Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 125

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 125 (NJ DDR 1969, S. 125); strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten nicht zu beweisen war. Da die Zweitgutachter mit der Bejahung der Glaubwürdigkeit des Kindes in einem Falle die Frage nach der Zeugnisfähigkeit zugleich in bejahendem Sinne beantwortet haben, lagen mithin in dieser Beziehung zwei sich widersprechende Gutachten vor. Im Interesse der Wahrheitserforschung ist es in derartigen Fällen grundsätzlich notwendig, in der Hauptverhandlung zu versuchen, durch eine eingehende Erörterung des Sachverhalts mit den Sachverständigen und durch deren Befragen zu ihren abweichenden Ansichten eine Klärung der Widersprüche herbeizuführen. In diesem Zusammenhang kann es beispielsweise bei sexuellem Mißbrauch von Kindern ungeachtet einer im allgemeinen gebotenen Rücksichtnahme erforderlich werden, im Interesse der Wahrheitserforschung und der Wahrung der Rechte des Angeklagten auf Verteidigung das Kind unmittelbar in der Beweisaufnahme zu hören. Kann dennoch eine Klärung zwischen den Gutachtern nicht herbeigeführt werden und vermag auch das Gericht keinen eigenen Standpunkt zu gewinnen, dann ist entweder ein weiteres Gutachten einzuholen oder zugunsten des Angeklagten zu entscheiden. Hingegen ist es unzulässig, wenn sich das Gericht einem von mehreren schriftlichen Gutachten, ohne eigene Feststellungen in einer Tatsachenfrage zu treffen, anschließt. Das überschreitet die Grenzen der Beweiswürdigung. Das Stadtgericht hätte daher bereits aus diesem Grunde dem Stadtbezirksgericht nicht die Weisung geben dürfen, auf der Grundlage des Zweitgutachtens und der anderen Beweismittel die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten in einem Falle zu bejahen; dies um so weniger, als einer der Zweitgutachter in der Hauptverhandlung vor dem Stadtbezirksgericht auf Befragen der Verteidigung erklärt hatte, daß „die Absolutheit dieser Sache jeden Sachverständigen überfordere“. Aber selbst wenn die Erstgutachterin auf Grund einer erneuten Beweisaufnahme ihre Auffassung geändert und einen sexuellen Mißbrauch des Kindes durch den Angeklagten in einem Falle eindeutig bejaht hätte, hätte eine Weisung zur Verurteilung des Angeklagten nicht ergehen dürfen. Dies wäre auch angesichts der Tatsache, daß sich die Zweitgutachter in ihrem schriftlichen und mündlichen Gutachten mit der Frage, ob den Angaben des Kindes ein Racheakt der Mutter oder eigenes Erleben zugrunde liegt, ausführlich auseinandergesetzt haben, nicht gerechtfertigt gewesen. Abgesehen davon, daß diese für die Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten bedeutsame Frage letztlich vom Gericht zu beantworten war, haben beide Gutachten, und zwar sowohl die schriftlichen als auch die mündlichen, übereinstimmend eine Beeinflussung des Kindes durch seine Mutter bejaht. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß das Kind bei seiner ersten Befragung vor der Volkspolizei u. a. zum Ausdruck brachte, es wolle doch der Mutti helfen. Aus dieser Äußerung wird die Beeinflussung des Kindes zugunsten seiner Mutter deutlich sichtbar. Das Stadtbezirksgericht hat jedoch noch eine Reihe weiterer von ihm festgestellter und von den Zweitgutachtern nicht ausdrücklich gewürdigter Tatsachen in seine Beweiswürdigung einbezogen, die zutreffend dazu geführt haben, seine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Kindes, bedingt durch die Beeinflussung seiner Mutter, zu verdichten. So hat das Stadtbezirksgericht richtig festgestellt, daß die Zeugin S., hervorgerufen durch die eheliche Untreue des Angeklagten, eine starke Aversion gegen ihren nunmehr geschiedenen Ehemann hatte. Obwohl sie nach ihren Bekundungen bereits seit dem 7. April 1966 Kenntnis von