Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 107

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 107 (NJ DDR 1969, S. 107); im Wege der Auslegung des geltenden Gesetzes eine diesem Anliegen entsprechende Lösung zu finden5 6* scheiterten am klaren Wortlaut des Gesetzes. Nunmehr hat das Plenum des Obersten Gerichts mit der Richtlinie Nr. 23 zur Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft vom 22. März 1967 (GBl. II S. 177; NJ 1967 S. 237) begonnen, die Schranken zu beseitigen, die der streng reformatorisch durchgebildete Prozeß der vollen Durchsetzung sozialistischer Leitungsprinzipien setzt (vgl. Ziff. 22 und 23). Das selbstentscheidende und das aufhebende und zurückverweisende Urteil Die Qualität der Leitungstätigkeit des Zivilsenats im künftigen Zivilprozeß ist u. a. davon abhängig, wie der Senat von dem Ermessensspielraum, der ihm für die Frage „Selbstentscheidung“ oder „Aufhebung und Zurückverweisung“ zur Verfügung steht, Gebrauch macht. Er darf sich einerseits nicht durch Übernahme zahlreicher Sachen in eigene Regie von seinen Leitungsaufgaben abdrängen lassen; andererseits soll er aber auch kein Verfahren übersehen, welches besser von ihm selbst abgeschlossen wird. Deshalb ist folgendes zu beachten: 1. Der Zivilsenat muß sich bei der Ansetzung des Termins darüber Klarheit verschaffen, ob eine Selbstentscheidung oder Zurückverweisung zu erwarten ist. Das ist keine Vorwegnahme der Entscheidung, sondern die Festlegung der Verfahrenskonzeption, von der Inhalt und Umfang der vorbereitenden Maßnahmen abhän-gen. Diese Aufgabe obliegt dem Vorsitzenden im Rahmen seiner Prozeßleitungsbefugnisse. In Zweifelsfällen, die jedoch Ausnahmen bleiben werden5, wird er dazu die kollektive Meinung des Senats einholen. 2. Bei der Klärung dieser Vorfrage muß der Zivilsenat stets beachten, daß seine Rechtsprechung nicht in erster Linie der Qualifizierung der Zivilkammer, sondern der Sicherung der Rechte der Prozeßparteien im konkreten Verfahren dient. Die Parteien können erwarten, daß das Gericht ohne Verzögerung den Sachverhalt aufklärt und alsbald eine Entscheidung trifft. Die beiden eng miteinander verknüpften Komponenten des Rechtsmittelurteils die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes im Verhältnis der Prozeßbeteiligten zueinander und die Anleitung der Rechtsprechung der Zivilkammer können deshalb nicht als gleichrangig behandelt werden. Selbst dann, wenn sich herausstellt, daß eine Einflußnahme auf die Zivilkammer dringend geboten ist und dazu ein die Sache zurückverweisendes Urteil zweckmäßig wäre, ist dieser Weg verschlossen, wenn der Sachverhalt dine Selbstentscheidung des Senats zuläßt. Die Anwendung einer Leitungsmaßnahme in Form des zurückverweisenden Urteils muß immer dann unterbleiben, wenn dadurch die Entscheidung über den Konflikt der Parteien verzögert würde. Damit wird dem Senat nicht etwa zugemutet, auf Kritik und Anleitung zu verzichten; es wird ihm vielmehr nur eine im Interesse der Prozeßbeteiligten notwen- 5 Vgl. z. B. Niethammer, „Aufhebung und Zurückverweisung im Berufungsverfahren des Zivilprozesses“, NJ 1957 S. 146; Rohde, „Die Aufgaben der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bezirksgerichts II. Instanz“, in: Probleme des sozialistischen ZivUrechts, Berlin 1963, S. 303 ft. (insbesondere S. 32lfif.). Zur Problematik des § 538 ZPO vgl. ferner OLG Dresden (NJ 1950 S. 21) mit Anmerkung von Nathan; OG (NJ 1951 S. 227); OG (NJ 1953 S. 146) mit Anmerkung von Cohn; BG Leipzig (NJ 1953 S. 571) mit Anmerkung von Nathan; BG Rostode (NJ 1954 S. 735); Stadtarbeitsgericht von Groß-Berlin (NJ 1956 S. 94) mit Anmerkung von Nathan und Rothschild: OG (NJ 1961 S. 508); BG Neubrandenburg (NJ 1964 S. 631) mit Anmerkung von Beyer; Das Zivilprozeßrecht der DDR, Bd. II, Berlin 1958, S. 210. 