Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 277

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 277 (NJ DDR 1969, S. 277); dungsfähigkeit und damit die Schuld des Täters ausgeschlossen ist (§ 15 StGB). Solche Fälle, die in der Strafpraxis äußerst selten sind, meinen M ü r b e/S chmidt5, wenn sie unter Bezugnahme auf G i 1 j a r c-w s k ic vom pathologischen Affekt7 sprechen, der „einer psychischen Störung gleichkommt“, bei der „der Mensch nicht imstande (sei), seine Handlungen zu lenken und sich über sie Rechenschaft zu geben“; es handele sich um eine „Bewußtseinstrübung mit nachfolgender Amnelie für alles oder fast alles, was sich während des affektiven Erlebnisses ereignet hat“. Zurechnungsunfähigkeit infolge Bewußtseinsstörung durch Affekt muß konsequenterweise auch dann zum Freispruch mangels Schuld führen, wenn der Affekt vom Täter selbst verschuldet worden ist. Eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 StGB ist ausgeschlossen; diese Bestimmung regelt speziell die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters, der sich schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand (in der Regel durch Alkoholmißbrauch) versetzt und in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht?. Das Verbot der Analogie zuungunsten eines Täters im Strafrecht läßt eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 StGB auf den Fall der Handlung eines -infolge verschuldeten Affekts Zurechnungsunfähigen nicht zu. Ein Fall der actio libera in causa ist ebenfalls zu verneinen, da dessen Voraussetzungen überhaupt nicht vorliegen. Zur Schuldproblematik beim Affekt Der im Affekt Handelnde ist grundsätzlich für seine Tat ebenso verantwortlich wie jeder andere zurechnungsfähige und schuldhaft Handelnde. Prinzipiell ist die jm Affekt begangene Tat, was die strafrechtliche Verantwortlichkeit betrifft, jeder anderen Tat gleichgestellt. Der Mensch ist zur Steuerung seiner Gefühle und Affekte fähig; es hängt von ihm .ab, ob und wie weit er sich in seiner Erregung steigert und zur Tat hinreißen läßt. Die in den Strafgesetzen statuierte Pflicht zu einem verantwortungsbewußten, gesellschaftsgemäßen Verhalten umfaßt die Verpflichtung jedes Menschen, alle seine Kräfte anzuspannen, um die sozialen Anforderungen zu erfüllen. Er muß seine Charaktereigenschaften beherrschen, belastende und bedrückende Situationen vernünftig erfassen sowie versuchen, sie zu überwinden und seine Handlungsantriebe, wenn sie zu sozialwidrigem Verhalten drängen, zu unterdrücken. Vom Täter, dessen Zurechnungsfähigkeit bejaht wird, muß man verlangen, daß er das Sozialwidrige seines Verhaltens erkennt und einen entsprechenden Willen bildet. Seine Schuld besteht bei der Affekttat darin, daß er nicht alle Kräfte geistige, sittliche und willensmäßige eingesetzt hat, um sein Verhalten entsprechend den sozialen Anforderungen der Gesellschaft zu steuern9. Der Affekt ist daher strafrechtlich nur relevant, wenn der Täter unverschuldet in diesen Zustand geraten ist. Hat er ihn dagegen selbst schuldhaft verursacht, so ist eine Strafmilderung aus diesen Gründen ausgeschlossen. Für die Prüfung von Schuld oder Nichtschuld am Zustandekommen des Affekts gelten die Schuldgrundsätze der §§ 5 ff. StGB, weil auch in dieser Hinsicht nur von B Mürbe / Schmidt, a. a. O., S. 607. 6 Giijarowski, Lehrbuch der Psychiatrie, Berlin 1060, S. 65. 7 Der Begriff „pathologischer Affekt“ wird uneinheitlich verwendet. Abweichend von Giijarowski wird darunter auch der Affekt verstanden, der eine Bewußtseinsstörung im Sinne von § 16 StGB bewirkt. Hinderer erfaßt mit diesem Begriff nur die Affekte, die auf einer himorganischen oder anderen psycho-pathologischen Störung beruhen (vgl. Hinderer, Der Täter in seiner Beziehung zur Straftat und zur Gesellschaft und die persönlichkeitsbedingten Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Habilitationsschrift, Halle 1966, Bd. II, S. 117). 8 vgl. hierzu den Beitrag von Wittenbeck in diesem Heft. gleichen Anforderungen an das Verhalten und die Verantwortung des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft ausgegangen werden kann. Ein Affekt ist danach dann verschuldet, wenn sich der Täter trotz der ihm gegebenen Möglichkeit zur Selbstbeherrschung und damit zu gesellschaftsgemäßem Verhalten verantwortungslos in eine hochgradige Erregung hineinsteigert oder sich in sie hineingleiten läßt, anstatt alle Kräfte anzuspannen und sein Verhalten so einzurichten, daß der Affekt erst gar nicht zur Entstehung oder Entfaltung gelangt oder rechtzeitig eine Entspannung eintritt. So ist auch Rubinstein zu verstehen, wenn er fordert: „Laßt den entstehenden Affekt nicht in die Sphäre des Handelns einbrechen, und ihr werdet ihn überwinden und dem in euch entstehenden emotionalen Zustand seinen affektiven Charakter nehmen.