Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 101

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 101 (NJ DDR 1969, S. 101); IMT-Statuts bedeutet die Anerkennung der Tatsache, daß die Verfolgung und Bestrafung dieser Verbrechen nicht etwa nur eine innere Angelegenheit der Bundesrepublik ist, sondern eine der Bundesrepublik obliegende völkerrechtliche Pflicht. Die normenmäßige Verpflichtung dazu ist übrigens nicht nur durch das bestehende materielle Völkerstrafrecht gegeben. Sie ergibt sich auch aus den Geboten, die das geltende Völkerrecht nach der Zerschlagung des Naziregimes speziell der deutschen Justiz auferlegt hat. Unbestreitbar ist das Potsdamer Abkommen die verbindliche völkerrechtliche Grundlage für jede deutsche selbständige . Staatlichkeit nach der Zerschlagung Hitlerdeutschlands. Die in diesem Abkommen enthaltenen Grundsätze und Verpflichtungen sind völkerrechtliche Gebote, die für jede deutsche Staatsgewalt verbindlich sind. Die Erfüllung dieser Gebote muß demzufolge heute als Kriterium für die völkerrechtliche Legalität jeder deutschen Staatsgewalt angesehen werden! Im Abschnitt III A 5 dieses Abkommens ist ausdrücklich festgelegt, daß „Kriegsverbrecher und alle diejenigen, die an der Planung oder Verwirklichung nazistischer Maßnahmen, die Greuel oder Kriegsverbrechen nach sich zogen oder als Ergebnis hatten, teilgenommen haben, zu verhaften und dem Gericht zu übergeben (sind)“. Damit ist statuiert worden, daß die keiner Verjährung oder sonstigen sachlichen oder zeitlichen Einschränkungen unterliegende Verfolgung und Aburteilung nazistischer Systemverbrecher als eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Überwindung des Nazismus ein wesentlicher und notwendiger Bestandteil der Ausübung jeder völkerrechtlich legitimen deutschen Staatsgewalt ist. Diese völkerrechtliche Verpflichtung zur Verfolgung und Aburteilung der nazistischen Systemverbrecher konnte nur erfolgen, weil es sich bei den fraglichen Untaten um Verbrechen .gegen das Völkerrecht handelt. Sie bestätigt somit die rechtliche Notwendigkeit der Anwendung völkerstrafrechtlicher Normen. Zweitens ist die Anwendung des Völkerstrafrechts geboten, weil die Tatbestände der völkerstrafrechtlichen Normen den wirklichen, in der Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalt widerspiegeln. Diese Tatbestände berücksichtigen, daß sich die nazistischen Systemverbrechen in wesentlichen Momenten von allen konventionell-kriminellen Delikten unterscheiden. Sie erfassen und kennzeichnen das für diese Delikte Wesentliche des verbrecherischen Gesamtgeschehens, während der Tatbestand des § 211 StGB eben weil er nur auf konventionell-kriminelle Morde zugeschnitten ist dieses verbrecherische Gesamtgeschehen gar nicht zu erfassen vermag. Wollte man §211 StGB anwenden, so würde das verbrecherische Gesamtgeschehen gleichsam atomisiert und dadurch objektiv bagatellisiert. Die Anwendung der völkerstrafrechtlichen Tatbestände ermöglicht es somit den Gerichten, sich bei der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten auf das Wesentliche ihrer Verbrechen zu konzentrieren, d. h., insbesondere davon auszugehen, daß die „Endlösung der Judenfrage“ eine nach einem einheitlichen Plan arbeitsteilig begangene Massenvernichtung von Menschen darstellt, an der die einzelnen Täter mit unterschiedlichen Tatbeiträgen mitgewirkt haben. Drittens gestattet die Anwendung des Völkerstrafrechts eine dem Umfang der Tat und dem Grad der Täterschuld angemessene Differenzierung im Strafausspruch, ohne daß es hierzu einer den wirklichen Sachverhalt fast ausnahmslos verfälschenden Beihilfe-Konstruktion bedarf. Bei Anwendung des Völkerstrafrechts ist nämlich in Ermangelung spezieller völkerrechtlicher Strafdrohungen die zu erkennende Strafe den nationalen Strafrechtsnormen, also den §§ 1 und 14 des westdeutschen StGB zu entnehmen. Diesen Überlegungen wird in der Deutschen Demokratischen Republik seit langem Rechnung getragen. In seiner Rechtsprechung wertet das Oberste Gericht der DDR die nazistischen Systemverbrechen als völkerrechtliche Verbrechen gemäß Art. 6 des IMT-Statuts. Dementsprechend wurde beispielsweise einer der unmittelbaren Tatkomplizen der Angeklagten dieses Verfahrens, der SS-Arzt Dr. Fischer, wegen seiner Mitwirkung an der Vernichtung jüdischer Menschen aus sog. RSHA-Transporten und wegen anderer Morde im KZ Auschwitz als Verbrecher gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 6 Buchst, c des IMT-Statuts verurteilt'1. Zur Problematik der Täterschaft und Teilnahme Bei Anwendung der völkerstrafrechtlichen Bestimmungen kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß die Angeklagten als Täter und nicht etwa nur als Gehilfen zu bestrafen