Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 178

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 178 (NJ DDR 1969, S. 178); Zusehen, weshalb diese Gruppenhandlungen, die sich nach ihrem sozialen Inhalt und ihrer Gesellschaftswidrigkeit bzw. -gefährlichkeit wohl schwerlich von den Fällen vorgeplanten Vorgehens unterscheiden, eine andere rechtliche Qualifikation erfahren sollten. Wir kommen daher zu dem Ergebnis, daß eine kriminelle Gruppe im Sinne der Vorschriften des 8. Kapitels des StGB nicht das Vorhandensein eines dem Vorgehen ihrer Mitglieder zugrunde liegenden und zumindest in groben Umrissen allen bekannten Planes voraussetzt. Zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals reicht es aus, wenn sich erst unmittelbar vor Begehung der Straftat oder im Prozeß strafrechtlich relevanten Handelns eine die Beziehung der Handelnden untereinander bestimmende Gruppenstruktur herausbildet. Soweit Seidel und Lupke bei der Betrachtung einzelner Gruppendelikte auf Bestimmungen des 8. Kapitels und ihre Anwendung eingehen, fällt zunächst auf, daß sie für den Fall des § 214 Abs. 2 StGB das von ihnen als allgemeines strafrechtliches Gruppenkriterium aufgestellte Erfordernis des gemeinsamen Planes wieder fallenlassen und hinsichtlich der ersten Tatbestandsalternative „Gewalttätigkeiten verübt“, auch den spontanen Zusammenschluß mehrerer Personen als Gruppe anerkennen (S. 497). Gegen dieses Ergebnis ist aus den bereits dargelegten Gründen nichts einzuwenden, wenn es auch angesichts der vorangegangenen Schlußfolgerungen, die die Verfasser aus dem sozialpsychologischen Gruppenbegriff gezogen haben, überrascht. Soweit sie jedoch hinzufügen, daß es sich hierbei um einen Zusammenschluß „negativ Gleichgesinnter“ handeln müsse, erhebt sich diS Frage, ob sie damif etwa meinen, es müsse sich hier sozusagen an Stelle des für andere Fälle aufgestellten Planungserfordernisses um eine vor der Tat vorhandene, das gesellschaftliche Leben allgemein oder in speziellen Erscheinungen negierende und den Gruppenmitgliedern zumindest in groben Umrissen bekannte Gesinnung handeln. Das wäre fehlerhaft, weil sich eine so verstandene negative Gesinnung die dann auch Gegenstand der Sachaufklärung und der Urteilsfindung im Strafverfahren sein müßte als ein neben den Vorsatz tretendes subjektives Merkmal darstellen würde, das das Gesetz nicht fordert. Darüber hinaus zeigt die Praxis, daß es auch hier sicherlich auf dem Boden ungenügender Verbundenheit mit der sozialistischen Gesellschaft im Rahmen konkreter negativer Einstellungen zu bestimmten Vorgängen oder Erscheinungen zu spontaner Gleichgesinnung und dementsprechenden Handlungen kommen kann. Für die Erfüllung der zweiten Tatbestandsalternative des § 214 Abs. 2 StGB, die Androhung von Gewalttätigkeiten, kehren Seidel und Lupke dagegen fast wieder zum gemeinsamen Plan zurück, wenn sie eine im voraus vereinbarte Zielstellung fordern. Auch hier bleibt die Frage offen, weshalb die erste Tatbestandsalternative eine anders strukturierte Gruppe voraussetzen soll als die zweite. Aus dem Begriff „Androhen“ läßt sich das wie es Seidel und Lupke versuchen nicht ableiten, weil die Androhung keine Personenmehrheit verlangt. Das ergibt sich im übrigen auch aus Abs. 1 des § 214 StGB, der das Androhen von Tätlichkeiten die als Oberbegriff Gewalttätigkeiten mit einschließen auch durch einen Einzeltäter unter Strafe stellt. (Audi in anderen Tatbeständen ist das Androhen bestimmter Handlungen durch einen Einzeltäter erfaßt - vgl. z.B. §§ 129, 130 StGB). Die dem Gesetz entsprechende Anwendung des § 214 Abs. 2 StGB ist nach alledem nur auf der Grundlage des von uns dargelegten allgemeinen Grundsatzes zur Gruppe möglich. Das gleiche gilt für die Anwendung des § 215 StGB. Seidel und Lupke fordern hier „einen relativ festen Verband mehrerer Personen, der sich mit dem Ziel der Begehung von Gewalttätigkeit, von erheblichen Belästigungen oder der böswilligen Zerstörung von Sachen zusammengeschlossen hat“ (S. 497). Diese Forderung stützen sie nicht nur auf sozialpsychologische Gesichtspunkte, sondern