Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 554

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 554 (NJ DDR 1968, S. 554); voraussehbar und vermeidbar sind, mit konkreten Sicherungsmaßnahmen in allen Bereichen diagnostischer, therapeutischer und prophylaktischer ärztlicher Tätigkeit zu begegnen. Darauf und auf die sich daraus ergebenden erhöhten Pflichten für den ein Kollektiv leitenden Arzt hat S a w i c k i bereits hingewiesen0. Ein Beispiel dafür, wie die strafrechtlich relevante Pflichtverletzung eines Arztes durch eine ungenügende Abgrenzung seiner Verantwortung bzw. durch das Fehlen genauer Verhaltensregeln in den betreffenden Situationen des pflichtwidrigen Handelns begünstigt wurde, liefert folgende Strafsache0: Der wegen fahrlässiger Tötung verurteilte Arzt hat während seines Bereitschaftsdienstes in der orthopädischen Klinik, in der er tätig war, auf einer anderen Station Cholinchlorid intravenös injiziert, obgleich es wie vom Stationsarzt verordnet mit einem weiteren Medikament als Infusionszusatz verwendet werden sollte. Infolge der fehlerhaften Applikation des Medikaments kam es zum Herz- und Kreislaufstillstand des Patienten. Die Pflichtverletzung des Arztes bestand darin, daß er sich nicht genau informierte, wie das Medikament zu verabreichen war, zumal ihm dessen Wirkungsweise nicht völlig gegenwärtig war. Begünstigt wurde seine strafbare Handlung durch eine ungenügende Ordnung bei der Übergabe einer Station an den Bereitschaftsarzt. Abgesehen davon, daß die Verordnung des Medikaments nur auf einem Zettel notiert und auf dem Schreibtisch abgelegt, nicht aber auf der Fieberkurve eingetragen bzw. dieser beigefügt war, wurde der Bereitschaftsarzt völlig unzureichend über die Besonderheiten auf der Station unterrichtet. Im Krankenhaus war es üblich, daß der Bereitschaftsarzt sich erkundigte, was auf den verschiedenen Stationen zu beachten sei. Dies hat er nicht getan. Jedoch müßte es.andererseits auch die Pflicht des Stationsarztes sein, sich nicht auf die Einhaltung dieser Regel durch den Bereitschaftsarzt zu verlassen, sondern von sich aus auf besonders schwere Erkrankungen und deren Behandlung hinzuweisen. Das war in dem betreffenden Krankenhaus auch im allgemeinen üblich, jedoch bestand keine rechtlich begründete Verpflichtung dazu. Konkrete Regelungen, die die Verantwortung des Stationsarztes und des Bereitschaftsarztes genau abgrenzen, würden Fehlleistungen während des Bereitschaftsdienstes infolge ungenügender Information weitgehend ausschalten. Gleiches gilt für die gegenseitige Information über Diagnoseergebnisse der einzelnen Ärzte, insbesondere aus verschiedenen Fachbereichen. In einem anderen Verfahren, das gegen einen Narkosearzt (in der Facharztausbildung) durchgeführt werden mußte, lagen bezüglich der Regelung der Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter ähnliche Mängel vor, die das pflichtwidrige Verhalten des Arztes begünstigten : Die mit einer Tubenruptur eingelieferte Patientin mußte sofort operiert werden. Der Angeklagte sollte als Anästhesist an der Operation teilnehmen. Er begann zunächst mit der Schockbehandlung, obgleich diese nach der Aussage des Sachverständigen bereits auf der Station oder durch einen anderen Arzt hätte durchgeführt oder eingeleitet werden müssen. Bei der Bluttransfusion wurde ihm die für einen anderen Patienten mit ähnlichem Namen bestimmte Blutkonserve gebracht. Der Angeklagte verglich den Namen des Patienten, der ihm nur mündlich mitgeteilt worden war, mit dem im Protokoll und nahm an, es sei der richtige. Er verließ 8 Vgl. Sawicki, „Die Strafrechtliche’ Verantwortlichkeit für Fehler aus kollektiver Arbeit, dargestellt am Beispiel des Arztes und des mit ihm zusammenarbeitenden Kollektivs“, NJ 1965 S. 9 ff. 9 vgl. Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 17. Dezember 1966 - 212 S 23/66 - (NJ 1967 S. 454). sich also auf die Übereinstimmung von Protokoll und Konserve, ohne dies an Hand der Krankenpapiere (die nicht im Operationssaal waren) und des Befundes der Blutgruppenbestimmung (der noch nicht vorlag) zu kontrollieren, um so die Identität des Empfängers festzustellen. Diese Pflichtverletzung des Angeklagten wurde durch die Arbeitsorganisation im Krankenhaus begünstigt, die nicht geeignet war, auch in schwierigen Situationen zu gewährleisten, daß alle Vorsichtsmaßregeln beachtet wurden. Der Angeklagte war für Narkose und Transfusionen verantwortlich, wie ihm aus der gewohnten Arbeitsweise, nicht aber infolge einer ordnungsgemäßen Abgrenzung und Festlegung seiner Aufgaben durch die Leitung des Krankenhauses bzw. der Abteilung bekannt war. Die Schockbehandlung lenkte ihn von seiner eigentlichen Aufgabe ab. Durch diese Umstände geriet er in Zeitdruck, und durch eine Reihe weiterer Fehlleistungen anderer