Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 612

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 612 (NJ DDR 1968, S. 612); Staatsapparates mit Vertretern der Monopole und ihrer Organisationen systematisch vorangetrieben. Theodor Eschenburg schrieb: „Es gibt Ministerien, deren Schlüsselposition hohe Beamte innehaben, die sich im Grunde ihres Herzens mehr als Kommissar ihres Interessenverbandes denn als Sachwalter des Staates fühlen.“21 Das geflügelte Wort: „Heute Minister morgen Bankier, heute Bankier morgen Minister“ hat volle Gültigkeit. Von den 496 Bundestagsabgeordneten gehört etwa ein Drittel zur Kategorie der unmittelbaren Repräsentanten der Unternehmerinteressen. Sie besitzen in den Bundestagsausschüssen wichtige Positionen und wirken dadurch auf die Ausschußberatungen ein. „Die Konzentration der sachkundigen Verbandsvertreter in den Ausschüssen ist besonders auffällig. Es gibt sogar Ausschüsse, die man als ausgesprochene .Verbandsinseln1 bezeichnen kann“, schrieb ein Propagandist des Monopolstaates22. Durch die Summation all dieser mannigfaltigen Wechselbeziehungen zwischen Monopolkapital und Staatsapparat, durch deren Vereinigung erreichen die Unternehmerverbände einen hohen Wirkungsgrad. Ihre Einflußnahme reicht von unmittelbar ökonomischen Problemen der inneren und äußeren Wirtschaftsbeziehungen bis zu den Grundfragen der Innen- und Außenpolitik, von der Vergabe der Rüstungsaufträge bis zur militärpolitischen Konzeption, von den Bundestagswahlen bis zu den Entscheidungen der Regierung, von den Fragen des Films, des Fernsehens, der Presse und der Romanliteratur bis zum Inhalt der Schulbücher und zu den Grundrichtungen auf dem Gebiet der Bildung, Wissenschaft und Kultur. Von alledem scheinen die Anhänger der Pluralismus-Theorie nichts zu wissen. Sie verschließen die Augen davor, daß der Prozeß der Konzentration der ökonomischen und damit auch der politischen Macht in Westdeutschland voranschreitet und damit das Gerede von einem „fair play“ allmählich immer unglaubwürdiger macht. „Formierte Gesellschaft“ kontra „pluralistische Gesellschaft“ Die Verschärfung des Klassenkampfes in Westdeutschland hatte dazu geführt, daß die Monopolkräfte vor längerer Zeit zu dem Ergebnis kamen, mit den bisherigen Herrschaftsmethoden ließe sich ihre Macht nicht mehr effektiv genug ausüben. Das Programm verkündete der frühere Bundeskanzler Erhard. Er erklärte im November 1965, „daß das Ende der Nachkriegszeit die Bundesrepublik Deutschland im Innern und nach außen vor neue Aufgaben stellt, zu neuen Pflichten ruft; daß eine neueLage mit neuen Mitteln gemeistert werden muß“23. Dem soll mit der Konzeption von der „Formierten Gesellschaft“ entsprochen werden. Auf diese Weise soll dem gewachsenen Einfluß des Sozialismus in der Welt und in Deutschland Rechnung getragen und der Widerspruch zwischen der ökonomischen Stärke des westdeutschen Imperialismus und seinem vergleichsweise geringen politischen Einfluß in der Welt gelöst werden21. Die Konzeption der „Formierten Gesellschaft“ soll die im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Revolution sich rapide entwickelnde Vergesellschaftung der Produktivkräfte durch den Ausbau eines den Mo- 21 Eschenburg, Herrschaft der Verbände?, Stuttgart 1955, S. 16. 22 Burneleit, Feindschaft oder Vertrauen zwischen Staat und Wirtschaft?, Frankfurt/Main 1961, S. 54. 23 Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 179 vom 11. November 1965, S. 1449. .24 Vgl. Winkler, „Die .formierte Gesellschaft' als strategische Konzeption des westdeutschen Imperialismus gegen die bürgerliche Demokratie“, Staat und Recht 1967, Heft 3, S. 486 ff.; Röder, Klassenkampf und „Staatsreform“ in Westdeutschland, Berlin 1968. nopolinteressen dienenden staatlich-autoritären Lenkungsapparates im Rahmen des überholten Gesellschaftssystems halten und dessen notwendige revolutionäre Ablösung verhindern. Deshalb forderte Erhard bereits auf dem CDU-Parteitag in Düsseldorf im März 1965 eine „Reform der deutschen Demokratie“; er verlangte „andere, modernere Techniken des Regierens und der politischen Willensbildung“. Mehr denn je bedürfe die Gesellschaft „übergreifender politischer Willensträger und Willensentscheidungen“25. Auch wenn Erhard über die tiefe Krise gestürzt ist, in die die Hauptpartei des Monopolkapitals, die CDU/CSU, geraten war im Angesicht der vielfältigen Labilitätssymptome, die das staatsmonopolistische Machtsystem befallen hatten, auch