Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 713

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 713 (NJ DDR 1967, S. 713); N U M M E R 23 JAHRGANG 21 ZEITSCHRI F NEUE lusnz BERLIN 1967 1.DEZEMBERHEFT SSENSCHAFT Dr. HEINRICH TOEPLITZ, Präsident des Obersten Gerichts Das Nürnberger Juristen urteil Bedeutung und aktuelle Lehren Vor zwanzig Jahren, am 3. und 4. Dezember 1947, verkündete der amerikanische Militärgerichtshof Nr. III das Urteil im Fall Nr. 3 (U. S. v. Altstötter), das als Nürnberger Juristenurteil weltbekannt geworden ist1. Dieses Urteil hat prinzipielle Bedeutung, obwohl es sich wie schon hier gesagt werden muß nur zögernd und begrenzt mit den völkerrechtlichen Verbrechen der Nazijuristen auseinandersetzte. Das unbestreitbare Verdienst dieses Urteils besteht darin, daß es zum erstenmal juristische „Schreibtischtäter“ leitende Beamte des faschistischen Reichsjustizministeriums (RJM), Richter und Staatsanwälte für Verbrechen zur Verantwortung zog. die sie mit Hilfe eines in juristische Formen gekleideten verbrecherischen Unrechts begangen hatten. Das rechtfertigt vom heutigen Standpunkt aus eine Würdigung dieses Urteils, wobei angesichts der Tatsache, daß bisher bedauerlicherweise keine vollständige Fassung in deutscher Sprache vorliegt2, auch ausführlich auf den Inhalt des Urteils eingegangen werden solL Im Juristenprozeß waren ursprünglich 16 führende Nazijuristen angeklagt. Einer (Carl Westphal, ehemaliger Ministerialrat im RJM) beging vor Beginn der Verhandlung Selbstmord; gegen einen weiteren (Karl En-gert, ehemals Ministerialdirektor im RJM und Vizepräsident des Freislerschen Volksgerichtshofs) wurde das Verfahren wegen „schwerer und fortdauernder Krankheit“ eingestellt. Die Beweisaufnahme dauerte vom 6. März bis 13. Oktober 1947. Das Gericht hörte 138 Zeugen, nahm 641 Beweisstücke der Anklagebehörde und 1452' der Verteidigung entgegen. Die Angeklagten wurden durch deutsche Verteidiger ihrer eigenen Wahl vertreten. Sie erhielten die Anklageschrift 30 Tage vor Eröffnung des Verfahrens ausgehändigt. Der Prozeß wurde in zwei Sprachen Deutsch und Englisch mit gleichzeitiger Übersetzung geführt. Jeder Angeklagte bezeichnete sich zu allen gegen ihn erhobenen Anklagepunkten als nichtschuldig. Verurteilt wurden zehn Angeklagte, und zwar: der ehemalige Staatssekretär im RJM, zuletzt 1941/42 geschäftsführender Justizminister, Franz Schlegelberger zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe; der ehemalige Mitarbeiter Bormanns und spätere 1 Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10. Vol. Ill: Case 3 (The Justice Case), Washington 1951. (Im folgenden zitiert als: The Justice Case.) 2 Das damalige Zentral-Justizamt für die Britische Zone veröffentlichte den „allgemeinen interessierenden Teil des Urteils“ sowie die in einigen Punkten abweichende Auffassung eines Richters (Hamburg 1948). Diese Veröffentlichung stellt umfangmäßig etwa ein Viertel des Urteils dar. Es fehlt die Hälfte des Allgemeinen Teils, die sich mit der faschistischen Rechtspraxis auf den zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Gebieten auseinandersetzt, sowie die im Besonderen Teil vorgenommene Behandlung der Verbrechen der einzelnen Angeklagten. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß der VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften beabsichtigt, den vollständigen Urteilstext zu veröffentlichen. Staatssekretär im RJM Herbert Klemm zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe: der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts in Hamburg und spätere Staatssekretär im RJM Curt Rothenberger zu 7 Jahren Gefängnis; der ehemalige Oberreichsanwalt am Volksgerichtshof Ernst Lautz zu 10 Jahren Gefängnis; der ehemalige Ministerialdirigent im RJM Wolfgang Mettgenberg zu 10 Jahren Gefängnis; der ehemalige Ministerialrat im RJM Wilhelm von Ammon zu 10 Jahren Gefängnis; der ehemalige Ministerialrat im RJM und spätere Generalstaatsanwalt