Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 368

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 368 (NJ DDR 1968, S. 368); denn sie beruht auf dem beiderseitigen Bestreben, zur Erkenntnis der Wahrheit und zur gerechten Anwendung der sozialistischen Gesetze beizutragen. Solange der Beschuldigte bzw. Angeklagte mit seiner Verteidigung nicht aktiv den Verfahrenszielen zuwiderhandelte, drückte auch seine der Anklagevertretung diametral entgegenstehende Auffassung keinen Antagonismus aus. Jedoch war in den ersten Jahren nach Einführung der bisher geltenden StPO der Anteil der Beschuldigten bzw. Angeklagten, die sich aus mangelnder Einsicht mit allen Kräften selbst bis zum Ende des Strafverfahrens der wahrheitsgemäßen Feststellung ihrer Schuld und der gerechten Bestrafung zu entziehen trachteten, noch relativ größer als heute. Auch unter diesem Aspekt war es gerechtfertigt, das Parteiprinzip aufrechtzuerhalten, denn es spiegelte die bisher gegebene strafprozessuale Wirklichkeit richtig wider. Die für eine Ablehnung des Parteiprinzips sprechenden neuen Seiten des Strafverfahrensrechts Die Stellung der gesellschaftlichen Ankläger und Verteidiger Mit dem Rechtspflegeerlaß des Staatsrates vom 4. April 1963 wurde u. a. die Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger im Strafverfahren eingeführt. Diese neuen Formen der unmittelbaren Teilnahme der Bürger am Strafverfahren erfüllen in erster Linie die Aufgabe, dem Gericht die Meinung der Öffentlichkeit bzw. des den Bürger beauftragenden Kollektivs über die Straftat und den Täter mitzuteilen, damit diese bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann. Die unter der Leitung des Gerichts entfaltete Mitwirkung dieser gesellschaftlichen Kräfte wird in Richtung und Umfang allein durch ihren gesellschaftlichen Auftrag bestimmt. Um sie zur Erfüllung dieses Auftrags im Strafverfahren zu befähigen, erhielten sie die strafprozessualen Rechte und Pflichten, die sie in die Lage versetzen, unter Leitung des Gerichts selbständig, dem Willen ihres Kollektivs entsprechend, in der Hauptverhandlung mitzuwirken. Sie haben die Stellung von Prozeßsubjekten. Die Einordnung der gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger in eine Prozeßpartei ist ausgeschlossen1’. S e m 1 e r und Kern heben dazu hervor: „Diese Form der unmittelbaren Teilnahme der Werktätigen an der Rechtsprechung wurde nicht etwa geschaffen, um dem Staatsanwalt als staatlichen Ankläger oder dem Rechtsanwalt als Verteidiger vor Gericht Unterstützung zukommen zu lassen, sondern um entsprechend den Grundsätzen unserer sozialistischen Demokratie neue Möglichkeiten zu schaffen, damit die fortgeschrittensten, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewußten Kräfte der Öffentlichkeit unmittelbar ihre Meinung und Kenntnisse zu einer bestimmten Straftat in die gerichtliche Wahrheitsfindung einfließen lassen können.“7 An dieser Funktion und Stellung dieser neuen Prozeßsubjekte zeigt sich, daß auch das entsprechend den Ge- i* Zu dieser Frage schreiben Semler Kern: „Die aktive Rolle, die die gesellschaftlichen Ankläger bzw. Verteidiger im Gerichtsverfahren ausüben, ihr direkter Einfluß, den sie auf den Ablauf der gerichtlichen Hauptverhandlung nehmen können, entspricht dem Wesen nach etwa dem einer Prozeßpartei.'* Vgl. Rechtspflege Sache des ganzen Volkes, Berlin 1964, S. 108. Auch Beyer / Naumann vertreten die Auffassung, daß die „gesellschaftlichen Ankläger bzw. Verteidiger im Strafverfahren . eine aktive Rolle ausüben, die der einer Prozeßpartei etwa entspricht Etwa entspricht*, weil die unmittelbare Mitwirkung der gesellschaftlichen Kräfte nicht in alte Prozeßfermen gepreßt, ihre Stellung nicht der des Staatsanwalts oder des Rechtsanwalts als Verteidiger gleichgesetzt werden darf und sie nicht die gleichen Rechte und Pflichten haben wie diese.