6 Damit soll keinesfalls das Kollektiv unterschätzt werden. Dieses kann aber seinen Aufgaben nur dann gerecht werden, wenn es seine Kraft auf die Lösung der Hauptfragen konzentriert. Dazu kann in der Regel diese Aufgabe des Vorsitzenden nicht gerechnet werden. dige Einschränkung in der Auswahl seiner Maßnahmen auferlegt. Eine Einflußnahme auf die Zivilkammer außerhalb des Verfahrens ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn der Senat nach eigener Verhandlung das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die Richter dec Zivilkammer neigen in diesen Fällen leicht dazu, ihre eigene Verfahrensweise für richtig zu halten, obwohl sie u. U. nicht oder nur wenig zur sachgerechten Lösung des Konflikts beigetragen haben. 3. Das Interesse an der Beschleunigung des Verfahrens kann andererseits nicht so weit gehen, daß vom Zivilsenat verlangt wird, jedes kritikwürdige Verfahren möglichst selbst zu „reparieren“. Dadurch würden sozialistische Leitungsprinzipien verwässert. Es ist keineswegs erstrebenswert, der Zivilkammer, die ihren Aufgaben nicht gerecht wird, immer wieder vorzuführen, wie es besser zu machen ist. Das kann dazu führen, daß der Senat die, von der Zivilkammer zu leistende Arbeit schließlich selbst erledigt. Durch eine solche Arbeitsweise kann er seine anderen Aufgaben nicht wahrnehmen. Der Zivilsenat wird deshalb, die Neuverhandlung anordnen, wenn a) vom Standpunkt des Einblicks in die Zusammen- ■ hänge des Konflikts, in seine Bedeutung, Ursachen und Folgen und hinsichtlich der realen Voraussetzungen, sich diesen Einblick zu verschaffen, bei der Zivilkammer die besseren Bedingungen für ein gesellschaftlich wirksames Ergebnis gegeben sind; b) die fehlende Sachaufklärung nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Mitteln vom Zivilsenat ergänzt werden kann und vom Standpunkt der Zeugen, gesellschaftlichen Kräfte u. a., die zu dieser Beweisaufnahme zu laden wären, wesentliche Gesichtspunkte gegen eine Verhandlung vor dem Zivilsenat sprechen; c) bei der Zivilkammer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine größere erzieherische Wirkung erreicht werden kann, weil z. B. viele Zuhörer erscheinen werden. Eine evtl, in Aussicht stehende größere Zuhörerzahl ist selbstverständlich für sich allein kein ausschlaggebender Fakt. Es muß außerdem eine positive Ausstrahlung der Verhandlung zu erwarten sein. Im übrigen ist der „erzieherischen Einwirkung“ bei der Prüfung der Frage, ob zurückverwiesen werden soll oder nicht, keine selbständige Rolle einzuräumen. Die genannten Bedingungen können auch erst während des Rechtsmittelverfahrens eintreten, so z. B., wenn eine umfassendere Beweisaufnahme notwendig wird, als zunächst angenommen worden ist. Der Zivilsenat steht dann vor der Frage, das einmal begonnene Verfahren selbst fortzusetzen oder seine Konzeption zu ändern. In diesen Fällen gewinnt der Grundsatz der Prozeßökonomie gegenüber anderen Faktoren erheblich an Gewicht. / Zur Entschcidungsreife Der Zivilsenat muß stets darauf hinwirken, daß das Zivilverfahren zu dem Zeitpunkt, in dem es zur Entscheidung reif ist, auch entschieden wird. Das ist besonders durch das eigene Beispiel zu demonstrieren. Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der Praxis darüber, was unter Entscheidungsreife zu verstehen ist: Eine Sache ist zur Entscheidung reif, wenn sich das Gericht auf Grund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme hinsichtlich aller streitigen, für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Tatsachen die Überzeugung von ihrer Wahrheit oder Unwahrheit verschafft hat (§286 ZPO). Den Gerichten fällt es aber nicht immer leicht, die richtigen Beziehungen zwischen der auf Grund der Sachverhaltsfest- 107;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit von Angehörigen Staatssicherheit , der Anklagevertretung, des Gerichts, der Zeugen und anderer Personen sicherzustellen und die Durchführung von Amtshandlungen in den Gerichtsverhandlungen zu ermöglichen.

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