Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 570

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 570 (NJ DDR 1968, S. 570); Weg zwischen ihren Wohnungen und der Baustelle üblicherweise ihre eigenen Pkw. Am 6. November 1966 tranken die vier Brigademitglieder zum Frühstück je drei Flaschen Bier und gemeinsam eine kleine Flasche Likör. Im Verlauf des Vormittags trank F. weitere zwei Flaschen Bier. Als der Leiter der zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation. V um die Mittagszeit auf der Baustelle erschien, wurde er von den Brigademitgliedern aufgefordert, etwas auszugeben. V. stellte daraufhin 25 M zur Verfügung, wofür F. weitere 15 Flasdien Bier, eine große Flasche Weinbrand sowie Zigaretten kaufte. Während V. gemeinsam mit K. den Stand der Arbeiten überprüfte, tranken der Angeklagte, der Verurteilte F. und das vierte Brigademitglied die Flasche Weinbrand und jeder einige Flaschen Bier. V. gab der Brigade weitere 20 M, für die F. erneut eine Flasche Weinbrand kaufte. Der Angeklagte und K. wußten, daß F. mit dem Pkw auf der Baustelle war. Gegen 14.30 Uhr war F. so betrunken, daß er nicht mehr arbeiten konnte und bis Arbeitsschluß in seinem Pkw schlief. Als die anderen Brigademitglieder F. um 17 Uhr weckten, reagierte er normal, und sie glaubten deshalb, er sei in seiner Fahrtüchtigkeit nicht mehr beeinträchtigt. Sie unternahmen nichts, um ihn an der Heimfahrt mit seinem Pkw zu hindern. Bei der Durchfahrt durch die Gemeinde W. verursachte F. im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit einen Verkehrsunfall mit schwerem Personenschaden. Die bei ihm vorgenommene Blutuntersuchung ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 bis 2,30 Promille zum Zeitpunkt des Unfalls. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Kreisgericht den Angeklagten wegen Beihilfe zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (§ 49 StVO) bedingt verurteilt. Auf den Protest des Staatsanwalts hob das Bezirksgericht das erstinstanzliche Urteil im Strafausspruch auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kreisgericht zurück. Danach wurde der Angeklagte erneut bedingt verurteilt. Das Kreisgericht hatte in seiner ersten Entscheidung das Verhalten des Angeklagten als durch Unterlassen begangene Beihilfe zur erheblichen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Verurteilten F. beurteilt. Seine Rechtspflicht zum Handeln habe sich aus vorangegangenem Tun ergeben, nämlich dem gemeinsamen Genuß alkoholischer Getränke. Das Bezirksgericht ist dieser Auffassung nicht entgegengetreten. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation des Urteils des Bezirksgerichts und des darauf beruhenden Urteils des Kreisgerichts beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die gerechte Anwendung des sozialistischen Strafrechts erfordert, jeden Schuldigen, aber keinen Unschuldigen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Bei der Beurteilung einer durch Fahrlässigkeit verursachten Straftat ist, worauf das Oberste Gericht bereits mehrfach hingewiesen hat, zunächst stets gründlich zu prüfen, welche konkreten Rechtspflichten dem Täter oblagen und ob er solche bewußt oder unbewußt verletzt hat. Dabei ist zu beachten, daß nicht jedes in einer gegebenen Situation objektiv erforderliche Verhalten bzw. nicht jede politisch-moralische Pflicht eine Rechtspflicht darstellt und davon abweichende Verhaltensweisen als Rechtspflichtverletzungen beurteilt werden dürfen. Jede andere Betrachtungsweise führt zu einer dem Inhalt des sozialistischen Strafrechts widersprechenden Ausweitung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Rechtspflichten müssen dem Täter zum Zeitpunkt der Tat entweder kraft Gesetzes, Berufs, seiner konkret ausgeübten Tätigkeit oder auf Grund seiner Beziehungen zum Geschädigten zur Vermeidung von Gefahren oder schädlichen Folgen obliegen. Sie können dem Täter aber auch daraus erwachsen, daß er durch sein Verhalten für andere Personen oder für die Gesellschaft besondere Gefahren heraufbeschworen hat. In solchen Fällen ist er rechtlich zur Abwendung weiterer, über die Gefahrenlage hinausgehender möglicher Folgen