Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 628

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 628 (NJ DDR 1968, S. 628); jenige bestraft wird, der ein seiner Überzeugung nach illegales Staatsgeheimnis der Öffentlichkeit kundtut, das im Endergebnis von den Dienststellen des Bonner Staates nicht als illegal anerkannt wird. Die Veränderungen in diesem Abschnitt gewährleisten somit insgesamt keinesfalls die freie Ausübung der verfassungsmäßig zugesicherten Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. Aufrechterhaltung des Gesinnungsstrafrechts ~ Der Bundestagsabgeordnete Güde versuchte in der Bundestagsdebatte am 29. Mai 1968 die Bedenken der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (PDP), die von einer Subjektivierung der Tatbestände gesprochen hatte, mit den Behauptungen zu zerstreuen, daß solche Formulierungen wie „die Absicht “ oder „der Vorsatz, sich wissentlich für einzusetzen“ dazu dienen sollten, „die Strafbarkeitsschwelle zu heben“* 16. Nun hatte der heutige Justizminister Dr. Heinemann bereits im Jahre 1959 erklärt, daß gerade durch das Merkmal der sog. verfassungsfeindlichen Absicht wertneutrale Handlungen als unrechtmäßige Handlungen qualifiziert würden17. Bekanntlich wurde die „Absicht“ immer aus der politischen Gesinnung des Beschuldigten abgeleitet. Das wurde durch die vom Antikommunismus geprägte Schuldkonzeption ermöglicht, die der Spruchpraxis der politischen Sondergerichte seit Anbeginn zugrunde gelegt war.18. Die Gesinnungsjustiz wird in Zukunft noch dadurch erleichtert werden, daß das bisher geltende Legalitätsprinzip durch das Opportunitätsprinzip ersetzt wurde. Einführung des Opportunitätsprinzips zur Erleichterung der Justizwillkür Das 8. StÄG änderte § 153 b StPO und fügte einen neuen § 153 c StPO ein. Danach kann der Staatsanwalt von der Verfolgung von Straftaten u. a. absehen, „wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen“ oder wenn die Taten „außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen sind“. Diese Regelung wurde unter der Mitverantwortung Dr. Heinemanns getroffen, der sich noch 1966 im Bundestag in der mit von ihm in den Bundestag ein-gebrachten Begründung des SP-Gesetzentwurfs zur Neuregelung des politischen Strafrechts entschieden gegen die Einführung des Opportunitätsprinzips wegen der damit verbundenen Verletzung des in Art. 3 des Bonner Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatzes gewandt hatte19. Die Regelung, daß die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Straftaten absehen kann, „die außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes be- (Fortsetzung von S. 627) irrigen Annahme, das Staatsgeheimnis sei ein Geheimnis der in § 97a bezeichneten Art, so wird er, wenn 1. dieser Irrtum ihm vorzuwerfen ist 2. er nicht in der Absicht handelt, dem vermeintlichen Verstoß entgegenzuwirken, oder 3. die Tat nach den Umständen kein angemessenes Mittel zu diesem Zweck ist, nach den bezeichneten Vorschriften bestraft. Die Tat ist in der Hegel kein angemessenes Mittel, wenn der Täter nicht zuvor ein Mitglied des Bundestages um Abhilfe angerufen hat. (2) War dem Täter als Beamten das Staatsgeheimnis dienstlich anvertraut oder zugänglich, so wird er auch dann bestraft, wenn nicht zuvor der Beamte einen Dienstvorgesetzten um Abhilfe angerufen hat.,.“ 16 Das Parlament, a. a. O. 17 Vgl. Heinemann / Posser, „KJ-itische Bemerkungen zum politischen Strafrecht in der Bundesrepublik“, Neue Juristische Wochenschrift 1959, Heft 4, S. 121 ff. 18 Vgl. BGHSt Bd. 4 S. 1 ff. (5/6); vgl. dazu „Eine Strafrechtsreform des Notstandes“, NJ 1966 S. 176 ff. (179). 