Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 130

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 130 (NJ DDR 1969, S. 130); Schreibtischmörder als „verjährt“ betrachtet werden müssen. Die Neufassung des § 50 Abs. 2 StGB wird somit zu einer raffiniert verdeckten Generalamnestie auch für die schwersten Nazi- und Kriegsverbrecher. Und schließlich sind um nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen die Freisprüche für den ehemaligen Beisitzer am faschistischen Volksgerichtshof Rehse durch das Westberliner Schwurgericht und für den mehrfachen SS-Mörder Nerling durch das Lübecker Schwurgericht erschreckende Symptome einer Justiz, die das faschistische System als legales System ansieht und sich folglich mit den blutigen Nazi- und Kriegsverbrechen identifiziert. Das Neue in der völkerrechtswidrigen Haltung des Bonner Staates zu den Nazi- und Kriegsverbrechen besteht also darin, daß dieser Staat von der Bagatellisierung derartiger Verbrechen und der Begünstigung und Rehabilitierung der faschistischen Mörder zur Generalamnestierung der Mörder und zur Identifizierung mit ihnen und mit dem faschistischen Regime selbst übergegangen ist. Für diese neue Linie sind keineswegs wie häufig vorgegeben wird juristische Gründe maßgebend. Das politische Wesen der Linie wird an der Erklärung des Franz-Josef Strauß deutlich, daß durch weitere Verfahren gegen Nazi- und Kriegsverbrecher „der Selbstbehauptungswille des deutschen Volkes in Mitleidenschaft gezogen“ werde. Unter dem „Selbstbehauptungswillen des deutschen Volkes“ aber verstehen die westdeutschen Imperialisten die „Neuordnung“ Europas, die Revision der im Ergebnis des zweiten Weltkrieges entstandenen Staatsgrenzen, die Annexion Westberlins und der Deutschen Demokratischen Republik. Die Generalstaatsanwälte sozialistischer Länder haben in ihrer Berliner Beratung betont, daß dieses strategische Ziel Westdeutschlands zwar in bezug auf seine Verwirklichung utopisch ist, aber in bezug auf seine Inangriffnahme äußerst gefährlich für die europäische Sicherheit sein kann. Das Bonner Streben nach der Verfügungsgewalt über Kernwaffen und die hartnäckige Weigerung, den Kernwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, die systematische Eskalation einer auf die Änderung des territorialen Status quo gerichteten aggressiven Politik, die Förderung der neonazistischen NP einerseits und die drakonischen Maßnahmen gegen die außerparlamentarische Opposition andererseits (z. B. durch die Notstandsgesetzgebung und die geplante Einführung der sog. Vorbeugehaft nach faschistischem Muster) das alles charakterisiert die Gefährlichkeit der Bonner Politik. In der Beratung der Generalstaatsanwälte wurde deshalb zum Ausdruck gebracht, daß es eine vorrangige Aufgabe der sozialistischen Staaten ist, diese ebenso verhängnisvolle wie verbrecherische Politik zu durchkreuzen. Auf Grund der Erfahrungen der Geschichte und gemäß den internationalen Abkommen nach dem zweiten Weltkrieg haben die Völker der ganzen Welt das Recht, die konsequente Verteidigung und Entwicklung der Demokratie in der westdeutschen Bundesrepublik zu fordern. Die Rechtspflegeorgane der sozialistischen Staaten können dazu einen nützlichen Beitrag leisten, indem sie die faschistischen Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit, diese alten und neuen Exponenten der reaktionären, aggressiven und verbrecherischen Politik des deutschen Imperialismus, vor der Weltöffentlichkeit entlarven und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit diese Verbrecher ihrer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Während auf dem Territorium der DDR seit 1945 bis zum Ende des Jahres 1968 insgesamt 12 819 Nazi- und Kriegsverbrecher für ihre Verbrechen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden, haben die westdeutschen Gerichte obwohl der weitaus größte Teil der Kriegs- und Naziverbrecher nach 1945 in die westlichen Besatzungszonen geflüchtet war bis zum März 1965 nur insgesamt 5 234 Personen rechtskräftig verurteilt, wobei die Strafmaße meist in keinem Verhältnis zur Straftat standen. Diese Zahl ist die letzte offizielle Veröffentlichung des Bundesjustizministeriums. Seit dem Frühjahr 1965 sind nach den oben erwähnten Darlegungen des Leiters der Ludwigsburger Zentralstelle keine Anklagen mehr erhoben worden. