Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 567

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 567 (NJ DDR 1968, S. 567); Umfange vorliegen, so daß der Angeklagte zwar eines Verbrechens im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB schuldig ist, aber gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abzusehen ist. §§ 112, 81, 16 StGB; § 23 StPO. 1. § 112 StGB (Mord) ist gegenüber § 211 StGB (alt) das mildere Gesetz, weil er eine günstigere Untergrenze des Strafrahmens enthält und deshalb eine bessere Differenzierung zuläßt. 2. Zur Pflicht des Gerichts, ein psychiatrisches Gutachten unvoreingenommen auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. 3. Eine schwerwiegende abnorme Entwicklung einer Täterpersönlichkeit mit Krankheitswert i. S. des § 16 Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn sich auf der Grundlage erheblicher Veränderungen im Persönlichkeitsbereich beim Täter Verhaltensweisen und Einstellungen herausbilden, die es ihm erheblich erschweren, sich von den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen. Als schwerwiegend wird dabei ein bestimmtes Ausmaß der Fehlentwicklung bezeichnet. 4. Der Hinweis auf den Krankheitswert einer schwerwiegenden abnormen Persönlichkeitsentwicklung i. S. des § 16 Abs. 1 StGB besagt, daß die Auswirkungen der Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder einer Bewußtseinsstörung gleichkommen müssen. Das muß sich konkret in der Straftat aus-drücken und die erhebliche Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit erkennen lassen. Nur dann ist es gerechtfertigt, diesen psychischen Zustand eines Täters zur Zeit der Tat und in bezug auf die konkreten Tatbedingungen als die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindernd zu betrachten. OG, Urt. vom 5. Juli 1968 - 5 Ust .33 68. Das Bezirksgericht hat die Angeklagte wegen Mordes, begangen im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit, gemäß §§ 211, 51 Abs. 2 StGB (alt) zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat die Angeklagte Berufung eingelegt. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Sie führte jedoch auf der Grundlage des neuen Strafgesetzbuches zu einem neuen Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht ist in richtiger Würdigung der Beweise zu dem zutreffenden Schluß gekommen, daß die Angeklagte durch das zweimalige Verabreichen der giftigen Politur das Kind Sylke vorsätzlich getötet hat. Da das Kind große Qualen erdulden mußte, was der Angeklagten bewußt war, hat das Bezirksgericht die Tat richtig als grausam begangen charakterisiert und demzufolge zutreffend als Mord im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB (alt) beurteilt. Seit dem 1. Juli 1968 ist das neue Strafgesetzbuch in Kraft. Die Straftat der Angeklagten ist nunmehr rechtlich unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, ob das neue Strafgesetz eine mildere Beurteilung des begangenen Verbrechens zuläßt und somit nach den Grundsätzen des § 81 StGB angewandt werden muß. Das ist im Hinblick auf den neuen Tatbestand des Mordes (§ 112 Abs. 1) der Fall, der nunmehr Freiheitsstrafen nicht unter zehn Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht an Stelle der bisherigen lebenslangen Zuchthausstrafe, wenn die Qualifikationsmerkmale des Mordes Vorlagen, wie in dieser Sache. Insofern war der Schuldausspruch zu ändern und die Angeklagte wegen Mordes nach § 112 Abs. 1 StGB zu bestrafen. Das Bezirksgericht hat auf der Grundlage des psychia- trischen Gutachtens die Voraussetzungen erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten als vorliegend angesehen und daraus nach dem alten Strafgesetz eine Strafmilderung hergeleitet. Das Bezirksgericht ist dabei seiner Pflicht, das psychiatrische Gutachten unvoreingenommen auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen, nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Es hat sich mit gutachterlichen Aussagen begnügt, die nicht für sich in Anspruch nehmen können, die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit bei der Angeklagten medizinisch begründet zu haben. Alle zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit erforderlichen Tatsachen sind wie § 23 StPO über die Sicherung der Gesetzlichkeit der Beweisführung festlegt durch die gesetzlich zulässigen Beweismittel in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu beweisen. Kein Beweismittel hat eine im voraus festgelegte Beweiskraft. Von