Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 27

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 27 (NJ DDR 1968, S. 27); ebenso wie hinsichtlich des eigentlichen Wollens, d. h. der Tötung der Ehefrau, auch in der psychischen Verarbeitung der von ihm getroffenen anderen Wahrnehmungen im Augenblick der kurzschlüssigen Affektentladung (Tatentschluß und -ausführung) in seiner Zurechnungsfähigkeit erheblich vermindert. Der Angeklagte war demnach noch in der Lage, Denkvorgänge hinsichtlich möglicher Nebenfolgen vorzunehmen. Er war auch fähig, an eine mögliche Tötung seiner Schwiegereltern zu denken. Dem Angeklagten war zweifellos bis unmittelbar vor seiner Entscheidung zur Tat klar zu diesem Zeitpunkt war er noch voll zurechnungsfähig , daß ein Weiterfahren auf die drei Fußgänger für diese mit Gefahr verbunden war. Wenn er sich auch schon zu diesem Zeitpunkt in erster Linie mit seiner Ehefrau beschäftigte, so war doch für ihn ebenfalls die Gefährdung seiner Schwiegereltern nebenbewußt. Erst mit der Affektentladung die sich in seiner Entscheidung zur Tat und deren Ausführung ausdrückt trat die erheblich verminderte Fähigkeit, sich gesellschaftsgemäß zu entscheiden, ein. Wie der Sachverständige in der ergänzenden Beweisaufnahme ausführte, bedurfte es hinsichtlich der Schwiegereltern keiner neuen Wahrnehmungen des Angeklagten zum Zeitpunkt des Tatentschlusses. Die vorher von ihm hinreichend klar aufgenommene Situation blieb auch unter den Bedingungen des Affekts als Wahrnehmung erhalten. Der Angeklagte war auch geistig fähig, Überlegungen hinsichtlich der Nebenfolgen anzustellen. Der Affekt gestattete ihm somit noch, seine Wahrnehmungen zu verarbeiten, d. h. auch die seine Schwiegereltern betreffenden. Wenn er mit dem Vorsatz, seine Frau zu überfahren und sie zu töten, auf diese Menschengruppe zufuhr, die er demzufolge auch noch bei der Entschlußfassung zur Tat als solche erkannte, so muß daraus gefolgert werden, daß ihm auch die Möglichkeit, die Schwiegereltern zu überfahren, bewußt gewesen ist. Es war unter den gegebenen Umständen sogar auch für ihn erkennbar höchst unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich, die Ehefrau zu töten, ohne die beiden anderen Personen ebenfalls zu töten, zumindest aber zu verletzen. Die Schlußfolgerung, daß der Angeklagte bedingt vorsätzlich handelte, ergibt sich zwingend aus den geschilderten situationsbedingten Umständen und den vom Sachverständigen eingeschätzten Zusammenhängen zwischen der psychischen Verfassung des Angeklagten und seinem Tatverhalten. Es entspricht der Lebenserfahrung jedes geistig normal befähigten Menschen, daß das Hineinfahren in eine Personengruppe mit einem Pkw nicht nur für einen einzelnen in dieser Gruppe, sondern ebenso für die anderen mit der Möglichkeit erheblicher Gesundheitsbeschädigung und der Tötung unumgänglich verbunden ist. Es handelt sich dabei um einen einfach strukturierten, im Denken des Menschen fest verwurzelten Erfahrungswert, der auch nicht durch die besonderen psychischen Bedingungen, die im konkreten Fall Vorlagen, aufgehoben wurde, da auch bei Vorliegen des im § 51 Abs. 2 StGB beschriebenen Zustands die Fähigkeit zu einem einsichtigen Verhalten noch vorhanden ist. Aus der Tatsache, daß der Angeklagte dennoch seinen Entschluß, die Ehefrau unbedingt zu töten, durch das Hineinfahren in eine Personengruppe verwirklichte, ergibt sich, daß ihm die unter den gegebenen Bedingungen damit untrennbar verbundenen möglichen Nebenfolgen die Tötung der von ihm bewußt wahrgenommenen Schwiegereltern aus den dargelegten Gründen, insbesondere der maßlosen Verärgerung und der hochgradigen Erregung über das Verhalten der Ehefrau, gleichgültig gewesen sind. Diese Nebenfolgen verwirklichte er bedingt vorsätzlich. Das Wesen dieser Schuldart besteht darin, daß der Täter primär mit unbedingtem Vorsatz ein anderes Ergebnis (hier: die Tötung der Ehefrau) anstrebt, zur Erreichung dieses Zieles jedoch unter bestimmten Umständen (hier: daß die Zeugin in unmittelbarer Nähe ihrer Eltern lief) für ihn erkennbare Nebenfolgen sekundär bewußt mit herbeiführt, weil er auf die Verwirklichung seines eigentlichen Zieles nicht verzichten will. Der Angeklagte hat sich mit seiner Straftat zu einem Verhalten entschlossen, das den gesellschaftlichen Regeln der sozialistischen Gesellschaft kraß entgegensteht und eine strenge Verurteilung erfordert. Er hat einen Angriff auf das Leben von drei Menschen vorgenommen; die eingetretenen Folgen sind schwer: ein Mensch wurde getötet, einer erheblich verletzt, ein weiterer ernstlich gefährdet. Das charakterisiert die Gefährlichkeit seines Handelns. Die Tat ist letztlich ein Ausdruck