19 vgl. Bundestags-Drucksache V/102. gangen sind“, bedeutet eine ausdrückliche Verankerung der Bonner Alleinvertretungsanmaßung auf dem Gebiet des Strafrechts und im Prinzip eine Übernahme der Regelung des sog. Handschellengesetzes (Gesetz über die befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit vom 29. Juli 1966 BGBl. I S. 453)20. Der Bonner Staat bekräftigt damit seine völkerrechtswidrige Anmaßung, Strafhoheit über das Gebiet der DDR prinzipiell ausüben zu wollen, und stellt lediglich der Staatsanwaltschaft anheim, „von der Verfolgung abzusehen“, wenn diese politisch nicht opportun erscheint. Die Regelung des Opportunitätsprinzips gibt noch größere Möglichkeiten als bisher, zu politisch gegebener Zeit, z. B. im sog. Spannungsfall, das gegenwärtig mit Zurückhaltung praktizierte politische Strafrecht rigoros anzuwenden. Im übrigen hat die westdeutsche Justiz das bisher geltende Legalitätsprinzip stets durchbrochen, wenn es darum ging, die Strafverfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen zu verschleppen oder zu verhindern oder ein unbequemes politisches Strafverfahren zu beenden21. Bedeutsam für die Einschätzung des antidemokratischen Charakters des 8. StÄG ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß mit diesem Gesetz nichts an der verfassungswidrigen Verwendung der Zeugen vom Hörensagen (V-Männer) und nichts an der Existenz der politischen Sondergerichte geändert wurde. Diese Regelungen engen die demokratischen Rechte auf Verteidigung grundgesetzwidrig ein und hätten im Wege einer echten Reform beseitigt werden müssen. Das erkennen selbst Bundestagsabgeordnete der SP und der FDP an22. Beseitigung unbequemer Tatbestände Als „Liberalisierung“ wurde vor allem die Streichung einiger Tatbestände des bisherigen Staatsschutzrechts hingestellt. Tatsächlich handelt es sich dabei mit einer Ausnahme entweder Um die Beseitigung unpraktikabler, schon bisher nicht angewendeter bzw. jetzt anders geregelter Tatbestände oder um die Ausräumung politischer Hemmnisse. Das erstere trifft für die Streichung solcher Bestimmungen zu wie § 83 StGB (Verrat am Bundespräsidenten) und § 84 StGB (fahrlässige Verbreitung hochverräterischer Schriften), die zum Teil durch die Bestimmungen über Propagandamittel (§ 86) aufgefangen wird. Der Streichung des § 92 StGB (staatsgefährdender Nachrichtendienst) und der §§ 100 d Abs. 2, 100 e StGB (Aufnahme verräterischer Beziehungen) liegen dagegen zweifellos politische Erwägungen zugrunde, nämlich einige Hindernisse für die Versuche ideologischer Diversion in der DDR zu beseitigen, wie sie im Zusammenhang mit der angekündigten Einschränkung des Geltungsbereichs bei einigen Bestimmungen der bisherigen Staatsgefährdungsregelung dargelegt werden. Im Zuge der Streichung dieser Bestimmungen wurde auch der Tatbestand des Verfassungsverrats (§ 89 StGB) beseitigt, der zumindest optisch zu einem Hindernis für die Durchsetzung der Notstandspolitik geworden ist. Eine Ausnahme bildet lediglich die erst in der allerletzten Ausschußsitzung vorgenommene Beseitigung des bisherigen § 94 StGB (Strafschärfung bei staatsgefährdender Absicht). Diese Bestimmung, nach der Sach- 20 vgl. dazu Arzinger, „Die Rolle der Gesetzgebung Im System der friedensgefährdenden Politik der westdeutschen Bundesrepublik“, NJ 1966 S. 521 ff. 21 vgl. Beyer, a. a. O-, S. 634; Streit, „Staatsschutzbestimmungen und Legalitätsprinzip“, NJ 1964 S. 435 ff. 22 so Frau Dr. Diemer-Nicolaus: „leih halte in der Tat die Zeit für gekommen, mit diesen Sonderkammern die in anderen Ländern nicht bestehen - Schluß zu machen.“ (Das Parlament, a. a. O.). 628;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 628 (NJ DDR 1968, S. 628) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 628 (NJ DDR 1968, S. 628)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

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