Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 732

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 732 (NJ DDR 1968, S. 732); Am 19. Februar 1968 setzten gegen 14 Uhr plötzlich die Wehen ein. Die Angeklagte holte sich daraufhin von der Station eine Gummiunterlage und richtete in ihrem Zimmer das Bett entsprechend her. Etwa gegen 18.30 Uhr gebar sie das Kind. An Hand der Bewegungen seines Brustkorbes stellte sie fest, daß es lebte. Da das Kind nicht schrie, sondern völlig ruhig dalag, entschloß sie sich, sich nicht um das Kind zu kümmern, um seinen Tod herbeizuführen. Das tat sie auch. Die psychiatrische Begutachtung der Angeklagten ergab, daß bei ihr keine Anhaltspunkte für einen Schwachsinn bestehen. Sie entspricht in ihrer geistigen Entwicklung der Altersnorm und steht in ihrer sittlichen Entwicklung trotz der aus den dargelegten Umständen eingetretenen Beeinträchtigung nicht unter der einer 14jährigen. Bei ihr sind jedoch die Symptome einer typischen Bindungsschwäche und einer sozialen Kontaktlosigkeit vorhanden. Im Gemüts- und Gefühlsbereich wirkt sie ohne größere Resonanz, teilweise abgestumpft und verflacht, so daß von einer Verprellung des Gemütslebens . gesprochen werden muß. Im gesamten emotionalen Bereich ist sie schwer verwahrlost. Die gleichen Erscheinungsformen finden sich auch hinsichtlich der Haltlosigkeit und Passivität des Willens, wobei ihre relative Ziellosigkeit hauptsächlich auf das fehlende Denktraining und die in dieser Beziehung ungenügende Beeinflussung durch das Elternhaus zurückzuführen ist. Aus dem gleichen Grund ist die Angeklagte auch sozial kaum eingeordnet. Über kumpelhafte Beziehungen sowohl zu weiblichen als auch zu männlichen Personen ist sie nicht hinausgekommen. Die Erziehungsmethoden der Eltern nach der Geburt des ersten Kindes, die über Jahre hinweg angewandt wurden und in der Hauptsache in Vorwürfen und Schlägen bestanden, führten im wesentlichen zu der Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten. Aus den Gründet: Die Angeklagte hat sich des Totschlags schuldig gemacht. Sie hat ihr am 19. Februar 1968 geborenes Kind ohne die erforderliche Versorgung gelassen. Diese Unterlassungshandlung war ursächlich für den Tod des Kindes. Die Angeklagte entschloß sich Anfang Februar 1968, das Kind nicht leben zu lassen, und entschied sich nach der Geburt als sie feststellte, daß das Kind nicht schrie und sie deshalb keine Entdeckung zu befürchten brauchte bewußt zu der Unterlassungshandlung, um dadurch den Tod des Kindes herbeizuführen. Gemäß § 66 StGB liegen die Voraussetzungen für die Schuldfähigkeit der jugendlichen Angeklagten vor, wenn sie auf Grund des Entwicklungsstandes ihrer Persönlichkeit fähig war, sich bei ihrer Entscheidung zur Tat von den hierfür geltenden Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen. Die geistige Entwicklung der Angeklagten entspricht der Altersnorm, und das Niveau ihrer sittlichen Entwicklung liegt obwohl diese mehrfach beeinträchtigt wurde nicht unter dem einer 14jährigen. Zur Tatzeit bestand zwar zwischen ihrer sehr ungünstigen persönlichen Situation und der Tat ein direkter Zusammenhang, jedoch besaß sie auf Grund ihres Entwicklungsstandes die soziale Mindestfähigkeit, um sich in richtiger Form entscheiden und steuern zu können. Sie war in der Lage, zu erkennen, welche Bedeutung das Sterbenlassen des Kindes durch Nichtversorgung besaß. Die Schuldfähigkeit war deshalb zu bejahen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, daß die Voraussetzungen der verminderten strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 16 Abs. 1 StGB, erste Alternative zeitweilige oder dauernde krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder Bewußtseinsstörung nicht gegeben sind. Diese sind jedoch in der zweiten Alter- ' native des § 16 Abs. 1 StGB gegeben. Danach ist eine geminderte strafrechtliche Verantwortlichkeit zu bejahen, wenn eine schwerwiegende abnorme Entwicklung der Persönlichkeit des Täters mit Krankheitswert vorliegt, d. h., die festgestellten Entwicklungsbedingungen des Täters müssen unter so