenden Staates. Das ist die völkerrechtswidrige Grundkonzeption des Revanchismus, die auch der Bonner Verjährungspolitik zugrunde liegt. Diese Konzeption ist nicht nur gefährlich, weil sie auf eine nachträgliche Legitimierung des faschistischen Deutschlands hinausläuft, sondern vor allem deshalb, weil sie mit der sattsam bekannten und seit mehr als 30 Jahren völkerrechtswidrigen These „Gesetz ist Gesetz“ zum ideologischen Wegbereiter des Neonazismus wird5, der keineswegs nur durch die NP verkörpert wird. Die These „Gesetz ist Gesetz“ rechtfertigt nicht allein das völkerrechtswidrige Naziregime. Sie schaltet jede verbindliche Einwirkung des Völkerrechts aus und enthält bereits die Formel „Auch ein Notstandsgesetz ist ein Gesetz“. Mit ihrer Hilfe soll die Gesellschaft gegen eine neue nazistische Gesetzgebung intellektuell wehrlos gemacht werden. Gerade deshalb ist es so wichtig, daß die UN-Konven-tion über die Nichtverjährung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen nicht nur allgemein auf die Nürnberger Prinzipien verweist, sondern ganz speziell und ausdrücklich im Art. I hervorhebt, daß es sich bei den beschriebenen Mensdilichkeitsverbrechen auch dann um Verbrechen handelt, „wenn solche Handlungen keine Verletzung des innerstaatlichen Rechts des Landes darstellen, in dem sie begangen wurden“. Das heißt: Ein Kriegs- oder Menschlichkeitsverbrechen hört nicht dadurch auf, ein Verbrechen zu sein, daß es in * Vgl. hierzu Przybylski, Bonner Varianten der Amnestierung nazistischer Systemverbrecher und ihre Hintergründe“, in diesem Heit. D. Red. 5 Vgl. dazu Steiniger in: Fall 3 Der Juristenprozeß, Berlin 1969, S. 11 f. 322;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 322 (NJ DDR 1969, S. 322) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 322 (NJ DDR 1969, S. 322)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Entweichungen geschaffen. Das Wesen der politisch-operativen Hauptaufgabe der Linie. Die politisch-operative Hauptaufgabe der Linie besteht darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden operativen Un-tersueuungshaftvollzug durchzusetsan, insbesondere durch die sicaere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen, einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten in den Verwahrzellen der GTV. Das umfaßt insbesondere die ständige Beobachtung der Inhaftierten unter Beachtung der Mindestkontrollzeiten zur vorbeugenden Verhinderung von Ausbruchs- und Fluchtversuchen, Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten als Bestandteil der operativen Lageeinschätzung im Verantwortungsbereich, zur Herausarbeitung und Bestimmung von Erfordernissen der vorbeugenden Terrorabwehr und des Niveaus der dazu ersetzbaren operativen Kräfte, Mittel und Methoden sowie die aufgewandte Bearbeitungszeit im Verhältnis zum erzielten gesellschaftlichen Nutzen; die Gründe für das Einstellen Operativer Vorgänge; erkannte Schwächen bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge, insbesondere die Herausarbeitung und Beweisführung des dringenden Verdachts, wird wesentlich mit davon beeinflußt, wie es gelingt, die Möglichkeiten und Potenzen zur vorgangsbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Derartige Aufgabenstellungen können entsprechend der Spezifik des Ziels der sowohl einzeln als auch im Komplex von Bedeutung sein.

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