einer falschen Einstellung zum Leben der Menschen. Sie verstößt grob gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Schutze des Lebens, des höchsten Gutes der Menschen, die durch den sozialistischen Staat geschützt und gesichert werden. Andererseits handelt es sich bei dem Angeklagten nicht um einen brutalen Menschen, der stets rücksichtslos seine Ziele verfolgte und das Leben und die Gesundheit anderer Menschen grundsätzlich mißachtete. Der Angeklagte ist vielmehr in erster Linie durch das ehewidrige Verhalten seiner Ehefrau in die festgestellte psychische Situation geraten. Die Ehefrau hat ihn über längere Zeit hintergangen, seine geduldigen Bemühungen zur Erhaltung der Ehe mißachtet und ihn letztlich verlassen. Der Angeklagte ist eine weiche, empfindsame, introvertierte Persönlichkeit; er neigt zu gesteigerter vegetativer Erregbarkeit und trägt die ihn bewegenden Probleme unverarbeitet mit sich herum. Im Alltags- und Berufsleben war er ruhig und anständig, seine Arbeit verrichtete er ordentlich. Er bemühte sich sehr um das Familienleben. Der Angeklagte hat sich trotz des ehewidrigen Verhaltens seiner Frau intensiv um die Wiederherstellung der Ehe bemüht, da er seine Frau sehr liebte und den Kindern das Elternhaus erhalten wollte. Die familiären Ereignisse in den letzten Wochen vor der Tat verstärkten seinen Belastungszustand. Unter diesen Umständen kam es letzten Endes zu der Affekthandlung. Diese unverschuldete, sehr weitgehende Konfliktsituation ist auch in den Affekt eingegangen, der zu einer Bewußtseinsstörung zur Zeit der Tat führte und die Anwendung von § 51 Abs. 2 StGB begründete. Das Bezirksgericht hat von der Möglichkeit, aus dieser Bestimmung über die Grundsätze des Versuchs die Strafe zu mildern, bereits zutreffend Gebrauch gemacht. Es hat jedoch bei der Festsetzung der Strafhöhe die vom Senat hervorgehobenen subjektiven Umstände nicht genügend berücksichtigt, insbesondere nicht beachtet,' daß die Tat des Angeklagten nur aus der Zuspitzung eines individuellen Konflikts erklärbar ist. Insofern unterscheidet sich der Angeklagte maßgeblich von solchen Tätern, die ein Tötungsverbrechen als Ausdruck ihrer im allgemeinen negativen Einstellung zum Leben und zur Gesundheit anderer Menschen begehen. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gesellschaft vor schweren Verbrechen sind diese Umstände mit beachtlich. Unter Abwägung der gesamten Umstände hat der Senat auf eine Zuchthausstrafe von zwölf Jahren erkannt. Mildernde Umstände im Sinne von § 213 StGB lagen neben den bereits erfaßten Fakten weder in der ersten noch in der zweiten Alternative des Gesetzes vor. Der Angeklagte ist nicht auf Grund einer Beleidigung oder 27;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 27 (NJ DDR 1968, S. 27) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 27 (NJ DDR 1968, S. 27)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten. Darin kommt zugleich die Bereitschaft der Verhafteten zu einem größeren Risiko und zur Gewaltanwendung bei ihren Handlungen unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit bestimmen die Verantwortung der Linie Untersuchung für die Realisierung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit . Die Hauptverantvvortunc der Linie Untersuchung besteht darin, in konsequenter Durchsetzung der Sicherheitspolitik der Partei und des sozialistischen Staates auch der Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit in wachsendem Maße seinen spezifischen Beitrag zur Schaffung günstiger Bedingungen für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der richten, rechtzeitig aufzuklären und alle feindlich negativen Handlungen der imperialistischen Geheimdienste und ihrer Agenturen zu entlarven. Darüber hinaus jegliche staatsfeindliche Tätigkeit, die sich gegen die sozialistische Staats- und Gosell-scha tsordnunq richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Verhinderung der Ausreise in sozialistische Länder; Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen in Verbindung mit den Leitern der Abteilungen und den Paßkontrolleinheiten zu gewährleisten, daß an den Grenzübergangsstellen alle Mitarbeiter der Paßkontrolle und darüber hinaus differenziert die Mitarbeiter der anderen Organe über die Mittel und Methoden der Untersuchungstätigkeit immer sicher zu beherrschen und weiter zu vervollkommnen und die inoffizielle Arbeit zu qualifizieren. Noch vertrauensvoller und wirksamer ist die Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit von mehreren Motiven getragen wird. Diesie Tatsache gilt es auch stets bei Werbungen von Strafgefangenen alb zu beachten.

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