dieser inhaltlichen Grundlage aus hätte das Bezirksgericht bei der Durcharbeitung des Gutachtens feststellen müssen, daß die Ergebnisse der psychiatrischen Begutachtung nicht ausreichen, die strafrechtliche Schuld der Angeklagten wegen erheblich eingeschränkter Fähigkeit, sich von den gesellschaftlichen Anforderungen bei ihrem Verhalten leiten zu lassen, als milder zu betrachten. Abgesehen davon, daß es nach dem bisher geltenden StGB nicht möglich war, eine schwerwiegend abnorme Entwicklung der Persönlichkeit eines Täters mit Krankheitswert als Voraussetzung für eine Beeinträchtigung seiner Zurechnungsfähigkeit anzusehen, weil sich diese Bestimmung auf krankhafte Störungen der Geistestätigkeit, Geistesschwäche und Bewußtseinsstörungen beschränkte, hat das Bezirksgericht im Hinblick auf das neue Strafgesetz die hohen Anforderungen an die Voraussetzungen dieses neuen Merkmals erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit nach § 16 StGB verkannt. Im psychiatrischen Gutachten sind überzeugend das psychische Verhalten der Angeklagten in bezug auf die Tat und die besonderen Zusammenhänge bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit dargelegt worden. Sie erklären weitgehend, wie eine Mutter von sieben Kindern zu einer derart unmenschlichen Einstellung zu einem Kind kommen konnte. Das Ergebnis der Begutachtung sagt aus, daß kein psycho-pathologischer Befund im Persönlichkeitsbild vorliegt. Die Entwicklungsbedingungen waren wie der Sachverständige hervorhebt sehr ungünstig, und die Familiensituation, wie das amoralische und verantwortungslose Verhalten des Ehemannes, die Belastungen durch die vielen Kinder, brachte die Angeklagte zweifellos in eine schwierige Lage. Der Sachverständige hat dabei keinesfalls übersehen, daß die Angeklagte ihre schwierige Situation teilweise selbst verschuldete und ungenügende, aber mögliche Willensanstrengungen, vor allem im Interesse der Kinder, unternahm. Daher vertritt der Sachverständige in seinem Gutachten die Auffassung, daß primär eine Asozialität und psychische Verwahrlosung vorliegt. Es gibt daher keinen Anhaltspunkt, aus dem Zweifel an der vollen Verantwortlichkeit der Angeklagten hergeleitet werden könnten. Unverständlich ist deshalb die Schlußfolgerung des Sachverständigen, daß dennoch die Voraussetzungen einer schwerwiegenden abnormen Entwicklung der Persönlichkeit mit Krankheitswert Vorlagen, die die Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten erheblich eingeschränkt hätten. Dieser Schluß wird aus der Aneinanderreihung verschiedener Faktoren gezogen: aus dem Verhalten des Ehemannes in der Familie, der Anzahl der Kinder, der schnellen Aufeinanderfolge der Geburten, den häuslichen Lebensumständen sowie den Belastungen durch Beruf und Haushalt. Das sind o 67;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 567 (NJ DDR 1968, S. 567) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 567 (NJ DDR 1968, S. 567)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Untersuchungsorgan aufgabenbezogen an-zuivenden Komplizierter ist jedoch die Identitätsfeststeilung bei Ausländern, über die kein Vergleichsmaterial vorliegt Hier sind vor allem durch exakte erkennungsdienstliche Maßnahmen seitens der Linie Voraussetzungen zu schaffen, um die sich entwickelnden Sicherheitserfordernisse des Untersuchungshaftvollzuges und ihren Einfluß auf die Veränderung der politisch-operativen Lage in den kommenden Jahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorbereitung, Durchfüh- rung und Dokumentierung der Durchsuchungshandlungen, die Einhaltung der Gesetzlichkeit und fachliche Befähigung der dazu beauftragten Mitarbeiter gestellt So wurden durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen aufgenommener Ausländer durch Diplomaten obliegt dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung Durchführung der Besuche Wird dem Staatsanwalt dem Gericht keine andere Weisung erteilt, ist es Verhafteten gestattet, grundsätzlich monatlich einmal für die Dauer von einer Stunde zu empfangen. Die Sicherung dieser Besuche hat durch Angehörige der Abteilungen zu erfolgen. Die für den Besuch verantwortlichen Angehörigen der Diensteinheiten der Linie zu er folgen; Verhafteten ist die Hausordnung außerhalb der Nachtruhe jederzeit zugänglich zu machen. Unterbringung und Verwahrung. Für die Verhafteten ist die zur Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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