Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 314

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 314 (NJ DDR 1969, S. 314); Am 13. Juli 1968 befuhr der Angeklagte gegen 18 Uhr mit seinem Pkw die F.-Allee in Richtung M.-Allee mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h. Beim Annähern an zwei Kinder, die er bereits aus etwa 200 m Entfernung wahrgenommen hatte und die sich mit einem Fahrrad bzw. einem Roller auf der Straße befanden, hupte er. Nachdem er sich dem radfahrenden Kind bis auf 40 m genähert hatte, gab er nochmals ein Warnsignal. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kind mit dem ' Roller bereits die Fahrbahn verlassen, während das ursprünglich mit dem Fahrrad die Fahrbahnmitte benutzende Kind auf das erste Hupen hin an die rechte Bordsteinkante herangefahren war und etwa 0,50 m davon entfernt weiter die Fahrbahn benutzte. Etwa 20 m hinter dem Jungen das Alter dieses Kindes (5 Jahre) hatte der Angeklagte annähernd richtig erfaßt lenkte der Angeklagte weiter/nach links und befuhr etwa die Straßenmitte. Sein seitlicher Abstand zu dem vor ihm fahrenden Jungen betrug etwa 1‘/ü bis 2 m. Wenige Meter vor dem Überholen bog das Kind plötzlich nach links und für den Angeklagten unerwartet in Richtung Fahrbahnmitte Dadurch wurde die linke Lenkerseite des Fahrrades vom Auto erfaßt. Der Junge prallte gegen die Frontscheibe und erlitt eine mittelgradige Gehirnerschütterung und einen kleinen faustgroßen Hämatom am Hinterhaupt. Er mußte deshalb etwa drei Wochen lang stationär behandelt werden. Aus diesen Feststellungen schlußfolgert das Kreisgericht, daß das Kind für den Angeklagten völlig überraschend in dessen Fahrzeug gefahren sei. Aus dem vorherigen Verhalten des Kindes hätte er annehmen dürfen, daß es sich verkehrsgerecht verhalten werde. Insoweit entfalle eine Pflichtverletzung des Angeklagten. Der Sicherheitsabstand sei ausreichend gewesen, und er hätte mit einem solchen Fehlverhalten des Kindes nicht zu rechnen brauchen. Gegen die Entscheidung des Kreisgerichts hat der Präsident des Obersten Gerichts Kassationsantrag zuungunsten des Angeklagten gestellt, mit dem Verletzung des Gesetzes, teils durch unrichtige Aufklärung, teils durch unrichtige Feststellung des Sachverhalts (§ 222 StPO) sowie durch fehlerhafte Verneinung der Voraussetzungen des § 196 StGB gerügt wird. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die Entscheidung des Kreisgerichts gibt auf die in diesem Verfahren primär zu entscheidende Frage, welche Anforderungen an das Verhalten eines Kraftfahrers bei Annäherung an Kinder zu stellen sind, eine desorientierende Antwort. Sie wird dem Schutz der Kinder im Straßenverkehr nicht gerecht und negiert die allseitigen Bemühungen des sozialistischen Staates und der Gesellschaft, Kinder weitestgehend vor Schäden im modernen Straßenverkehr zu bewahren. Dadurch hat das Gericht die ihm obliegende Aufgabe, mit Hilfe der Rechtsprechung einen speziellen Beitrag im gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen Erscheinungen der Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr zu leisten, nicht verwirklicht. (Es folgen Ausführungen über unzulängliche Beweiserhebungen im einzelnen.) Die Frage, welche Anforderungen an das Verhalten eines Kraftfahrers bei der Annäherung an auf der Fahrbahn oder in deren Nähe befindliche Kinder zu stellen sind, kann nicht von vornherein und für jeden Fall allgemeingültig beantwortet werden, weil dies entscheidend von der konkreten Verkehrssituation und auch vom Alter der Kinder mit abhängt. So besteht z. B. ein Unterschied, ob ein Kraftfahrer sich auf einer Schnellstraße im belebten Großstadtverkehr bewegt oder wie im vorliegenden Fall eine untergeordnete und unbelebte Fahrbahn benutzt. Im ersteren Fall ist weniger damit zu rechnen, daß Kinder die Fahrbahn zum Spielplatz machen oder auf der Fahrbahn längere Zeit verweilen, weil ihnen hier in der Regel bestimmte Grundverhaltensnormen bereits anerzogen sind. Hingegen werden Kinder auf weniger befahrenen Fahrbahnen eher dazu neigen, sich unvorsichtig auf ihnen zu bewegen, weil ihre kindlichen Erfahrungen sie hier die Größe der sich daraus ergebenden Gefahren nicht immer richtig einschätzen lassen. Des weiteren kann auch davon ausgegangen werden, daß ältere Kinder, bedingt durch Erziehung in Schule und Elternhaus, sich im allgemeinen besser verkehrsgerecht zu verhalten vermögen, als dies bei Kleinkindern der Fall ist, die eher zu unüberlegten unch unbedachten Reaktionen neigen. Ungeachtet dieser nur vom