Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 295

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 295 (NJ DDR 1968, S. 295); instanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird. Zweckmäßigerweise sollte jedoch das erstinstanzliche Gericht in diesem Falle veranlaßt werden, die vom Rechtsmittelgericht als notwendig angesehene Gerichtskritik im Zusammenhang mit der erneuten Entscheidung zu üben. Eine solche Verfahrensweise stärkt die Autorität des erstinstanzlichen Gerichts und, wird zugleich der Anleitungsfunktion des Rechtsmittelgerichts besser gerecht. Soweit im erstinstanzlichen Urteil unrichtige Darlegungen enthalten sind bzw. das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht, ist dies im Urteil oder Beschluß zu kritisieren; die Anwendung der Gerichtskritik ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Dagegen kann bei der Durchführung eines Strafverfahrens durch nachgeord-nete Gerichte hinsichtlich anderer Gesetzesverletzungen, die nicht selbst zur Aufhebung des Urteils führen, Gerichtskritik gemäß § 20 StPO (neu) geübt werden. Stellt das zweitinstanzliche Gericht im Rechtsmittelverfahren fest, daß die vom Gericht erster Instanz geübte Gerichtskritik fehlerhaft ist, so hat es ihm seine ab- weichende Auffassung mitzuteilen. Das erstinstanzliche Gericht hat dann die von ihm geübte Gerichtskritik zu überprüfen. An dieser Überprüfung sollten wiederum die Schöffen beteiligt werden, die am Beschluß über die Gerichtskritik mitgewirkt haben. Kommt das erstinstanzliche Gericht zu dem Ergebnis, daß die Gerichtskritik nicht erforderlich war, dann hat es seinen Beschluß aufzuheben und diese Entscheidung dem kritisierten Organ und den Stellen mitzuteilen, denen eine Abschrift der Gerichtskritik übermittelt wurde. Für die Anwendung der Gerichtskritik im Kassationsverfahren gelten grundsätzlich die gleichen Hinweise wie zum Rechtsmittelverfahren. Wenn es sieh auch um ein Strafverfahren besonderer Art handelt, so ist dennoch die Gerichtskritik nicht ausgeschlossen. In der Regel trifft das jedoch nur in solchen Fällen zu, in denen das Strafverfahren im Rahmen des Kassationsverfahrens endgültig abgeschlossen, d. h. keine erneute Verhandlung bei einem Instanzgericht durchgeführt wird. In den anderen Fällen sollte das Kassationsgericht dem Instanzgericht entsprechende Hinweise geben, wenn es eine Gerichtskritik für notwendig erachtet. MARGOT AMBOSS und EVA GEISTER, Richter am Obersten Gericht Prüfung der Schuldfähigkeit Jugendlicher im gerichtlichen Strafverfahren In jedem Strafverfahren gegen einen Jugendlichen sind „seine entwicklungsbedingten 'Besonderheiten“ zu beachten (§ 65 Abs. 3 StGB), unter deren Berücksichtigung die Schuldfähigkeit als persönliche Voraussetzung für seine strafrechtliche Verantwortlichkeit exakt zu prüfen ist (§ 66 StGB). Der Jugendliche muß auf Grund des Entwicklungsstandes seiner Persönlichkeit fähig gewesen sein, sich bei seiner Entscheidung zur Tat von den hierfür geltenden Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen. Damit wird der Verwirklichung des Schuldprinzips (§ 5 StGB) konsequent entsprochen. § 66 StGB ist im Unterschied zum bisherigen § 4 JGG nicht mehr darauf abgestellt, daß der Jugendliche nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung „reif genug“ sein mußte, das Unerlaubte der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, da der Begriff „Reife“ ausschließlich biologischer Natur ist. Im § 66 StGB wird den Erkenntnissen der Psychologie entsprochen, wonach der Jugendliche im sozialen Entwicklungsprozeß auf der Grundlage seiner physischen und psychischen Entwicklung die gesellschaftlichen Normen und Verhaltensregeln nach einer persönlichkeitsspezifischen Verarbeitung als eigenes Wert- und Bezugssystem in-teriorisiert, sie sich als eigene Steuerungsmechanismen aneignet und somit die Fähigkeit erwirbt, sein Handeln nach diesen Normen zu bestimmen1. Es ist also zu prüfen, ob der Jugendliche sich die Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens angeeignet und sie verinnerlicht hat, so daß er bei der Entscheidung zur Tat über die notwendigen Einsichten und Kenntnisse in bezug auf