verpflichtet. Solche Rechtspflichten hatte der Angeklagte nicht. Zwar verstieß die allen Brigademitgliedern zur Gewohnheit gewordene Praxis, während der Frühstückspausen alkoholische Getränke zu verzehren, gegen die von jedem Werktätigen einzuhaltende Bestimmung des § 4 Buchst, f ASAO 1 Allgemeine Vorschriften vom 23. Juli 1952 (GBl. S. 691) i. d. F. der ÄndVO vom 19. April 1956 (GBl. I S. 384), dies um so mehr, als am Unfalltag in erheblichem Maße getrunken wurde. Indes war der Angeklagte wie auch die anderen Mitglieder der Brigade nicht als Leitungskader für die Einhaltung und Durchführung der Bestimmungen des Ge-sundheits- und Arbeitsschutzes auf der Baustelle verantwortlich, weil weder der Angeklagte noch die anderen Brigademitglieder die anleitende und kontrollierende Stellung als Leiter eines Kollektivs von Werktätigen innehatten. Das trifft übrigens auch auf den Verurteilten F. zu, der zwar die dem Beginn der Arbeiten vorausgegangenen Verhandlungen mit dem Leiter der ZBO, V., geführt und auch den schriftlichen Vertrag unterzeichnet hatte. Seine Tätigkeit blieb jedoch auf diese rein arbeitsorganisatorischen Vorfragen beschränkt. Er hat weder die übrigen Brigademitglieder mit den durchzuführenden Arbeiten beauftragt noch sie eingewiesen oder kontrolliert. Verantwortlicher Leiter für diese Baustelle war vielmehr der Betriebsleiter der ZBO, der sich seiner ihm obliegenden Verantwortung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz auch bewußt war. Das ergibt sich daraus, daß er zunächst Bedenken gegen den Genuß alkoholischer Getränke auf der Baustelle erhob. Somit steht fest, daß hinsichtlich des Genusses alkoholischer Getränke auf der Baustelle dem Angeklagten nach dem Gesetz auf Grund seines Berufs bzw. der konkreten Tätigkeit keine Rechtspflichten oblagen. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte erwuchs dem Angeklagten aber auch aus der Tatsache des gemeinsamen Genusses alkoholischer Getränke unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen Tuns nicht die Rechtspflicht, den Verurteilten F. an der Benutzung seines Pkw zur Heimfahrt zu hindern. Das Oberste Gericht hat bereits in seinem Urteil vom 4. März 1960 - 3 Ust V 1/59 (NJ 1960 S. 284) zum Ausdruck gebracht, daß nicht jedes einer Straftat vorangegangene Tun eine Rechtspflicht zum Handeln begründet, sondern nur ein solches Verhalten, durch das eine Gefahrensituation für andere Personen entstanden ist. Im Gegensatz zur Auffassung der Instanzgerichte ist die Gefahrensituation für die Sicherheit im Straßenverkehr am fraglichen Tage nicht durch den gemeinsamen Genuß alkoholischer Getränke entstanden, sondern durch den im Zustand erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit gefaßten und verwirklichten Entschluß des Verurteilten F., sein Fahrzeug in diesem Zustand für die Heimfahrt zu benutzen. Der gemeinsame Genuß alkoholischer Getränke begründete im vorliegenden Falle für den Angeklagten insbesondere deswegen keine Rechtspflicht, den Verurteilten F. an der Führung seines Fahrzeugs zur Heimfahrt zu hindern, weil er diesen nicht zum Trinken angehalten hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde F. von keinem anderen Mitglied der Brigade zum Trinken veranlaßt. Vielmehr war es F., der von sich aus den Betriebsleiter V. am intensivsten aufforderte, Geld für eine „Richtfest-Feier“ zu geben. Er holte auch die alkoholischen Getränke heran und trank aus eigenem Entschluß am meisten. Hinzu kommt, daß der Angeklagte 57 0;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 570 (NJ DDR 1968, S. 570) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 570 (NJ DDR 1968, S. 570)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Unt,arBuchungshaft gerecht, in der es heißt: Mit detfifVollzug der Untersuchungs- der Verhaftete sicher ver-afverfahren entziehen und keine die Aufklärung oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht bestätigte oder die noch bestehende Gefahr nicht von solcher Qualität ist, daß zu deren Abwehr die Einschränkung der Rechte von Personen erforderlich ist. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

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