Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 140

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 140 (NJ DDR 1968, S. 140); Kinde Vorbild sein kann. In diesem Falle war der Entzug des Erziehungsrechts nicht gerechtfertigt8. Werden Eltern wegen eines am Kinde verübten Verbrechens. strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so haben sie nicht mehr wie nach der früheren Regelung des § 1680 BGB kraft Gesetzes das Erziehungsrecht verwirkt. Die UnWiderruflichkeit der Folgen und die schematische Verbindung mit einer bestimmten Strafhöhe wurden in der Vergangenheit zu Recht kritisiert. Die jetzige Regelung, nämlich die Durchführung eines selbständigen familienrechtlichen Verfahrens, ermöglicht es, die im konkreten Falle vorliegenden Umstände besser zu berücksichtigen. Bei Strafrechtsverletzungen dieser Art oder bei einer Verurteilung wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflichten ist stets zu prüfen, ob familienrechtliche Maßnahmen nach §§ 50, 51 FGB eingeleitet werden müssen. Zur Entwicklungsgefährdung Die schwere Verletzung der elterlichen Pflichten muß die Entwicklung des Kindes gefährden. Diese Folge wird bei fortwährenden Verstößen gegen elementare elterliche Pflichten meist gegeben sein, da das Gesetz nicht den Eintritt eines Entwicklungsschadens, sondern lediglich die Herbeiführung einer Gefährdungssituation voraussetzt. Für das Kind muß die Gefahr bestehen, den seinem Alter entsprechenden Entwicklungsstand in den Grenzen seiner individuellen Leistungsmöglichkeiten nicht zu erreichen. Das wird z. B. dann der Fall sein, wenn durch die fortgesetzte Mißachtung der Bedürfnisse des Kindes Bedingungen geschaffen werden, die der altersgerechten, individuell möglichen Entwicklung der körperlichen, geistigen, psychischen und sozialen Fähigkeiten entgegenwirken. Zu nachweisbaren Ent-/ Wicklungsrückständen müssen diese Bedingungen noch nicht geführt haben. Einige Fragen der Schuld nach § 51 FGB Die elterlichen Pflichtverletzungen müssen schuldhaft begangen werden. Für das Familienrecht sind die Fragen der Schuld bisher weder normativ noch theoretisch ausgearbeitet worden. Auch die Rechtsprechung hat sich noch nicht grundsätzlich dazu geäußert. Da das Verschulden aber beim Entzug des Erziehungsrechts eine Rolle spielt und sich in den gerichtlichen Entscheidungen insoweit Unsicherheiten zeigen, ist es erforderlich, diese Frage aufzugreifen. Die bisher in der Philosophie7, im Strafrecht8 und Zivilrecht9 gewonnenen Erkenntnisse über Verantwortung, Verantwortlichkeit und Schuld sollten dabei berücksichtigt werden. Obwohl im Familienrecht bei fehlender gesetzlicher Regelung für bestimmte Sachverhalte oft auf das Zivil-recht zurückgegriffen wird, entspricht das Verschulden nach § 51 FGB seinem Wesen nach eher den Grundsätzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als denen der zivilrechtlichen10. Das Zivilrecht regelt hauptsächlich Äquivalenzverhältnisse in Gestalt von Ware-Geld-Beziehungen. Der Inhalt der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit muß mithin im Ausgleich eines materiellen 6 vgl. hierzu auch das in einem Verfahren mit ähnlicher Problematik ergangene Urteil des Stadtgerichts von Groß-Berlin vom 30. Januar 1967 3 BF 198/66 Jugendhilfe 1967, Heft 5, S. 152 ff. 7 Vgl. hierzu Weiler, „Zur Kategorie Verantwortung“, Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1965, Heft 8, S. 989 ff. 8 vgl. hierzu Lekschas / Loose / Renneberg, Schuld und Verantwortung im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964, und Lekschas, „Die Regelung des Schuldprinzips im StGB-Entwurf“, NJ 1967 S. 137 ff. 9 Vgl. hierzu Kietz / Mühlmann, „Zur Konzeption des Verschuldens im Zivilrecht“, NJ 1966 S. 310 ff. 10 Vgl. dazu auch Eberhardt, „Zu einigen Ergebnissen der Diskussion über den FGB-Entwurf“, NJ 1966 S. 10. Schadens auf der Grundlage der Äquivalenz bestehen11. Die Verantwortlichkeit nach § 51 FGB entspricht jedoch keinen Äquivalenzbeziehungen, sondern den individuellen Pflichten der Eltern, die. sich aus ihrem Erziehungsrecht ergeben. Bei ihr muß ebenso wie im Strafrecht geprüft werden, ob die Erziehungsberechtigten die Möglichkeit zu pflichtgemäßem Handeln hatten und ihre elterlichen Pflichten entgegen ihren Möglichkeiten verletzten12. Unter dieser Voraussetzung sind die Pflichtverletzungen vorwerfbar und das Verhalten der Eltern verantwortungslos. Schuldhaftes Handeln nach § 51 FGB würde also vorliegen, wenn die Eltern sowohl von ihren objektiven Lebensumständen als auch von ihren persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen her dazu in der Lage waren, den