dem sexuellen Mißbrauch ihres Kindes gehabt haben will, hat sie erst im Februar 1967 gegen den Angeklagten Strafanzeige erstattet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als sich wegen seiner Beziehungen zu der anderen Frau die ehelichen Verhältnisse zugespitzt hatten. Auf Grund einer vorübergehenden Aussöhnung mit dem Angeklagten hat sie diese Strafanzeige mit der Begründung zurückgenommen, ihre Angaben entsprächen nicht der Wahrheit. Nachdem der Angeklagte dann Anfang März 1967 die eheliche Gemeinschaft aufgehoben hatte, hat sie erneut Strafanzeige erstattet. Als er auf Grund des Erstgutachtens aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, hat sie ihm zwei Tage nach sei-] ner Entlassung anläßlich eines Streites wegen des gemeinsamen Kraftfahrzeugs angekündigt, es werde ihr schon etwas einfallen, um seine erneute Inhaftierung zu bewirken. Bereits am darauffolgenden Tag will sie dann von ihrem 11jährigen Sohn erfahren haben, daß der Angeklagte im Jahre 1966 auch die zehnjährige Freundin ihrer Tochter sexuell mißbraucht hätte, wovon sie den Eltern dieses Kindes Mitteilung machte. Die von diesen erstattete Strafanzeige führte zum Erlaß eines neuen Haftbefehls, den das Stadtbezirksgericht jedoch alsbald wieder aufhob, weil sich die Beschuldigungen als haltlos erwiesen hatten. Nach den Bekundungen des früheren Ehemannes der Zeugin in der Hauptverhandlung vor dem Stadtbezirksgericht hat die Zeugin während ihrer ersten Ehe einen Selbstmordversuch unternommen. Auf einem von ihr geschriebenen Zettel bezichtigte sie ihren damaligen Ehemann, die Gashähne aufgedreht zu haben, obwohl sich dieser nicht in der ehelichen Wohnung befand. Zwar steht dieser Vorfall mit dem dem Angeklagten gemachten Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in keinem Zusammenhang. Dennoch läßt er erkennen,- daß die Zeugin in ihren Mitteln zur Erreichung bestimmter Ziele nicht wählerisch ist. Das ergeben auch weitere haltlose Beschuldigungen der Zeugin gegen den Angeklagten wegen unbefugten Waffenbesitzes, Meineides, Führens falscher Ausweise u. a. Wenn daher das Stadtbezirksgericht in seiner ersten Entscheidung alle von ihm festgestellten Tatsachen auch angesichts des die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs des Kindes in einem Falle bejahenden Zweitgutachtens in der Weise würdigte, daß es die Anklage als nicht begründet ansah, zumal das Kind gegenüber den Gutachtern eine Vielzahl unzüchtiger Handlungen angegeben hatte, so ist diese Beweiswürdigung zutreffend erfolgt. Sie beruht auf einer umfassenden Erörterung des festgestellten Sachverhalts, der unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände keine Grundlage für eine Verurteilung bietet. Das Stadtgericht hätte daher seine Entscheidung über den Protest gegen das freisprechende Urteil des Stadtbezirksgerichts und die Weisung zur Verurteilung des Angeklagten nicht vorrangig auf das Zweitgutachten stützen dürfen. Selbst wenn die Zweitgutachter zu dem Ergebnis gelangt sind, daß die Aussagen des Kindes zumindest hinsichtlich eines Falles auf eigenem Erleben beruhen müssen, so kann doch angesichts der gegen das Vorliegen einer Straftat sprechenden Umstände, insbesondere des Bestreitens des Angeklagten, des vorstehend geschilderten, auf einen Racheakt der Zeugin S. hinweisenden Verhaltens und der festgestellten Beeinflussung des Kindes durch seine Mutter nicht davon ausgegangen werden, daß die persönliche Schuld und Verantwortung des Angeklagten unzweifelhaft bewiesen und festgestellt ist. 125;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 125 (NJ DDR 1969, S. 125) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 125 (NJ DDR 1969, S. 125)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

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