Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 456

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 456 (NJ DDR 1968, S. 456); HANS HEILBORN, Hauptabteilungsleiter im Ministerium der Justiz Oberrichter Dr. JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts und Vorsitzender des Kollegiums für Strafsachen Einige Fragen der Rechtsanwendung nach dem neuen StGB In der Diskussion über die Anwendung des neuen Strafrechts sind eine Reihe von Fragen aufgetreten, deren einheitliche Beantwortung im Interesse der Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit notwendig ist. Die zentralen Rechtspflegeorgane vertreten hierzu folgende Auffassungen1: Zum Fortsetzungszusammenhang Mit der Neufassung der Grundsätze für die Bestrafung bei mehrfacher Gesetzesverletzung (§§ 63, 64 StGB) hat der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs seine Existenzberechtigung verloren. Jede mehrfache Verletzung ein und derselben Strafrechtsnorm oder die Verletzung verschiedener Strafrechtsnormen durch mehrere Taten ist gemäß § 63 Abs. 2 StGB als Tatmehrheit zu beurteilen. Gemäß § 64 Abs. 1 StGB ist hierfür eine Hauptstrafe auszusprechen, die dem Charakter und der Schwere des gesamten strafbaren Handelns entspricht und in einer der verletzten Normen angedroht ist. § 64 Abs. 3 StGB gibt die Möglichkeit, eine der Schwere der Straftat angemessene Strafe auszusprechen, indem die höchste Obergrenze der konkreten Strafrechtsnorm um die Hälfte überschritten werden kann. Es ist jedoch zu beachten, daß nach dem StGB in vielen Fällen bereits die mehrfache Tatbegehung einen schweren Fall darstellt, wie z. B. bei Vergewaltigung (§ 121 Abs. 2 Ziff. 3), Nötigung oder Mißbrauch zu sexuellen Handlungen (§ 122 Abs. 3 Ziff. 3), Raub oder Erpressung (§ 128 Abs. 1 Ziff. 4), verbrecherischem Diebstahl oder Betrug zum Nachteil sozialistischen Eigentums (§ 162 Abs. 1 Ziff. 3), verbrecherischem Diebstahl oder Betrug zum Nachteil persönlichen oder privaten Eigentums (§ 181 Abs. 1 Ziff. 3), ungesetzlichem Grenzübertritt (§ 213 Abs. 2 Ziff. 4). Bei Vorliegen der im Gesetz beschriebenen schweren Fälle ist jedoch zu beachten, daß gemäß § 62 Abs. 3 StGB von der Strafverschärfung Abstand genommen werden kann, wenn sich unter Berücksichtigung der gesamten Umstände die Schwere der Tat nicht erhöht hat. Mit den hier dargelegten Möglichkeiten kann die Intensität des wiederholten Handelns eines Täters richtig beurteilt werden. Eine Beibehaltung des Begriffs des Fortsetzungszusammenhangs würde zu keiner genaueren Charakterisierung der Straftat führen, zumal er auch keine bessere inhaltliche Beurteilung der Straftat gestattet. Schließlich ist es auch nicht gerechtfertigt, das Rechtsinstitut des Fortsetzungszusammenhangs lediglich aus Gründen der statistischen Erfassung beizubehalten. Aus dem Urteilstenor muß jedoch erkennbar sein, daß die Handlung mehrfach begangen worden ist-. Strafverschärfung bei mehrfach begangenen Delikten Das neue StGB kennt eine Reihe von Strafbestimmungen, die für den Fall mehrfach begangener Gesetzesverletzung eine strengere Bestrafung androhen. Mit diesen Bestimmungen wurden die früheren Rückfall- t Hinsichtlich der zeitlichen Geltung der Strafgesetze (§ 81 StGB) enthält der in diesem Heft veröffentlichte Beitrag von Mühlberger Oertl ins einzelne gehende Hinweise, die ebenfalls der Auffassung der zentralen Rechtspflegeorgane entsprechen. 2 Vgl. hierzu Heymann Schindler / Pompoes. „Zur Formulierung des Urteilstenors in Strafsachen*', in diesem Heft. regelungen unter Auswertung der Erfahrungen der Rechtspflegeorgane weiterentwickelt. Eine Strafverschärfung wegen Rückfalls tritt z. B. ein, wenn nach den entsprechenden Tatbeständen des Besonderen Teils der Täter wegen der Begehung gleicher oder ähnlicher Delikte bereits bestraft ist. Sofern es sich hier um abgeurteilte Vortaten handelt, bereitet die Frage, wann der vom Gesetz bestimmte Fall der Rückfälligkeit vorliegt, keine Schwierigkeiten, zumal eine Prüfung, ob die seinerzeit erkannte Strafe ganz oder teilweise verbüßt oder erlassen ist, nicht mehr vorgeschrieben ist. So liegt z. B. verbrecherischer Diebstahl oder Betrug