“ (Die Mitwirkung der Werktätigen am Strafverfahren, Berlin 1966, S. 38 f.) Meine im Fernstudienmaterial S. 19 dargelegte Ansicht, wonach der gesellschaftliche Ankläger bzw. Verteidiger in die Prozeßparteien eingegliedert werden sollte, halte ich heute für unrichtig. Semler Kern, a. a. O., S. 114 f. gebenheiten der Strafprozeßordnung von 1952 veränderte Parteiprinzip' diese neuen strafprozessualen Realitäten nicht auszudrücken vermag. Der neuen Sachlage könnte auch keine Erweiterung von Inhalt und Umfang des Begriffs Parteiprinzip“ gerecht werden; denn das Wesen der strafprozessualen Einrichtung „gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“ liegt auf einer ganz anderen Ebene als das durch das Parteiprinzip wiedergegebene semantische Abbild von den Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Prozeß-s Objekten. Seit der Einführung dfer gesellschaftlichen Ankläger und Verteidiger in unseren Strafprozeß besteht ein Mißverhältnis zwischen dem Begriff „Parteiprinzip“ und den darüber hinaus entwickelten Prinzipien des sozialistischen Strafverfahrens. Die Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte Der Grundinhalt der sozialistischen Demokratie besteht in der systematischen Einbeziehung aller Bürger in die Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus. Die neue Strafprozeßordnung bringt in § 4 das sozialistische gesellschaftliche Mitgestalfungs-recht im Grundsatz der unmittelbaren Mitwirkung der Bürger am Strafverfahren zum Ausdruck. Um die Straftat in ihren Zusammenhängen mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu erkennen, richtige Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit festzulegen und geeignete kriminalitätsvorbeugende Maßnahmen in der Umwelt des Täters zu veranlassen, bedürfen die Gerichte der unmittelbaren Mitwirkung der Bürger am Strafverfahren. Somit entspricht das Mitwirkungsprinzip nicht allein dem allgemeingültigen Grundsatz der sozialistischen Demokratie; seine Ausübung gewährleistet zugleich Wahrheit, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit im Hinblick auf die Entscheidung über die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters sowie den fördernden Einfluß des Strafverfahrens auf die Mobilisierung der Bevölkerung zur Verhütung weiterer Straftaten und damit auf die Entwicklung des sozialistischen Staats- und Rechtsbewußtseins. Das Mitwirkungsrecht des Beschuldigten bzw. Angeklagten In der neuen StPO wurde insbesondere die Stellung des Beschuldigten bzw. Angeklagten durch ein umfassend ausgestaltetes Mitwirkungsrecht verändert (§ 15 Abs. 1). Die Inanspruchnahme dieses Rechts, das ihm in jedem Verfahrensstadium erklärt wird, führt ihn gerade über seine aktive Beteiligung zur Erkenntnis des seiner Straftat zugrunde liegenden gesellschaftswidrigen oder gesellschaftsgefährlichen Verhaltens. Mag sich auch der in echter Weise mitwirkende Beschuldigte bzw. Angeklagte von einem anderen Standpunkt aus als die anderen Prozeßsubjekte am Verfahren beteiligen mit seiner Mitwirkung ist er Teilnehmer einer kollektiven Auseinandersetzung, die der Dialektik des Erkenntnisprozesses im Strafverfahren entspricht. Nicht immer geht aber der Beschuldigte bzw. Angeklagte in seinem prozessualen Handeln davon aus, daß ihm das Strafverfahren helfen soll, sich aus dem Widerspruch zur Gesellschaft, in den er sich durch sein Verhalten gesetzt hat, zu befreien. Subjektivistische Vorstellungen veranlassen ihn oft zu einem strafprozessualen Handeln, mit dem er versucht, das Zustandekommen einer gerechten Entscheidung abzuwenden oder aufzuhalten. Der Mitwirkungsgrundsatz verpflichtet den Beschuldigten bzw. Angeklagten nicht, zu seiner Belastung beizutragen; er kann seine Mitwirkung auf seine Verteidigung beschränken. Es müssen daher nicht notwendig Widersprüche zwischen seiner Mitwirkung und den Aufgaben des Strafverfahrens entstehen. Sie treten nur dann auf, wenn der Beschuldigte bzw. Angeklagte seine prozessualen Rechte mißbraucht, um aus subjektivi- 368;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Tatbegehung, der Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten und damit zugleich die - im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuch normierten Subjektanforderungen und - die in den sibjektiven Voraussetzungen der konkreten Strafrechtsnorm enthaltenen Anforderungen. Das sind vor allem die aufgabenbezogene Bestimmung, Vorgabe Übermittlung des Informationsbedarfs, insbesondere auf der Grundlage analytischer Arbeit bei der Realisierung operativer Prozesse, die Schaffung, Qualifizierung und der konkrete Einsatz operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

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