in Hamm Günther Joel zu 10 Jahren Gefängnis; der ehemalige Vorsitzende des Sondergerichts Nürnberg und spätere Reichsanwalt am Volksgerichtshof Oswald Rothaug zu lebenslänglichem Gefängnis; der ehemalige Vorsitzende des Sondergerichts Nürnberg Rudolf öschey zu lebenslänglichem Gefängnis; der ehemalige Ministerialdirektor im RJM Josef Altstötter zu 10 Jahren Gefängnis. Freigesprochen wurden vier Angeklagte: der ehemalige Reichsanwalt am Volksgerichtshof Paul Barnickel, der ehemalige Beisitzer am Volksgerichtshof Hans Petersen, der ehemalige Senatspräsident am Volksgerichtshof Günther Nebelung, der ehemalige Vorsitzende des Sondergerichts Stuttgart Hermann Cuhorst. Es kennzeichnet die Entwicklung in Westdeutschland, daß sich bereits zum Zeitpunkt der Gründung der Bundesrepublik alle verurteilten Angeklagten auch die lebenslänglich verurteilten wieder in Freiheit befanden. Uber den Skandal, der sich in späteren Jahren um die hohen Pensionen der verurteilten Nazijuristen entwickelte hier sei nur an die Fälle Schlegelberger und Lautz erinnert hat die Fach- und Tagespresse mehrfach berichtet. Trotzdem wäre es falsch, aus diesen Tatsachen die Schlußfolgerung zu ziehen, daß das Nürnberger Juristenurteil durch die großzügige Behandlung der Angeklagten widerlegt sei. Die prinzipiellen Feststellungen des Urteils sind Ausdruck verbindlicher völkerrechtlicher Prinzipien. Sie geben eine Einschätzung der von den Nazijuristen begangenen Verbrechen und gestatten eine Verallgemeinerung auf eine ganze Kategorie willfähriger Stützen der nazistischen Gewaltherrschaft. Dem Juristenurteil des amerikanischen Militärgerichtshofes Nr. III ist bisher nur ein einziges Westberliner Urteil gefolgt3. Gegen die übrigen verbrecherischen Nazijuristen sind in Westdeutschland nicht einmal Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Das wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die oft behauptete „Bewältigung der Vergangenheit“. : Dieses Urteil (gegen den ehemaligen Kammergerichtsrat und Beisitzer am Volksgerichtshof Rehse) wird an anderer Stelle dieses Beitrags behandelt. 713;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 713 (NJ DDR 1967, S. 713) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 713 (NJ DDR 1967, S. 713)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind und bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Die höheren Sicherheits-erfordernisse sowie die veränderten politischen und politisch-operativen Lagebedingungen stellen höhere Anforderungen an die Leitungstätigkeit in der Linie. Die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der Tätigkeit der Leiter aller Ebenen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Realisierung des erforderlichen Leistungsanstieges in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit ist wichtiger Bestandteil der Gewährleistung der Rechtssicherheit und darüber hinaus eine wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung und Qualifizierung der Untersuchungsmethoden. Unter Beachtung der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich sowie der Möglichkeiten und Fähigkeiten der und festzulegen, in welchen konkreten Einsatzrichtungen der jeweilige einzusetzen ist. Die Intensivierung des Einsatzes der und insbesondere durch die Anwendung von operativen Legenden und Kombinationen sowie anderer operativer Mittel und Methoden; die Ausnutzung und Erweiterung der spezifischen Möglichkeiten der Sicherheitsbeauftragten, Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage positiver gesellschaftlicher Überzeugungen ist auf den bei den Kandidaten bereits vorhandenen weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen aufzubauen und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit zu entwickeln. Sind bereits beim Kandidaten derartige Überzeugungen vorhanden, wirken sie als Handlungsantrieb für die Zusammenarbeit und deren Realisierung.

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