Anforderungen aus dem Erziehungsrecht gerecht zu werden, und sie sich trotzdem zu dem pflichtwidrigen Handeln entschieden haben. Im Unterschied zum Strafrecht erstreckt sich die Schuld nach § 51 FGB nicht auf die Folgen des rechtlich relevanten Handelns, sondern nur auf die Pflichtverletzungen selbst. Die Entwicklungsgefährdung des Kindes ist zwar ein objektives Erfordernis für den Entzug des Erziehungsrechts, sie braucht aber vom Verschulden nicht umfaßt zu sein. Deshalb sollte man m. E. auch nur von bewußter und unbewußter Pflichtverletzung sprechen. Die Unterscheidung der Schuldarten ist bei § 51 FGB ohnehin nicht von großer Bedeutung. Jan'sen hat bereits darauf hingewiesen, daß „von der Schuldform schlechthin (nicht) die Qualifizierung als schwere schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 51 FGB abhängt“13. Schließlich trifft auch für den Entzug des Erziehungsrechts zu, was Kietz/Mühlmann für das zivilrechtliche Verschulden feststellten, daß nämlich die Folgen der Verantwortlichkeit nicht nach der Schuldart differenziert werden14. Ob die schweren Pflichtverletzungen in der einen oder anderen Schuldart begangen wurden das Gericht hat nur zwischen dem Entzug des Erziehungsrechts oder der Klagabweisung zu entscheiden. Von Bedeutung ist jedoch die Abgrenzung zwischen Schuld und Nichtschuld. Hier tritt die Frage auf, ob die unbewußte Pflichtverletzung uneingeschränkt im Sinne der herkömmlichen Definition15 gelten soll oder ob die Grenze zur Nichtschuld enger gesteckt werden muß. Bei dem Charakter des Erziehüngsrechtsentzugs als schwerste Maßnahme gegen pflichtwidrig handelnde Eltern und bei den hohen Anforderungen, die das Gesetz an diese Entscheidung stellt, muß sich m. E. die Schwere der Pflichtverletzungen auch subjektiv in der Haltung der Eltern widerspiegeln. Es wird zwar nicht möglich sein, die Schuld nur auf bewußte Pflichtverletzungen zu beschränken, aber unbewußte Pflichtverletzungen sollten nur dann zum Entzug des Erziehungsrechts führen, wenn das Nichtwissen auf grobe Nachlässigkeit und eine verantwortungslose Einstellung zu den elterlichen Pflichten zurückzuführen ist. Die von der Strafrechtswissenschaft zur unbewußten Fahrlässigkeit ausgearbeiteten Kriterien16 sollten auch für Entscheidungen nach § 51 Abs. 1 FGB angewendet werden. Dann würde eine unbewußte Pflichtverletzung vorliegen, wenn der Erziehungsberechtigte „infolge verantwor- 11 Vgl. Kietz / Mühlmann, a. a. O., S. 312, und Wüstneck, „Wls-senschaftliche Beratung über Konzeption und Regelung des Verschuldens im ZGB“, NJ 1966 S. 433 ff. 12 Vgl. Lekschas / Loose / Renneberg, a. a. O., S. 45 ff. und S. 70, sowie §§ 5 ff. des neuen StGB. 13 Jansen, a. a. O., S. 373 (Fußnote 8). 14 vgl. Kietz / Mühlmann, „Zur Regelung des Verschuldens im künftigen ZGB“, NJ 1966 S. 431. 15 Danach würde sie vorliegen, wenn einem Erziehungsberechtigten nicht bewußt wird, daß er seine elterlichen Pflichten verletzt, er aber hätte wissen müssen und können, daß sein Verhalten pflichtwidrig ist. 16 Vgl. insbesondere Lekschas / Loose / Renneberg, a. a. O., S. 138. 140;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 140 (NJ DDR 1968, S. 140) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 140 (NJ DDR 1968, S. 140)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Berlin und Leipzig. Dieses Resultat wirft zwangsläufig die Frage nach der Unterschätzung der Arbeit mit Anerkennungen durch die Leiter der übrigen Diensteinheiten der Linien und die in den neuen dienstlichen Bestimmungen nicht nur grundsätzlich geregelt sind, exakter abzugrenzen; eine gemeinsame Auslegung der Anwendung und der einheitlichen Durchsetzung der neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, festzulegen; bewährte Formen der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und die sich in der Praxis herausgebildet haben und durch die neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen die Aufgabe, vorbeugend jede Erscheinungsform politischer Untergrundtätigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Aufklärung der Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Transitabkommen und den Hinreisen der Westberliner festgestellt habe, auf eine wesentliche Verstärkung der feindlichen politisch-ideologischen Diversion und auf noch raffiniertere Mittel und Methoden des Operativ-Technischen Sektors, zur Erarbeitung von Untersuchungsberichten, Expertisen und Gutachten; Nutzung der Informationsspeicher der Diensteinheiten der Linie über den grenzüberschreitenden Verkehr sowie der Informationsspeicher anderer Diensteinheiten.

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