Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 242

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 242 (NJ DDR 1968, S. 242); zwungen sein sollen, einen Prozeß gegen ihren Willen weiterzuführen. Deswegen sollte auch im neuen Zivilverfahrensrecht von einigen Ausnahmen abgesehen die Klagerücknahme weiterhin in das Belieben des Klägers gestellt sein. Auf den Vergleichsabschluß bzw. das Anerkenntnis üben die Gerichte bereits jetzt einen größeren Einfluß aus, so daß diese in aller Regel nicht mehr als willkürliche Beschränkungen der richterlichen Prüfungstätigkeit angesehen werden können. Für das künftige Verfahrensrecht ist vorgeschlagen worden, daß der gerichtliche Vergleich als Vollstreckungstitel zu seiner Wirksamkeit der ausdrücklichen gerichtlichen Bestätigung bedarf, wie es im familienrechtlichen Verfahren und in den Verfahrensordnungen der meisten sozialistischen Staaten bereits vorgesehen ist. Passives Verhalten führt nach geltendem Recht meist zu fiktiver Klagerücknahme bzw. zur Fiktion der Richtigkeit der klägerischen Behauptungen. Die Praxis hat es allerdings verstanden, auf solchen Fiktionen beruhende Versäumnisurteile weitgehend zu vermeiden. Im neuen Verfahrensrecht wird das Versäumnisurteil zweifelsohne nicht mehr enthalten sein. Damit sind allerdings die Schwierigkeiten der Sachverhaltsfeststellung und der rechtlichen Würdigung bei passivem Verhalten nicht völlig ausgeräumt; denn die mangelnde Aktivität der Prozeßparteien kann nur selten durch eine erhöhte Aktivität des Gerichts ersetzt werden. Jedenfalls kann trotz einiger Einschränkungen doch wohl gesagt werden, daß im erstinstanzlichen Verfahren das Dispositionsprinzip die objektiv richtige Feststellung des Sachverhalts und die umfassende rechtliche Beurteilung nicht so einschränkt, daß die Wahrung dieser Grundsätze ernstlich gefährdet wäre. Etwas anders liegen die Dinge im Berufungsverfahren. Hier spielen die Dispositionen der Parteien und insbesondere die unterlassenen Dispositionen eine größere Rolle. Der Grundsatz des § 525 ZPO, nach dem die Verhandlung der Sache in den Grenzen der Anträge erfolgt, schränkt die Überprüfungsmöglichkeiten des Berufungsgerichts wesentlich ein2. Fehlerhafte rechtliche Würdigung und Verstöße gegen die objektive Wahrheit müssen unberücksichtigt bleiben, wenn es an einem Antrag fehlt, der eine entsprechende Korrektur des auf diesen falschen Voraussetzungen beruhenden Urteilstenors begehrt. Die dem Berufungsgericht vom Rechtspflegeerlaß aufgetragene Anleitung und Kontrolle der erstinstanzlichen Gerichte wird zweifellos erschwert, wenn die Berufungsgerichte erkanntes Unrecht nicht nur hinnehmen, sondern ausdrücklich bestätigen müssen, sofern es an einem entsprechenden Antrag fehlt. Es ist natürlich richtig, daß solche im Berufungsurteil nicht behebbaren Fehler im Wege der Gerichtskritik gerügt werden können; es muß aber auf den betroffenen Bürger einen merkwürdigen Eindruck machen, wenn solche Fälle zwar „gerügt“, Konsequenzen zu seinen Gunsten daraus aber nicht gezogen werden. Das kann dazu führen, daß das Vertrauen der Bürger zur Justiz beeinträchtigt wird. Auch die Anlei tungs- und Kontroll-funktion verliert an Wirksamkeit, wenn sie nur zu theoretischen Erörterungen, nicht aber zu konkreten Maßnahmen in Form der Änderung und Aufhebung der falschen Entscheidung führt. Diese Wirkungen werden besonders kraß; wenn einerseits Bindung an den Antrag besteht, andererseits aber 2 Die Frage tier Bindung des Ka.ssationsgerichts muß dabei außer Betracht bleiben; denn die Gegner des Kassationsantrags können auf Grund ihrer Stellung im Kassationsverfahren nie mehr als die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung beantragen. Sie können höchstens ihrerseits die Kassation des Urteils zu ihren Gunsten anregen. auch der Gegenangriff in Form der Anschlußbenifung ausgeschlossen ist, wie das z. B. in der österreichischen Zivilprozeßordnung der Fall ist. Der Umfang des Berufungsverfahrens wird bei einer solchen Regelung ausschließlich von der Aktivität des Berufungsklägers bestimmt; der Berufungsverklagte, der nicht rechtzeitig gleichfalls Berufung eingelegt hat, kann nichts mehr unternehmen, welche Fehler auch immer zu seinen Ungunsten unterlaufen sein mögen. Bei uns ist das Problem nicht so deutlich geworden, weil das Berufungsverfahren den Gegenangriff in Form der an keine Frist gebundenen Anschlußberufung kennt. Da für das Rechtsmittelverfahren bis jetzt noch Anwaltszwang besteht, kann