Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 71

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 71 (NJ DDR 1968, S. 71); Einschätzung widerspricht auch dem Rechtsbewußtsein der Bevölkerung und der bisherigen Rechtspraxis. Verschiedentlich wurde vorgeschlagen, die Kausalitätsbeziehungen in den Straftatenbegriff mit aufzunehmen und die Begriffe der Gesellschaftswidrigkeit und Ge-sellschaftsgefährlichkeit im einzelnen gesetzlich zu definieren. Diesen Anregungen konnte die StGB-Kommis-sion nicht folgen, da sie die Möglichkeit und Notwendigkeit strafrechtlicher Begriffsbildungen und gesetzlicher Definitionen verkennen. Einige andere Empfehlungen werden in den Erläuterungen des in Vorbereitung befindlichen Kommentars zum StGB berücksichtigt werden. Dazu gehört z. B. der Vorschlag, gesetzlich zu klären, ob bei mehrfacher Gesetzesverletzung als Tatmehrheit (§ 64 Abs. 3 StGB = § 68 Abs. 3 des Entwurfs) die Gesamtheit der Taten, die im einzelnen Vergehen sind, durch die Festsetzung der Strafe als Verbrechen zu charakterisieren ist, wenn die angedrohte Höchststrafe bis zu zwei Jahren um die Hälfte überschritten wird. Nach meiner Auffassung ist diese Frage zu bejahen, weil im Sinne des § 1 Abs. 3 eine Strafe über zwei Jahre ausgesprochen wird und damit ein Verbrechen vorliegt. Einführung von Antragsdelikten Ein sehr wesentliches Diskussionsergebnis ist die Berücksichtigung verschiedener Vorschläge, entsprechend den bisherigen Regelungen bei einigen leichteren Straftaten bzw. solchen, bei denen zwischen Täter und Verletztem bestimmte verwandtschaftliche Beziehungen bestehen, den Strafantrag für die Verfolgung vorzusehen, sofern diese nicht aus öffentlichem Interesse notwendig ist (§ 2 StGB). Unter welchen Umständen ein öffentliches Interesse vorliegen kann, wird in der Praxis der Rechtspflegeorgane herauszuarbeiten sein; man wird es zu bejahen haben, wenn ein Strafantrag aus gesellschaftlich zu mißbilligenden Gründen nicht gestellt oder zurückgenommen wurde. Fahrlässige Körperverletzung, Beschädigung persönlichen und privaten Eigentums, unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen sowie Eigentumsvergehen und vorsätzliche Körperverletzung gegenüber Angehörigen werden also im allgemeinen nur dann verfolgt, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt. Dieser Antrag ist nicht mit der Strafanzeige identisch, es sei denn, aus ihr geht eindeutig das Verlangen auf Strafverfolgung hervor. Im Gegensatz zum früheren Strafrecht ist die Rücknahme des Strafantrags bei allen Antragsdelikten möglich. Sie kann formlos und bis zur Verkündung einer die strafrechtliche Verantwortlichkeit feststellenden Entscheidung erfolgen (§ 2 Abs. 3 StGB). Die Einführung von Antragsdelikten im sozialistischen Strafrecht berücksichtigt die zunehmende Interessenübereinstimmung in der sozialistischen Gesellschaft. Sofern das Vergehen im konkreten Fall keine ernsthafte Schädigung dieser Interessenübereinstimmung erkennen läßt, weil auch beim Verletzten oder Geschädigten keine Notwendigkeit für eine Verfolgung der gegen ihn begangenen Tat besteht, hat auch die sozialistische Gesellschaft kein über den Interessen des Geschädigten stehendes Interesse an der Strafverfolgung. Bekanntlich wurden Vorschläge zur Einführung von Antragsdelikten schon früher unterbreitet1!, jedoch zunächst abgelehnt. Das führte mit dazu, bestimmte geringfügige Rechtsverletzungen nicht mehr als Straftaten, sondern als Verfehlungen zu charakterisieren sowie dem Geschädigten das Recht zur unmittelbaren Antragstellung vor. gesellschaftlichen Rechtspflegeorga- 11 Vgl. M. Benjamin / Schmidt, „Die Verantwortlichkeit für leichte Vergehen“, Staat und Recht 1966, Heft 1, S. 28 fl. (33 fl.). nen einzuräumen (§ 2 Abs. 3 der Verordnung über die Verfolgung von Verfehlungen WO ). Zwr Regelung der Verfehlungen § 4 StGB definiert, daß Verfehlungen „Verletzungen rechtlich geschützter Interessen der Gesellschaft oder der Bürger“ sind12. Die vor allem theoretisch interessante Frage, ob es sich dabei um Strafrechtsverletzungen .oder um Rechtsverletzungen besonderer Art handelt, brauchte vom Gesetz nicht entschieden zu werden13 14. Abgelehnt wurde die Forderung, § 4 StGB (= § 3 des Entwurfs) müsse im einzelnen feststellen, welche Rechtsverletzungen Verfehlungen sind, unc( die möglichen Maßnahmen dagegen nennen. Dadurch wäre zwar eine dem gegenwärtigen Stand und der derzeitigen Erkenntnis entsprechende, aber doch abschließende Regelung getroffen worden, die es unmöglich machen würde, die weitere Entwicklung zu berücksichtigen. Es fällt auf, daß geringfügige Sachbeschädigung (§ 183 StGB) im Gegensatz zu anderen Eigentumsdelikten wie Diebstahl und Betrug (§ 179 StGB) keine Verfehlung, sondern eine Straftat, wenn auch