sind, denn Täter dieser völkerrechtlichen Verbrechen ist jeder, der schuldhaft an der Verwirklichung ihrer Tatbestände mitgewirkt hat. Das haben die Angeklagten getan. Aber selbst dann, wenn man unrichtigerweise die Verbrechen der Angeklagten nicht als völkerrechtliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern nur als Mord im Sinne des innerstaatlichen Strafrechts der Bundesrepublik (§ 211 StGB) bezeichnet, beruht das Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Frankfurt am Main auch insoweit auf einer Gesetzesverletzung, als es die festgestellten Tatbeiträge lediglich als Beihilfe im Sinne des § 49 StGB wertet. Bei richtiger Gesetzesanwendung müssen die Angeklagten gemäß § 47 StGB als Mittäter bestraft Werden. (Zur Begründung, dieser Auffassung führen die Verfasser die in der Bundesrepublik als repräsentativ geltende, allgemein anerkannte Rechtslehre und höchst-richterliche Rechtsprechung an und kommen zu folgendem Ergebnis:) Eine der wesentlichen Besonderheiten nazistischer Systemverbrechen gegenüber den konventionellen kriminellen Delikten besteht darin, daß sie nur durch das arbeitsteilige Zusammenwirken einer Vielzahl von Befehlsgebem und Befehlsempfängern durchgefühlt werden konnte. Alle noch lebenden Mitwirkenden an der „Endlösung der Judenfrage“ handelten um in der Sprache des Schwurgerichts zu reden „auf Befehl“ irgendeines Vorgesetzten. Die Befolgung solcher „Befehle“ bedeutete für jeden Betroffenen klar erkennbar die Mitwirkung am Massenmord. Wer bei diesen Massen verbrechen in Kenntnis der Tatumständo und Zusammenhänge den ihm gegebenen Befehlen widerstandslos folgte, wer präziser gesagt nicht alle ihm konkret gegebenen Möglichkeiten zumindest auszunutzen versuchte, um sich diesen verbrecherischen Befehlen zu entziehen oder ihre Verwirklichung zu verhindern, der hatte die verbrecherischen Ziele des Naziregimes zur Grundlage eigener Überzeugung und eigenen Handelns gemacht, der handelte als Täter. Selbst dann, wenn der Tatbeitrag der Angeklagten unrichtigerweise nur als Beihilfe geweitet wird, verlangt dieser Tatbeitrag wegen seines Ausmaßes und seiner Intenstät die gesetzliche Höchststrafe. Wegen der Neufassung des § 50 Abs. 2 des westdeutschen StGB ist von verschiedenen Verteidigern in 4 Vgl. OG, Urteil vom 25. März 1966 - 1 Zst (I) 1/6 - (NJ 1966 S. 193 fl.). 101;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 101 (NJ DDR 1969, S. 101) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 101 (NJ DDR 1969, S. 101)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die erhobene Beschuldigung mitgeteilt worden sein. Die Konsequenz dieser Neufestlegungen in der Beweisrichtlinie ist allerdings, daß für Erklärungen des Verdächtigen, die dieser nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in dieser Alternative an den Staatsanwalt entspricht der Regelung der über die ausschließlich dem Staatsanwalt vorbehaltene Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuch von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Im sozialistischen Strafreoht gilt der Grundsatz des Tatprinzips, ohne keine Straftat. Oie Analyse der Tatbegehung bestirnter Straftaten ist von grundlegender Bedeutung für die Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen ist als eine relativ langfristige Aufgabe zu charakterisieren, die sich in die gesamtstrategische Zielstellung der Partei zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft unmittelbar einordnet. Unter den gegenwärtigen und für den nächsten Zeitraum überschaubaren gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen kann es nur darum gehen, feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen und deren Ursachen und Bedingungen durchzuse tzen ist. Für die Schaffung einer breiten gesellschaftlichen Front zur Zurück-drängung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen sowie deren Ursachen und Bedingungen noch als akute Gefahr wirkt. Hier ist die Wahrnehmung von Befugnissen des Gesetzes grundsätzlich uneingeschränkt möglich. Ein weiterer Aspekt besteht darin, daß es für das Tätigwerden der Diensteinheiten der Linie zu er folgen; Verhafteten ist die Hausordnung außerhalb der Nachtruhe jederzeit zugänglich zu machen. Unterbringung und Verwahrung. Für die Verhafteten ist die zur Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und auch der möglichst vollständigen Unterbindung von Gefahren und Störungen, die von den, Verhafteten ausoehen. Auf diese. eise ist ein hoher Grad der und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt mit Beginn der Unterbringung und Verwahrung auf hohem Niveau gewährleistet werden. Auf die Suizidproblematik wird im Abschnitt näher eingegangen.

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