in der Praxis fast immer damit gerechnet werden, daß der Berufungsverklagte, der gleichfalls Grund hat, mit der ergangenen Entscheidung unzufrieden zu sein, Anschlußberufung eingelegt hat. Hinzu kommt, daß die Gerichte, die die zuungunsten des Berufungsverklagten unterlaufenen Fehler zu erkennen glauben, verpflichtet sind, ihn gern. § 139 ZPO darauf aufmerksam zu machen und ihm Gelegenheit zu geben, Anschlußberufung zu erheben. Der erheblichste Mangel dieser Regelung besteht jedoch darin, daß die Anschlußberufung ihre Wirkung verliert, wenn der Berufungskläger die Berufung zurücknimmt oder wenn diese als unzulässig verworfen wird. In beiden Fällen kann das Berufungsgericht das im erstinstanzlichen Urteil enthaltene Unrecht nicht mehr beseitigen. Bei der Rücknahme der Berüfung hängt dieses Ergebnis sogar völlig vom Willen des Berufungsklägers ab; er kann es jederzeit erreichen, wenn er bemerkt, daß die Sache für ihn „schiefzulaufen“ beginnt. Derartige Methoden stellen einen Mißbrauch von Verfahrensvorschriften dar und sind deshalb für die Rechtsprechung eines sozialistischen Staates untragbar. Bei den Vorarbeiten am neuen Verfahrensrecht wurden daher vielfach Auffassungen vertreten, die eine mehr oder weniger starke Einschränkung der Bindung an die Anträge im Berufungsverfahren fordern. Diese Ansicht ist aber nicht unwidersprochen geblieben. Für die Beibehaltung der Bindung an die Anträge werden hauptsächlich zwei einander widersprechende Argumente geltend gemacht. Das eine geht dahin, daß durch die Beibehaltung der Anschlußberufung praktisch ungefähr dasselbe wie durch die Überprüfung des gesamten angefochtenen Urteils von Amts wegen erreicht werden könne. Das andere Argument ist, daß die mit der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung von Amts wegen verbundene Möglichkeit der reformatio in pejus bedenklich sei und die Bürger in unzulässiger Weise davon abhalten könnte, von ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen. Reformatio in pejus oder Anschlußberufung? Hält man die reformatio in pejus wirklich für so bedenklich, so muß man auch die Anschlußberufung versagen, wie z. B. in unserem Strafprozeß, wo der Staatsanwalt nach Ablauf der Protestfrist auch zum Nachteil des Angeklagten nichts mehr unternehmen kann. Ich halte es aber für sehr problematisch, das Modell des Strafprozesses auf unser neues Zivilverfahren zu übertragen. Die Frage der reformatio in pejus kann im Zivilprozeß nur auftreten, wenn das Urteil beide Parteien beschwert, also keine Partei mit ihren Anträgen voll durchgedrungen, ist. Hat eine Partei in vollem Umfange öbgesiegt, so ist sie niemals benachteiligt und kann daher auch keine Berufung einlegen. Die andere Partei kann aber bei Berufungseinlegung keine reformatio in pejus treffen, weil ihre Situation durch das Berufungsurteil nur verbessert werden kann. Eine Beschwer beider Prozeßparteien kann der 242;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 242 (NJ DDR 1968, S. 242) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 242 (NJ DDR 1968, S. 242)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel auf diese Schwerpunkte wirksamer durchzusetzen und schneller entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Es besteht doch, wie die operative Praxis beweist, ein unterschied zwischen solchen Schwerpunkten, die auf der Grundlage des Strafvollzugs- und Wiedereingliedaungsgesetzes sowie der Durchführungsbestimmung zu diseiGesetz erlassenen Ordnungs- und Verhaltensregeln. Die Leiter der Abteilungen haben die unmittelbare Durchsetzung der Ordntmgfuli auf. Die Leiter der Abteilungen haben durch entsprechende Festlegungen und Kontrollmaßnahmen die Durchsetzung dieses Befehls zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben haben die Leiter der Abteilungen eng mit den Leitern der Abteilungen der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen am, zum Thema: Die politisch-operativen Aufgaben der Abteilungen zur Verwirklichung der Aufgabenstellungen des Genossen Minister auf der Dienstkonferenz am Genossen! Gegenstand der heutigen Dienstkonferenz sind - wesentliche Probleme der internationalen Klassenauseinandersetzung und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem für das Untersuchungsorgan unmittelbar ergebenden Möglichkeiten zum Schutze des Vermögens und der Wohnung inhaftierter Personen, wen. dieses sich aufgrund der Inhaftierung erforderlich macht.

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