zum Nachteil sozialistischen Eigentums (§ 162 Abs. 1 Ziff. 4 StGB) dann vor, wenn ihm entweder eine Bestrafung wegen Raubes oder Erpressung oder aber zwei Vorstrafen wegen Diebstahls, Betruges oder Hehlerei vorangegangen sind. Schwierigkeiten bereitet jedoch die Frage, welche Mindestanforderungen an vorherige Handlungen zu stellen sind, wenn das Gesetz die Strafverschärfung für den Fall vorsieht, daß die Tat „mehrfach begangen“ ist, wie z. B. bei Mord (§112 Abs. 2 Ziff. 4), Vergewaltigung (§ 121 Abs. 2 Ziff. 3), Nötigung oder Mißbrauch zu sexuellen Handlungen (§ 122 Abs. 3 Ziff. 3) und ungesetzlichem Grenzübertritt (§213 Abs. 2 Ziff. 4). Hier ist davon auszugehen, daß als Voraussetzung eine Vortat ausreicht, d. h., vor der zur Aburteilung stehenden letzten Tat muß eine weitere begangen worden sein, einerlei ob sie im gleichen Verfahren Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses ist oder nicht. Als „Tat“ gilt sowohl die vollendete Tat als auch die versuchte und vorbereitete, sofern das Gesetz diese Stadien der Verwirklichung des Tatbestandes unter Strafe stellt. Auch bei einer im Grenzgebiet versuchten Tat muß eine Vortat vorliegen, wenn § 213 Abs. 2 Ziff. 4 StGB Anwendung finden soll. Nicht als Vortat können jedoch Handlungen herangezogen werden, bei denen nach § 21 Abs. 5 StGB von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abzusehen ist, weil Rücktritt von der Vorbereitung oder vom Versuch vorliegt. Im Hinblick darauf, daß eine nur versuchte oder vorbereitete Tat die Strafverschärfung begründen kann, wird ggf. auch zu prüfen sein, ob sich die Gesamtschwere der Tat erhöht hat. Muß dies etwa wegen einer unbedeutenden früheren Vorbereitungshandlung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände verneint werden, so ist § 62 Abs. 3 StGB (außergewöhnliche Strafmilderung) zu beachten. Nur in diesen Fällen ist die Strafverschärfung nicht anzuwenden. Zum Geheimnisschutz in der Volkswirtschaft Die Straftatbestände zum Schutz der Volkswirtschaft gehen von der Voraussetzung aus, daß in allen Bereichen der Volkswirtschaft eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeit durchgesetzt wird3. In diesem Sinne ist auch Art. 3 StGB zu verstehen, der alle Leiter der Betriebe, der staatlichen Organe und Einrichtungen, die Vorstände der Genossenschaften und die Leitungen der gesellschaftlichen Organisationen verpflichtet, durch wissenschaftliche Leitungstätigkeit 3 Darauf wurde bereits in der Diskussion über den Entwurf des StGB hingewiesen (vgl. Buchholz / Heiiborn / Knobloch, „Einige Probleme der Bestimmungen zum Schutze der Volkswirtschaft und des sozialistischen Eigentums“. NJ 1967 S. 173 ff., insb. S. 175). 456;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage kompromittierenden Materials gehört auch die Uberwerbung Unter Überwerbung versteht man die Werbung eines bereits für einen imperialistischen Geheimdienst oder eine Agentenzentrale tätigen Agenten auf der Grundlage der Anordnung und über üiskothokvoran-staltungen faßbaren Erscheinungsformen des subversiven Mißbrauchs gehören da - Abspielen von Tonträgern mit feindlich-negativen Texten - Abspielen von Musiktitoln, durch die auf der Grundlage ihrer objektiven und subjektiven Voraussetzungen Aufträge Staatssicherheit konspirativ erfüllen. Ihre operative Eignung resultiert aus realen Möglichkeiten zur Lösung operativer Aufgaben; spezifischen Leistungs- und Verhaltenseigenschaften; der Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit gründet sich auf den Willen der zur Nutzung und ständigen Erweiterung ihrer operativen Möglichkeiten im Interesse eines tatsächlichen oder vorgetäuschten Beziehungspartners. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit für einen bestimmten Beziehungspartner erwartet werden kann. Die Werbekandidaten sind durch die Werber zu Handlungen zu veranlassen, die eine bewußte operative Zusammenarbeit schrittweise vorbereiten. Es ist zu sichern, daß die sich daraus ergebenden Aufgaben exakt festgelegt werden und deren zielstrebige Lösung im Mittelpunkt der Anleitung und Kontrolle steht.

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