die der Tat zugrunde liegenden gesellschaftlichen Regeln verfügte, und ob er fähig war, 1 Vgl. zu diesem Problem Insbesondere Lekschas, „Die Bewe-gung der Jugendkriminalität in Deutschland und ihre Ursachen“, in: Jugendkriminalität und ihre Bekämpfung in der sozialistischen Gesellschaft, Berlin 1965, S. 29 ff.; Lekschas, „Die Grundzüge von Verantwortung und Schuld“, in: Die Begutachtung und Behandlung erwachsener und jugendlicher Täter, (Medizinisch-juristische Grenzfragen, Heft 9), Jena 1966, S. 22 ff.; Hartmann, ebenda, S. 129 ff.; Hartmann, „Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher untrennbarer Bestandteil der allseitigen Persönlichkeitsforschung“, NJ 1965 S. 476 ff. sein Verhalten und Handeln danach zu steuern. Voraussetzung für das Vorliegen der Schuldfähigkeit ist demzufolge, daß der Jugendliche zur Zeit der Tat auf Grund des erreichten Standes seiner Persönlichkeitsentwicklung über die notwendigen Erkenntnisse und Einsichten verfügt, so daß er fähig ist, zwischen den gesellschaftlichen Normen und denen, die sein strafbares Verhalten bestimmten, abzuwägen und zu differenzieren; Voraussetzung ist ferner, daß der Jugendliche über die erforderlichen Steuerungskräfte verfügt, die ihn befähigt hätten, in der Tatsituation die tatverursachenden Motive willensmäßig zu bewältigen sowie zu beherrschen und sein Verhalten danach zu bestimmen. Dabei ist unerheblich, ob der Jugendliche die entsprechenden Regeln auch für sich als verbindlich anerkennt und von dieser Möglichkeit zur Zeit der Tat Gebrauch gemacht hat. Es handelt sich vielmehr um seine Fähigkeit, sich zwischen verschiedenen gegebenen Möglichkeiten entsprechend den gesellschaftlichen Normen, Werten und Verhaltensweisen entscheiden zu können. Der in § 66 StGB (und ebenso in § 16 StGB) enthaltene Begriff „Entscheidung zur Tat“ ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Begriff in § 6 StGB, wonach der Vorsatz als bewußte Entscheidung zu der im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Tat definiert wird. Unter dem in § 66 StGB enthaltenen Begriff „Entscheidung zur Tat“ ist jedes strafrechtlich relevante Handeln im Sinne der in den §§ 5, 6 und 7 StGB enthaltenen Schuldgrundsätze zu verstehen, wobei die Schuldfähigkeit Jugendlicher entsprechend den speziellen gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich aller objektiven und subjektiven Schuldvoraussetzungen zu prüfen ist. Entwicklungsbedingte Besonderheiten Jugendlicher und Schuldfähigkeit Die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen vollzieht sich in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Verhältnissen und den sozialen Umweltbedingungen im Zusammenwirken mit den allgemein alterstypischen und den individuellen Besonderheiten, auf die be- 295;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 295 (NJ DDR 1968, S. 295) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 295 (NJ DDR 1968, S. 295)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Im Prozeß der Leitungstätigkeit gelangt man zu derartigen Erkenntnissen aut der Grundlage der ständigen Analyse des Standes der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin ist verantwortlich für die Wahrnehmung der Federführung bei der wirksamen und einheitlichen Durchsetzung des Untersuchungshaftvolzuges im Staatssicherheit . In Wahrnehmung seiner Federführung hat er insbesondere zu gewährleisten: die ständige aktuelle Einschätzung der politisch-operativen Lage im Zusammenhang mit der operativen Aktion oder dem operativen Sicherungs eins atz, die qualifizierte Erarbeitung der erforderlichen Leitungsdokumente wie Einsatzpläne, Inforraations-ordnung sowie weiterer dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie der mit der Einschätzung der politisch operativen Lage erkannten Erfordernisse und Bedingungen der politisch-operativen Sicherung des Jeweiligen Verantwortungsbereiches und die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung in diesem Stadium der Untersuchungen läßt sich nicht begründen, wenn sich der befragte Mitarbeiter dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.

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