kam es zu einer hier sehr geringgradigen schuldhaften Pflichtverletzung. Die Notwendigkeit einer straffen, für alle Ärzte und medizinischen Hilfskräfte verbindlichen Ordnung in den wichtigsten Bereichen der Heilbehandlung zeigt sich ebenso im Hinblick auf die Einhaltung notwendiger Vorsichts- und Sicherungsmaßregeln. Auch in dieser Hinsicht herrscht in den Krankenhäusern oft noch „Gewohnheitsrecht“. Es ist vielfach vom subjektiven Ermessen des Leiters abhängig, ob bestimmte Arbeitsbereiche durch Dienstanweisungen geregelt werden oder nicht. Dieser Zustand birgt ebenfalls eine erhebliche Gefahr für Versagenssituationen und Fehlleistungen in sich. So hatte es ein Oberarzt und Chirurg als leitender Operateur unterlassen, vor dem Verschließen des Unterleibs der Patientin ein Bauchtuch wieder zu entfernen. Das Bauchtuch war zum Zurückdrängen der Darmschlingen und zum Aufsaugen von Blut hufeisenförmig um den Uterus gelegt worden und entging, da es blut-durchtränkt war, seiner Aufmerksamkeit. Wie die Untersuchungen ergaben, war das Bauchtuch weder armiert worden, noch wurde die im Krankenhaus an sich übliche Zähl- und Abfragekontrolle hinsichtlich aller bei der Operation verwendeten Materialien vorgenommen. Die Patientin verstarb einige Tage nach dem chirurgischen Eingriff infolge eines durch den Fremdkörper verursachten paralytischen Ileus und einer diffusen fibrinösen Peritonitis. In diesem Verfahren hat das Oberste Gericht in seinem Urteil vom 2. Dezember 1966 5 Ust 51/66 u. a. folgende Ausführungen zur Kausalität gemacht: „In vielen Fällen der fahrlässigen Verursachung eines schädigenden Ereignisses sind neben der festgestellten und für die juristische Bewertung allein maßgeblichen Ursache weitere Möglichkeiten denkbar, die unter gleichen oder auch anderen Bedingungen dasselbe Ergebnis hervorzurufen geeignet gewesen wären. Die Bejahung solcher Möglichkeiten berührt jedoch nicht den tatsächlich festgestellten Kausalverlauf: sie ist insbesondere nicht geeignet, die bewiesenen Tatsachen und ihren objektiven Zusammenhang zu entkräften. Die Prüfung der Kausalität ist somit kein von der Wirklichkeit losgelöster, abstrakter Denkvorgang, sondern sie muß auf der Grundlage des tatsächlichen Lebensvorganges erfolgen und diesen widerspiegeln Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zunächst auch von keinem Sachverständigen widersprochen fest, daß eine hufeisenförmig um den Uterus liegende zurückgelassene Bauchrolle grundsätzlich geeignet ist, einen paralytischen Ileus und eine diffuse fibrinöse Peritonitis zu verursachen. Dies 55 4;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 554 (NJ DDR 1968, S. 554) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 554 (NJ DDR 1968, S. 554)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Verfahren umfaßt das vor allem die Entlarvung und den Nachweis möglicher Zusammenhänge der Straftat zur feindlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten politischen Untergrundtätigkeit Forschungsergebnisse, Vertrauliche Verschlußsache Möglichkeiten und Voraussetzungen der konsequenten und differenzierten Anwendung und offensiven Durchsetzung des sozialistischen Strafrechts sowie spezifische Aufgaben der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der DDR. Vertrauliche Verschlußsache Vergleiche Schmidt Pyka Blumenstein Andrstschke: Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zun subversiven Mißbrauch Jugendlicher auszuwerten und zu verallgemeinern. Dabei sind insbesondere weiterführende Erkenntnisse zur möglichst schadensverhütenden und die gesellschaftsgemäße Entwicklung Jugendlicher fördernde Verhinderung und Bekämpfung der gegen die Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten Untergrund-tät igkeit Potsdam, Duristische Hochschule, Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Humitzsch Fiedler Fister Roth Beck ert Paulse Winkle eichmann Organisierung der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens unter strikter Wahrung ihrer spezifischen Verantwortung ständig zu gewährleisten, sind die Kräfte und Mittel Staatssicherheit noch stärker auf die Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels zu konzentrieren; sind die Deutsche Volkspolizei und andere Organe des Ministeriums des Innern bei der vollen Entfaltung ihrer Potenzen zur wirksamen Lösung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse. Besondere Bedeutung ist der Qualifizierung der mittleren leitenden Kader, die Schaltstellen für die Um- und Durchsetzung der Aufgabenstellung zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorkommnisuntersuchung in stärkerem Maße mit anderen operativen Diensteinheiten des - Staatssicherheit , der Volkspolizei und anderen Organen zusammengearbeitet wurde.

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