Einzelfall her möglichen Differenzierung besteht jedoch immer die generelle Verpflichtung eines Kraftfahrers, bei der Annäherung an auf oder unmittelbar neben der Fahrbahn befindliche Kinder höchste Vorsicht walten zu lassen. Es wäre verfehlt, hier uneingeschränkt den Grundsatz des Vertrauens gelten zu lassen und den Kindern die gleiche Verantwortung für ein verkehrsgerechtes Verhalten im Straßenverkehr aufzuerlegen wie Erwachsenen, wenngleich nicht übersehen werden darf, daß auch Eltern und sonstige erziehungspflichtige Personen durch ihr eigenes Vorbild bereits Kleinkindern die Grundregeln für das Verhalten im Straßenverkehr anerziehen müssen. Die im Interesse der Erhaltung des Lebens und der Gesundheit unserer Kinder notwendige Verhaltensmaxime eines Kraftfahrers hat der Angeklagte im vorliegenden Fall außer acht gelassen. Er befand sich auf einer unbelebten und untergeordneten Straße. Vor ihm fuhr ein fünf Jahre altes Kind Fahrrad, das er auch hinsichtlich seines Alters richtig einschätzte. Unter diesen Umständen war eine plötzlich auftretende Fehlreaktion dieses Kindes nicht auszuschließen das beweist die tägliche Praxis des Verkehrsunfallgeschehens und mußte auch dem Angeklagten bekannt sein , so daß er sich nicht mit annähernd gleichbleibender Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h diesem nähern durfte. Mit der Abgabe von Warnsignalen allein ist er seiner Verpflichtung zur Vorsicht und Rücksichtnahme nicht nachgekommen. Der Angeklagte durfte nicht darauf vertrauen, daß sich das Kind situationsgerecht verhalten werde. Er mußte mit einem Überraschungseffekt rechnen und seine Fahrweise danach einrichten, sei es durch einen noch größeren Sicherheitsabstand oder durch eine verminderte Geschwindigkeit. Darin liegt der strafrechtliche Vorwurf, der vom Kreisgericht zu Unrecht verneint wurde. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang noch auf folgendes hinzu weisen: Wenn der Angeklagte tatsächlich, wie er vorgibt, mit einem verkehrsgerechten Verhalten des Jungen gerechnet haben will, nachdem dieser beim ersten Hupen nach rechts ausgewichen war, so ist es unerfindlich, warum er dann 40 m vor dem Kind nochmals gehupt hat. Diese Tatsache spricht mehr dafür, daß er sich durchaus einer Gefahrenlage bewußt war, denn sonst ist unter Berücksichtigung der vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit die Abgabe von Warnsignalen auf diese Entfernung gegenüber Kindern eher verkehrswidrig als verkehsgerecht. Solche plötzlich auf diese Entfernung abgegebenen Hupsignale können eher zu Schreckreaktionen als zu einem situationsgerechten Verhalten führen. x ‘ Aus alledem ergibt sich, daß der Freispruch des Angeklagten nicht gerechtfertigt war. Deshalb war das Urteil des Kreisgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses-Gericht zurückzuverweisen. In der erneuten Verhandlung wird das Kreisgericht unter Beachtung der gegebenen Hinweise zunächst die Widersprüche zu klären und den 314;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 314 (NJ DDR 1969, S. 314) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 314 (NJ DDR 1969, S. 314)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Betreuern sowie der Hauptinhalt ihrer Anziehung und Befähigung durch den Leiter in der Fähigkeit zur osycho oisch-nädagogischen Führung von Menschen auf der Grundlage einer fundierten und kritischen Einschätzung des erreichten Standes und der erzielten Ergebnisse bei der Durchführung der operativen Personenaufklärung und -kontrolle die erforderlichen Schlußfolgerungen zur weiteren Erhöhung der politischoperativen Wirksamkeit der Arbeit mit zu beraten, dabei gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen, zu vermitteln und herauszuarbeiten, welche Verantwortung die Leiter bei der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, auf Familienzusammenführung und Eheschließung mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR. Sie sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen ist die genaue Kenntnis der innergesellschaftlichen Situation der von erstrangiger Bedeutung für die Be-Stimmung der Schwerpunkte, Aufgaben und Maßnahmen der vorbeugenden Tätigkeit. Aus der innergesellschaftlichen Situation und unter Beachtung der mit dem Vorgang zu erreichenden politisch-operativen Zielstellung wird in der abschließenden Einschätzung der Linie die Abschlußvariante des operativen Ausgongsmaterials in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht.

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