schwerwiegenden Umständen verlaufen sein, daß sie sich zur Tatzeit als ein psychischer Defektzustand im Sinne eines Krankheitswertes niederschlagen. Die Entscheidungsfähigkeit zur Tat muß dadurch in erheblichem Maße beeinträchtigt worden sein. Nach der Geburt ihres ersten Kindes war die Angeklagte durch das Verhalten ihrer Eltern über Jahre hinweg schweren psychischen Belastungen ausgesetzt. Dabei muß beachtet werden, daß die Erziehungsmethoden der Eltern zwar weit über ein pädagogisch vertretbares Ziel hinausgingen, jedoch in der Absicht angewandt wurden, ein weiteres Abgleiten der Angeklagten zu vermeiden und sie zu einem ordentlichen Menschen zu erziehen. Die Eltern der Angeklagten waren sich jedoch nicht bewußt, daß sie durch ihr Verhalten die Bedingungen für die vom Gutachter festgestellte abnorme psychische Entwicklung der Angeklagten schufen. Es ist verständlich, daß sie über die Geburt des ersten Kindes nicht erfreut waren, jedoch wäre es nun ihre Aufgabe gewesen, insbesondere die der Stiefmutter, die den Namen des Kindesvaters kannte, die Angeklagte liebevoll und einsichtig zu lenken und zu leiten. Von der psychischen Belastung, angeblich nicht zu wissen, wer der Vater ihres Kindes sei, befreite sich die Angeklagte etwa zwei Jahre nach der Geburt des Kindes. Dadurch verbesserte sich jedoch nicht die Situation im Elternhaus. Sie erhielt nach wie vor Vorwürfe und Schläge, so daß das Referat Jugendhilfe schließlich die räumliche Trennung vom Elternhaus veranlaßte. Zu diesem Zeitpunkt wußte die Angeklagte bereits, daß sie wieder schwanger war. Im Krankenhaus hatte sie ihre ersten echten Erfolgserlebnisse, die sie u. a. auch veranlaßten, sich in ihrer Freizeit der Betreuung der kranken Kinder zu widmen. Obwohl eine gewisse Vertrauensbasis zur Jugendfürsorgerin Sch. und zu Schwester A. bestand, war diese nicht so ausgeprägt, daß sich die Angeklagte entschließen konnte, ihnen von der erneuten Schwangerschaft Kenntnis zu geben. ' Während sie vor der Aussprache im Krankenhaus Anfang Dezember 1967 nur hin und wieder ihre Eltern und ihr Kind aufsuchte, erfolgte danach der Besuch regelmäßig. Diese Besuche verliefen ohne unliebsame- Vorkommnisse für die Angeklagte, so daß, insgesamt betrachtet, die Anfänge eines Resozialisierungsprozesses vorhanden waren. In dieser für die Angeklagte einerseits günstigen Situation wirkte andererseits die verheimlichte Schwangerschaft besonders niederdrückend. Von dem Vater des Kindes, der sich im Gefängnis befand und zu dem die Angeklagte auch nur für kurze Zeit Beziehungen unterhalten hatte, konnte sie keine Hilfe und Unterstützung erwarten. Sie kannte die Einstellung ihrer Eltern und befürchtete, nach der Geburt eines zweiten Kindes wieder bei ihnen leben zu müssen, d. h. ihre Arbeitsstelle und die ihr zusagende Umgebung aufgeben zu müssen und im Elternhaus den gleichen Mißhelligkeiten wie nach der Geburt des ersten Kindes ausgesetzt zu sein. Aus den angeführten Gründen ist der Senat übereinstimmend mit dem Gutachter zu der Meinung gelangt, daß durch die während der Pubertätszeit der Angeklagten für sie bestehenden schwerwiegenden abnormen Entwicklungsbedingungen im Zusammenhang mit der konkreten Tat betrachtet, der im § 16 Abs. 1 StGB geforderte Krankheitswert erreicht wurde. Mit der Anklageschrift war der Angeklagten eine 7 32;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 732 (NJ DDR 1968, S. 732) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 732 (NJ DDR 1968, S. 732)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-verletzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß der Sachverständige zu optimalen, für die Untersuchungsarbeit brauchbaren Aussagen gelangt, die insofern den Sicherheitserfordernissen und -bedürfnissen der sowie der Realisierung der davon abgeleiteten Aufgabe zur Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung der Aktivitäten des Feindes, der von ihm organisierten und durchgeführten Staatsverbrechen, als auch im Kampf gegen sonstige politisch-operativ bedeutsame Straftaten.

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