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht die Erklärung der Regierung der Volksrepublik Polen an die XXIII. UN-Vollversammlung, in der nachgewiesen wird, daß in Westdeutschland in den letzten zehn Jahren lediglich 315 Personen wegen Nazi- und Kriegsverbrechen verurteilt worden sind. Unter diesen 315 Personen befindet sich nicht ein einziger derjenigen Richter oder Staatsanwälte, die am faschistischen Volksgerichtshof oder an den Sondergerichten Hitlers Todesurteile ausgesprochen oder beantragt haben; nicht einer der für die mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen der KZ-Häftlinge, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in den Kriegsverbrecherkonzernen Verantwortlichen; nicht einer der Henker des sog. Reichssicherheitshauptamtes; nicht einer der Nazi-Gauleiter oder schwerbelasteten Hitlergenerale. Die Forderung der Weltöffentlichkeit nach konsequenter Verfolgung und gerechter Bestrafung der in Westdeutschland lebenden Kriegs- und Naziverbrecher wird von den Rechtspflegeorganen der sozialistischen Länder u. a. durch folgende Maßnahmen unterstützt werden: 1. Die Analyse der Naziverbrechen, ihrer Ursachen, Planer und Täter wird erweitert und vertieft werden, um Zweckfälschungen der westdeutschen Propaganda sofort begegnen zu können. 2. Es werden Dokumente und andere Materialien über das ganze Ausmaß der in Westdeutschland wieder amtierenden Nazi- und Kriegsverbrecher, Analysen über Prozesse gegen Nazi- und Kriegsverbrecher vor westdeutschen Gerichten sowie Informationen über die vorzeitige Entlassung solcher Verbrecher aus der Strafhaft veröffentlicht werden. Von besonderer Bedeutung sind Veröffentlichungen über diejenigen Naziverbrecher, die als sog. Schreibtischtäter Initiatoren und Organisatoren von Massenmorden waren, ohne selbst unmittelbar getötet zu haben. 3. Alle Institutionen, die sich mit der Dokumentation der Zeit des zweiten Weltkrieges beschäftigen, sind zur Zusammenarbeit aufzufordern. Die Ergebnisse der Berliner Beratung der Generalstaatsanwälte sozialistischer Länder möchte ich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Es besteht volle Einmütigkeit darüber, daß die Verfolgung und Bestrafung der Nazi- und Kriegsverbrecher nicht nur eine juristische Frage ist, wenn auch die Nichtverjährbarkeit dieser Verbrechen dabei ein zentrales Problem ist. 2. Mit der Annahme der Konvention über die Nichtverjährbarkeit der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durdi die UNO-Vollversammlung am 26. November 1968 wird der von den 130;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 130 (NJ DDR 1969, S. 130) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 130 (NJ DDR 1969, S. 130)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei ungünstigen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel eine schriftliche Sprechgenehmigung auszuhändigen. Der erste Besuchstermin ist vom Staatsanwalt Gericht über den Leiter der betreffenden Diensteinheit der Linie mit dem Leiter der Abteilung rechtzeitig zu avisieren. ffTi Verteidiger haben weitere Besuche mit Verhafteten grundsätzlich mit dem Leiter der Abteilung in mündlieher oder schriftlicher Form zu vereinbaren. Dem Leiter der zuständigen Abteilung über Neigungen zu Gewalttätigkeiten, Suizidabsichten, Suchtmittelabhängigkeit, gesundheit liehe Aspekte, Mittäter; Übermittlung weiterer Informationen über Verhaftete die unter Ziffer dieser Dienstanweisung genannten Personen aus der Untersuchungsarbeit an den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, dessen Stellvertreter oder in deren Auftrag an den Bereich Disziplinär der Hauptabteilung Kader und Schulung in seiner Zuständigkeit für das Disziplinargeschehen im Ministerium für Staatssicherheit sowie zur Durchsetzung der Rechtsnormen des Untersuchungshaftvollzuges und der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane auf dem Gebiet des Unter-suchungshaftvollzuges und zur Kontrolle der Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit in unserer gesamten Arbeit zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für unser offensives Vorgehen im Kampf gegen den Feind.

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