Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 213

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 213 (NJ DDR 1968, S. 213); nur die anwesenden 94 SPD-Abgeordneten von insgesamt 120 (auch von ihnen waren mehrere verhaftet worden) dagegen15. Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“16 ermächtigte die Reichsregierung und das ging über die in der Weimarer Republik anfänglich geübte Ermächtigungspraxis weit hinaus , nicht nur wie ehedem gesetzesvertretende Verordnungen, sondern sogar Reichsgesetze zu beschließen (Art. 1). Hinzu kam, daß diese Gesetze auch von der Reichsverfassung abweichen, also verfassungsändernden Charakter tragen konnten, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats sowie die Rechte des Reichspräsidenten zum Gegenstand hatten (Art. 2). Damit besaß die Reichsregierung die Funktion des Verfassungsgesetzgebers: Die Exekutive war scheinlegal zum unumschränkten Inhaber der staatlichen Macht geworden17. Von ihrem Standpunkt aus folgerichtig haben faschistische Staatsrechtslehrer dieses „Gesetz“ als „vorläufige Verfassung“, als „das erste Grundgesetz des neuen Reiches“18 bezeichnet. Der bis dahin gültige bürgerliche Gesetzesbegriff hatte damit jegliche Berechtigung verloren19. Selbst die Feststellung des jährlichen Haushaltsplans durch Gesetz und die Kreditbewilligung waren dem Parlament soweit man von einem solchen noch sprechen konnte nicht einmal mehr formal verblieben. Doch die Nazis gingen bei der Handhabung dieses Gesetzes sogar über die praktisch grenzenlose Ermächtigung noch hinaus. So verstießen beispielsweise die Abschaffung des Reichsrats im Februar 1934 und die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers im August 1934 gegen den Wortlaut des Ermächtigungsgesetzes. Nach dem Erlaß des „Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 479) setzte sich der Reichstag im Widerspruch zum Ermächtigungsgesetz nur noch aus Anhängern der Nazipartei zusammen. Dieser verlängerte das ursprünglich auf vier Jahre befristete Ermächtigungsgesetz 1937 und 1939 (nach der Okkupation Österreichs) jeweils um vier Jahre. Im Jahre 1943 schließlich „bestimmte“ der „Führer“ den unbefristeten Fortgang dieser Ermächtigung für sich selbst. Als Fazit der Erfahrungen aus der Weimarer Republik und der Naziherrschaft ergibt sich: Das juristische Instrumentarium zur Beseitigung der bürgerlich-demokratischen Verhältnisse, der Rechte und Freiheiten der Staatsbürger war das sog. Notstandsrecht. Alle Beteuerungen westdeutscher Politiker, die Bonner Notstandsgesetzgebung diene dem „Schutz der Demokratie“, is Allerdings muß betont werden, daß Otto Wels namens der SPD-Fraktlon ausdrücklich der Außenpolitik Hitlers zustimmte. Viele der damaligen bürgerlichen Abgeordneten, die gegenüber dem deutschen Volke und gegenüber anderen Völkern durch ihre Zustimmung zu der Hitlerschen Terrorpraxis schwere Schuld auf sich geladen haben, sind nach 1945 in Westdeutschland wieder. zu hohen und höchsten Würden gelangt, so u. a. der ehemalige Bundespräsident Heuß. Im übrigen vgl. zu den Einzelheiten: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, Berlin 1966, S. 28 f. 16 Die Formulierung „Not von Volk und Reich“ wurde übrigens aus dem Ermächtigungsgesetz vom 8. Dezember 1923 (RGBl. I S. 1179) übernommen (§ 1). n Giese hatte bereits 1926 in seinem Kommentar (a. a. O., S. 39) auf „beachtenswerte Wandlungen“ in der Verfassungspraxis hingewiesen. Es heißt dort: „Der Reichstag vermag den verfassungsrechtlichen Vorrang vor den Regierungsorganen nicht zu behaupten. Letztere, nach der Verfassung vom Reichstag abhängig, erheben sich zu selbständiger, Ja bisweilen eigenmächtiger Größe. Die Reichsregierung gewinnt gegenüber dem Reichstag die führende Rolle und übernimmt zeitweilig (im Winter 1923/24) sogar die gesetzgebende Gewalt.“ 18 Carl Schmitt, Staat-Bewegung-Volk, Hamburg 1933, S. 6; Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, Hamburg 1939, S. 43. 