leiten sie fälschlicherweise auch aus dem Gesetz unmittelbar ab, wobei sie einengende Kriterien in den Gesetzeswortlaut hineininterpretieren. § 215 StGB setzt eine Gruppe voraus, die „aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens“ die beschriebenen Handlungen begeht. Dabei muß es sich nicht um eine ständige oder schon lange gehegte negative Einstellung handeln. Uber die Art und Weise der Herausbildung einer Gruppenstruktur oder gar darüber, daß eine solche Struktur sich im Wege zielgerichteten Zusammenschlusses vor der Tatausführung herausgebildet haben muß, sagt das Gesetz nichts: es vermeidet damit bewußt ungerechtfertigte Tatbestandseinschränkungen. Mit dem von Seidel und Lupke aufgeführten Beispiel der zusammengehenden oder zusammenstehenden und Radio hörenden Jugendlichen, „die eine Fensterscheibe zerschlagen“, kann die Richtigkeit der gegenteiligen Ansicht nicht unter Beweis gestellt werden. Dieses Beispiel ist deshalb schlecht gewählt, weil es kaum vorstellbar ist, daß das alleinige Einschlagen einer Fensterscheibe als Ergebnis koordinierten Vorgehens mehrerer Personen betrachtet werden kann und schon aus diesem Grunde ein in einer Gruppe begangenes Rowdydelikt nicht vorliegen wird. Es ist aber durchaus möglich, daß aus der gleichen Gruppe, die durch eine Sendung westlicher Rundfunkstationen zu Gewalthandlungen angeregt wurde, erst ein Teilnehmer beginnt, auf andere Passanten rowdyhaft einzuschlagen, und die anderen ohne besondere Vereinbarung seinem Beispiel folgen, so daß sich innerhalb kürzester Zeit eine koordiniert vorgehende Schlägergruppe bildet. Mit welchem Recht könnte-wohl hier eine Gruppenstraftat nach § 215 StGB verneint werden, nur weil dahingehende Ziele nicht vorher vereinbart waren? Natürlich ist eine evtl, vorangegangene Vereinbarung mit der obengenannten Zielrichtung für die Wahl der Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bedeutung, sie ist aber nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 215 StGB. Wohin darauf gerichtete Bestrebungen führen können, wird aus einer unveröffentlichten Entscheidung des Bezirksgerichts Karl-Marx-Stadt deutlich. Darin wird zum strafrechtlichen Gruppenbegriff u.a. ausgeführt, daß sich die Gruppe von der Mittäterschaft durch die inhaltliche Beziehung der Täter zueinander unterscheide , d. h., daß in ihren gesamten (hervorgehoben von uns D. Verf.) Anschauungen und ihrer Lebensweise eine so weitgehende (!) Übereinstimmung besteht, durch die sich eine enge Kontaktsituation zwischen den Gruppenmitgliedern ergibt. Unter Zugrundelegung dieser Forderungen könnte nur in Fällen sowohl organisatorisch als auch anschauungsmäßig und darüber hinaus noch durch übereinstimmende Lebensweise begründeten Zusammenschlusses von einer Gruppe gesprochen werden. Unter Berücksichtigung der hier dargelegten Auffassung zum Problem der Gruppe ist daher festzustellen, daß der Begriff der Gruppe im 8. Kapitel des StGB in drei verschiedenen Zusammenhängen verwendet wird: 1. Mit dem Begriff der Gruppe werden gleichzeitig wesentliche inhaltliche Kriterien genannt, die von den strafrechtlichen Teilnahmeformen abgrenzen. Das ist bei § 216 Abs. 1 Ziff. 2 StGB der Fall. Dieser Tatbestand, der, obwohl er die Formulierung „von mehreren begangen“ enthält, stellt das wird auch von Seidel/ Lupke anerkannt einen Gruppentatbestand dar2. Er bezieht sich nur auf Täter, die sich zur wiederholten 17;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 178 (NJ DDR 1969, S. 178) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 178 (NJ DDR 1969, S. 178)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit noch vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung weitestgehend ausgeräumt werden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Entscheidungsvorbereitung über die Einleitung von Ermittlungsverfahren und zur Gewährleistung der Rechtssicherheit. Das Strafverfahrensrecht der bestimmt nicht nur die dargestellten Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsvertahrens.

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