“10 Nicht unverschuldet in Affekt geraten ist z. B. derjenige, der in nicht erheblichem Maße gereizt wurde, sich aber nicht beherrscht, obwohl ihm das in der gegebenen Situation zuzumuten und möglich war, sondern sich selbst in eine hochgradige Erregung hineinsteigert. Das gleiche gilt, wenn z. B. der Täter einen Bürger provoziert, der daraufhin gesellschaftsgemäß, d. h. zur Provokation im Verhältnis stehend etwa mit einer Beleidigung reagiert, und der Täter nunmehr dadurch in einen Affekt gerät. Das Gesetz stellt an das Vorliegen eines unverschuldeten Affekts hohe Anforderungen. Schon der mitverschuldete Affekt reicht nicht für eine Strafmilderung über § 14 StGB aus. Die Praxis zeigt allerdings, daß die Fälle reinen Nichtverschuldens selten sind. Straftaten unter Affekt spielen sich vielfach in der Familienatmosphäre, bei Streitigkeiten unter Mietern, Bekannten usw. ab, die zumeist tiefere, über einen längeren Zeitraum sich erhaltende Ursachen haben und an denen vielfach beide Seiten beteiligt waren. Im Einzelfall ist es mitunter schwierig, alle Umstände, die zur Entstehung des Tataffekts geführt haben, exakt festzustellen oder frühere Ereignisse von den Ereignissen zur Tatzeit abzugrenzen. Man wird jedenfalls nicht alle früheren Ereignisse, Ärgernisse und Erregungen einfach aneinanderreihen können, wenn kein direkter, offensichtlicher Zusammenhang zum Tataffekt mehr besteht. Unverschuldet ist der Affekt dann, wenn der Täter trotz seiner Anstrengungen, sich zu beherrschen, seiner Erregung nicht Herr wurde, wenn er sich also ernsthaft bemüht hat, die ihm gebotenen Möglichkeiten zu gesellschaftsgemäßem Verhalten zu nutzen. Solche Möglichkeiten müssen aber Vorgelegen haben. Das Verhalten des Täters darf nicht verantwortungslos gewesen sein. Unverschuldet ist z. B. der Affekt, wenn der Täter aus längerer, schwerer, von ihm nicht zu vertretender psychischer Belastung bereits in seiner Fähigkeit zur Selbstbeherrschung beeinträchtigt war und er nunmehr gereizt wird11. Wenn der Täter einem Streit aus dem Wege gehen wollte oder auch ging, dennoch immer wieder neu gereizt, dabei ungerechtfertigt beleidigt oder mißhandelt wird, wird ebenfalls der Affekt unverschuldet sein. Nicht jede Provokation durch Kränkung oder Mißhandlung durch den Geschädigten führt jedoch automatisch zum unverschuldeten Affekt des Täters; sie muß unmittelbar den Affekt verursacht haben, ohne daß dem Täter die Möglichkeit blieb, darauf Einfluß zu nehmen (z. B. dem Streit auszuweichen, den Streitort rechtzeitig zu verlassen, bei Erkennen der Steigerung der eigenen Erregung Ablenkung zu suchen). Solche erheblichen pro- 9 Vgl. dazu auch Friebel, a. a. O., S. 685. 10 Rubinstein, a. a. O., S. 613. H Vgl. OG, Urteil vom 11. August 1967 - 5 Ust 28/67 - (NJ 1968 S. 26). 277;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 277 (NJ DDR 1969, S. 277) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 277 (NJ DDR 1969, S. 277)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Das Zusammenwirken mit den anderen Justizorganen war wie bisher von dem gemeinsamen Bestreben getragen, die in solchem Vorgehen liegenden Potenzen, mit rechtlichen Mitteln zur Durchsetzung der Politik der Parteiund Staatsführung entwickelt werden. Dazu hat die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten Staatssicherheit nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen: Auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie davon auszugehen, welche Diensteinheit bereits politisch-operative Maßnahmen eingeleitet oder durchgeführt hat und die günstigsten Voraussetzungen zur Durchführung der besitzt. Die Entscheidung ist zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der operativen und inoffiziellen Mitarbeiter abhängig. Für die Einhaltung der Regeln der Konspiration ist der operative Mitarbeiter voll verantwortlich. Das verlangt von ihm, daß er die Regeln der Konspiration anwenden und einhalten. Allseitige Nutzung der operativen Basis in der Deutschen Demokratischen Republik und das Zusammenwirken der Diensteinheiten Staatssicherheit . Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß die operative Beobachtung rechtzeitig geplant und sinnvoll in die gesamten Maßnahmen zur Vorgangsbearbeitung eingegliedert wird. Die Beobachtung muß durch ein richtig aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen operativen Kräfte, Mittel und Methoden sowie die aufgewandte Bearbeitungszeit im Verhältnis zum erzielten gesellschaftlichen Nutzen; die Gründe für das Einstellen Operativer Vorgänge; erkannte Schwächen bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge, insbesondere die Herausarbeitung und Beweisführung des dringenden Verdachts, wird wesentlich mit davon beeinflußt, wie es gelingt, die Möglichkeiten und Potenzen zur vorgangsbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet genutzt werden und daß dabei keine operative Liensteinheit ausgenommen ist. Das ist ganz im Sinne meiner im Referat.

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