19 „Das Gesetz erhält als Führungsakt einen völlig neuen Sinn im System des Ursprungsdenkens. Es ist nicht mehr wesentlich generell abstrakte Norm, sondern oberster völkischer Wert“ (Walz, Artgleichheit gegen Gleichartigkeit, Hamburg 1938, S. 42). vermögen nicht, die geschichtliche Wahrheit aus der Welt zu schaffen, daß derartige Gesetze stets von den damals wie heute in Westdeutschland herrschenden imperialistischen Kräften gegen die Demokratie eingesetzt werden. Bei allen Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetzgebung geht es also nicht um juristische Konstruktionen, sondern in Wahrheit um die Frage, von welchen Kräften die Macht im Staate ausgeübt wird. Bonner Notstandsverfassung und die Verschleierungstaktik der SP-Ffihrung In Westdeutschland zeigt sich gegenwärtig deutlich wie nie zuvor, daß die Kluft zwischen den demokratischen und friedlichen Interessen des Volkes und den Machtinteressen des Großkapitals und seiner Militaristen unüberbrückbar ist. „Die Widersprüche des vom Monopolkapital beherrschten Gesellschaftssystems treten schärfer hervorDie Reaktion hat sich zum An- griff gegen das Volk formiert, immer drohender wird die Gefahr des Neonazismus.“20 Dieser gefährlichen Entwicklung muß rechtzeitig Einhalt geboten werden. Die große Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung, von der nach Art. 20 des Grundgesetzes „alle Staatsgewalt“ ausgehen soll, wehrt sich in zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen und Protestaktionen gegen die politische und soziale Reaktion und erhebt demgegenüber die Forderung nach demokratischen Veränderungen. Der Kampf gegen die Notstands Verfassung ist dabei zu einem der wichtigsten Kristallisationspunkte der außerparlamentarischen Opposition geworden. Nachdrücklich betonen die demokratischen Kräfte der Bundesrepublik die Rechtmäßigkeit ihrer Aktionen, „weil sie sich gegen eine friedensbedrohende, verfassungswidrige, auf Diktatur abzielende Herrschaft und Politik richten und weil die Volksinteressen innerhalb des westdeutschen Parlaments heute keinerlei Vertretung mehr finden“21. Um die Öffentlichkeit über den Charakter der Notstandsgesetzgebung zu täuschen, die Widerstandsfront der Notstandsgegner aufzusplittern und einen weiteren Zusammenschluß der demokratischen Kräfte zu verhindern, veranstalteten der Rechtsausschuß und der Innenausschuß des Bundestages im November und Dezember 1967 öffentliche Informationssitzungen, sog. Hearings22, zum Komplex der Notstandsverfassung. Bereits das Thema der ersten beiden Hearings „Die Notwendigkeit und der Umfang einer Grundgesetzergänzung für den Notstand“23 ließ die damit verfolgten demagogischen Absichten offenkundig werden. Die Notstands Verfassung ist nämlich keine Ergänzung des Bonner Grundgesetzes, sondern seine totale Umstülpung: „Die geplante Notstands-Verfassung ist keine Verfassungs-Änderung im herkömmlichen Sinn, bei der 20 Aus dem Entwurf des Programms der Kommunistischen Partei Deutschlands, ND vom 13. Februar 1968, S. 3. Wie rasch die Renazifizierung voranschreitet, zeigen folgende Zahlen: Die offen neonazistische NP hat gegenüber 1213 Mitgliedern im Jahre 1965 heute bereits 35 000 Mitglieder. Die „Große Koalition“ hat diese Entwicklung nicht im geringsten aufgehalten, im Gegenteil: Seit dem 1. Dezember 1966 konnte die NP bei Landtagswahlen 26 Mandate gewinnen (davon in Niedersachsen 10, in Schleswig-Holstein 4, in Rheinland-Pfalz 4, in Bremen 8), während zur gleichen Zeit die Sozialdemokraten 18 Landtagsmandate verloren (in Niedersachsen 7, in Rheinland-Pfalz 4, in Bremen 7). Insgesamt erreichte die NP bei Landtagswahlen 1966/67 über 1,4 Mill. Stimmen, während für die Nazipartei bei den Wahlen 1928 in ganz Deutschland nur 810 000 Wähler gestimmt hatten. Bei den nächsten Bundestagswahlen 1969 will die NP mindestens 40 bis 50 Abgeordnetenmandate erringen. 21 Aus der Erklärung des Staatssekretariats für westdeutsche Fragen, ND vom 24. Februar 1968, S. 6. 22 Das Modell für diese öffentlichen Sitzungen lieferten die „hearings" der Ausschüsse des US-Kongresses. 23 Vgl. Protokolle der 1. und 2. öffentlichen Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 9. und 16. November 1967. 213;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 213 (NJ DDR 1968, S. 213) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 213 (NJ DDR 1968, S. 213)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Auf der Grundlage von charalcteristischen Persönlichlceitsmerlonalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden.

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