wenn zur „Rettung“ die große Koalition mit der rechten SP-Führung gebildet worden ist, auch wenn inzwischen das unpopuläre Schlagwort von der „Formierten Gesellschaft“ wieder aus dem Verkehr gezogen worden ist26, so ändert das nichts daran, daß die Nachfolger Erhards nichtsdestoweniger intensiv an der Realisierung des Formierungsprogramms arbeiten. Mit der Verabschiedung der Notstandsgesetzgebung wurde ein entscheidender Schritt auf dem Wege in den anvisierten autoritären „Leistungsstaat“ getan27. Weitere „Reform“-Vorhaben wie Finanzreform, Wahlrechtsreform usw. sind vorgesehen. Sie alle richten sich, deutlich auszumachen, gegen die westdeutsche Arbeiterklasse und ihre Organisationen. Unter diesen Umständen vermag die Pluralismus-Theorie die Ansprüche monopolkapitalistischer Auftraggeber an ideologische Waffen nicht mehr zu erfüllen. Ähnlich wie am Ende der Weimarer Republik hat deshalb wieder eine Kritik an ihren Thesen eingesetzt, die in ihrer Akzentuierung Carl Schmitt folgt und sicherlich nicht zufällig auch zum Teil von seinen Schülern vorgetragen wird. Schon im Jahre 1957 hat Werner Weber bei einem vom Bundesverband der Deutschen Industrie veranstalteten Gespräch eine bezeichnende Feststellung getroffen: „Der paritätische Pluralismus auf der Grundlage einer Balance der Gruppenmächte funktioniert nur temporär. Er funktioniert nämlich nur, solange die wirtschaftliche Prosperität anhält und das Sozialprodukt weiter ansteigt.“28 Bestand auch damals, als die Wirtschaftswunder-Psychose noch nicht durch die Erhardschen Maßhalteparo-len abgelöst war, noch kein direkter Anlaß zu ernster Besorgnis, so ist heutzutage aber diese Situation längst eingetreten. In den „12 Thesen zur .Formierten Gesellschaft*“ hieß es deshalb: „Erhard geht es mit seiner Konzeption um die Integration der .befestigten* Gruppen in Gesellschaft und Staat, um ihre Bindung an das Gemeinwohl, um die Überwindung der zerstörerischen Kräfte des Pluralismus weltanschaulicher und verbandsorganisatorischer Prägung, da er sehr wohl die Gefahren sieht, die auch eine .Formierte Gesellschaft* bedrohen.“29 Rüdiger A11 m a n n ,. einer der Initiatoren der Programmatik der „Formierten Gesellschaft“, sprach 1960 von der Entwicklung des „Wohlfahrtstaates zum Gefälligkeitsstaat“ und forderte eine „wesentlich stärkere Disziplinierung des Pluralismus“; es käme darauf an, das Sozialsystem „weiter durchzuorganisieren und zu rationalisieren, seine Teilhaber ihres Egoismus zu ent- 25 Zitiert nach Opitz, „Der große Plan der CDU: die .Formierte Gesellschaft4“, Blätter für deutsche und internationale Politik (Köln) 1965, Heft 9, S. 750 ff. 26 vgl. Neusüß, „Was kommt nach der .Formierten Gesellschaft4 ?“, Blätter für deutsche und internationale Politik 1958, Heft 2, S. 189 ff. 27 vgl. Gottschling/Wegmarshaus, „Notstandsverfassung - Notstandsdiktatur“, NJ 1968, S. 561 ff. 28 Der Staat und die Verbände, herausgegeben von Beutler/ Stein Wagner, Heidelberg 1957, S. 22 f. 29 Riek/Schütze'Wilhelmi, „12 Thesen zur .Formierten Gesellschaft4“, Gesellschaftspolitische Kommentare 1965, Nr. 13/14, S. 157 ff., These 5 (Hervorhebung von mir E. G.). 612;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 612 (NJ DDR 1968, S. 612) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 612 (NJ DDR 1968, S. 612)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader weiter zu qualifizieren und sie in ihrer Persönlichkeit sent wie klung noch schneller vqran-zubringen., In Auswertung der durchgeführten Anleitungsund Kontrolleinsätze kann eingeschätzt werden, daß bei strikter Wahrung jeweiligen Verantwortung und im kameradschaftlichen Miteinander weitere Fortschritte beim Finden effektiver Lösungen erzielt wurden. Hauptinhalte der Unterstützung durch die Diensteinheiten der Linie realisiert werden, alle möglichen EinzelneSnahmen zur Identitätsfest-stellung zu nutzen und in hoher Qualität durchzuführen, um mit den Ergebnissen die politisch-operative Arbeit aller Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten mißbraucht. Das geschieht insbesondere durch Entstellungen, falsche Berichterstattungen, Lügen und Verleumdungen in westlichen Massenmedien und vor internationalen Organisationen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge nachgewiesen ist. Dazu sind das Resultat des Wahrheitsnachweises sowie die Art und Weise seines Zustandekommens objektiv und umfassend zu dokumentieren.

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