eine auf Antrag zu verfolgende ist (§ 2 Abs. 1 StGB). Verfahren wegen Sachbeschädigung spielen schon jetzt in der strafrechtlichen Verfolgung kaum eine Rolle, und für derartige ordnungsstörende Zuwiderhandlungen in der Öffentlichkeit wird außerdem ein Ordnungswidrigkeitstatbestand vorgesehen11. Auch Körperverletzungen (§§ 115, 118 StGB) wurden nicht zu Verfehlungen erklärt, weil hierbei im Gegensatz zu Eigentumsverletzungen außerstrafrechtliche Möglichkeiten z. B. Maßnahmen der disziplinarischen oder materiellen Verantwortlichkeit nach dem Arbeits- oder LPG-Recht nicht gegeben sind15. In der Verordnung über die Verfolgung von Verfehlungen (WO), die als 1. Durchführungs-VO zum Einführungsgesetz des StGB erlassen werden soll, wurden folgende wesentlichen Änderungen vorgenommen: In § 1 Abs. 3 WO wurde neu geregelt, daß Verfehlun-den in sechs Monaten verjähren. Das ist im Verhältnis zu § 82 StGB eine ausdrückliche Sonderregelung. Im 12 Damit dürfte auch die von Müller l Wunsch („Zur Regelung der Verfehlungen“, NJ 1967 S. 309) aufgeworfene Frage beantwortet sein, warum es sich bei Verfehlungen nicht um bloße Ordnungswidrigkeiten handelt. 13 Vgl. hierzu Mettin / Müller / Prestel, „Diskussion zum neuen Straf- und Strafverfahrensrecht Teil der Aussprache zum VII. Parteitag der SED“, NJ 1967 S. 192. Müller / Wunsch (a. a. O., S. 308/309) betonen, daß es sich bei den Verfehlungen um Rechtsverletzungen eigener Art und nicht um Strafrechtsverletzungen handele. Schmidt / Weber (a. a. O., S. 114) hatten zwar hervorgehoben, daß Verfehlungen keine Straftaten sind, sondern Rechtsverletzungen eigener Art, jedoch noch nicht die Unterscheidung zwischen Straftaten, und Strafrechtsverletzungen getroffen. 14 Vgl. M. Benjamin / Schmidt, a. a. O., S. 32 Anm. 10. Der vorgeschlagene Tatbestand der „Störung des sozialistischen Zusammenlebens“ in § 5 der VO über Ordnungswidrigkeiten lautet: „Wer vorsätzlich das sozialistische Zusammenleben der Bürger in der Öffentlichkeit stört, indem er auf Straßen, Wegen oder Plätzen, in öffentlichen Anlagen, Gebäuden, Einrichtungen oder Verkehrsmitteln ruhestörenden Lärm verursacht oder Bürger anderweitig ungebührlich belästigt, der Bevölkerung dienende oder öffentlich zugängliche Gegenstände geringfügig beschädigt, beschmiert oder verunstaltet, solche geringwertigen Gegenstände zerstört oder unbrauchbar macht oder ähnliche die öffentliche Ordnung störende Handlungen begeht, kann mit Verweis oder Ordnungsstrafe bis 300 Mark durch die Leiter der Dienststellen der Deutschen Volkspolizei bestraft werden.“ 15 Allerdings gab es auch Vorschläge, für leichte Körperverletzungen einen Verfehlungstatbestand vorzusehen. So haben Hiltrud und Horst Kamin (Persönlichkeit und Schuld Jugendlicher, die wegen Körperverletzungsdelikten gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurden, Dissertation, Berlin 1966, S. 223) erstmalig für leichte Körperverletzungen -einen Verfehlungstatbestand vorgeschlagen, bei dessen Verletzung vor gesellschaftlichen Organen der Rechtspflege' bzw. beim Absehen von Strafverfolgung vor den Organen der Jugendhilfe beraten werden sollte. Der Vorschlag lautet: „Wer vorsätzlich einen anderen Menschen spürbare ’ Schläge zufügt, ohne daß außer der unmittelbar hervorgerufenen Schmerzempflndung gesundheitsschädigende Folgen eintreten “ 71;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stellender Personen gernäfpmeiner Richtlinie ; Dadurch erreichen:. Erarbeiten operativ bedeutsamer Informationen und Beweise zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen sowie zur allseitigen latbestandsbezogenen Aufklärung der Täterpersönlichkeit mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetz liehen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die operativen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren zu übernehmen. In den Mittelpunkt der Weiterentwicklung der durch Kameradschaftlichkeit, hohe Eigenverantwortung und unbedingte Achtung der Arbeit anderer gekennzeichneten Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten felgende Hauptaufgaben im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren entsprechend den gewachsenen Anforcerungen der Dahre zu lösen, wofür die ständige Gewährleistung von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Realisierung von Maßnahmen der inoffiziellen und offiziellen Beweisführung sowie bei der Beweis Würdigung; der komplexe, aufeinander abgestimmte Einsatz der tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden zur Unterdrückung, Überwachung und Kontrolle der revolutionären Arbeiterbewegung und anderer antiimperialistischer und demokratischer und oppositioneller Kräfte in den imperialistischen Staaten.

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