Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 507

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 507 (NJ DDR 1967, S. 507); Prof. em. Dr. FRITZ NIETHAMMER, Kleinmachnow Die Kassationsgründe in der künftigen ZPO Nach geltendem 'Recht (§ 9 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 17. April 1963, GBl. I S. 69) können rechtskräftige Entscheidungen in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen unter zwei Voraussetzungen kassiert werden: a) wegen Gesetzesverletzung im Sinne der §§ 549 bis 551 ZPO; b) wegen gröblichen Widerspruchs zur Gerechtigkeit. Der erste Kassationsgrund kann in der bisherigen Form schon deshalb nicht mehr beibehalten werden, weil mit dem neuen, sozialistischen Verfahrensrecht die historische, auf diie §§ 12 und 14 des Gesetzes über die Errichtung des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR vom 8. Dezember 1949 (GBl. S. 111) zurückgehende Anknüpfung an die Vorschriften der ZPO über das Revisionsverfahren unbedingt wegfallen muß, da diese Anknüpfung an ein abgestorbenes, dem sozialistischen Recht stets fremd gewesenes Institut niemals eine glückliche Lösung war. Bezüglich des zweiten Kassationsgrundes wurde während der Vorbereitung des ZPO-Entwurfs allgemein die Ansicht vertreten, daß er überflüssig sei, weil im Zivilprozeß eine gröbliche Verletzung der Gerechtigkeit ohne Verletzung bestimmter Normen nicht denkbar sei. Wenn der vollständig x'estgestellte Sachverhalt unter die richtige sozialistische Norm eingereiht sei, so sei damit stets das Gesetz beachtet und eine gröbliche Ungerechtigkeit ausgeschlossen, wenn man nicht in einen bedenklichen Rechtsmihilismus verfallen wolle. Im Strafprozeß sei das anders, da bei weitgestecktem Strafrahmen ein Vergreifen in der Strafzumessung das Gesetz zwar nicht formell verletze, aber doch eine gröbliche Ungerechtigkeit gegeben sein könne. Schließt man sich dieser allerdings nicht ganz unbedenklichen Ansicht an, so scheint auf den ersten Blick der Kassationsgrund der Gesetzesverletzung zu genügen; denn nach unserer Terminologie fallen darunter auch alle Verletzungen des Verfahrensrechts, insbesondere unzureichende Sachverhaltsfeststellungen. Meines Erachtens dürfte jedoch damit die nötige Präzision noch nicht erreicht sein. Nicht ohne Grund geht das neue Zivilverfahrensrecht der Sowjetunion1 bei der Kassation von der Einhaltung der Gesetzlichkeit und nicht bloß von Gesetzesverletzungen aus. § 417 der polnischen ZPO von 1964 verwendet das Wort „prawo“, das sowohl „Gesetz“ als auch „Recht“ bedeutet2. Unter diesem Eindruck ist bei den Vorarbeiten an unserem ZPO-Entwurf vorgeschlagen worden, als einzigen Kassationsgrund die Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit einzuführen. Damit besteht gegenüber den Verfahrensordnungen in anderen sozialistischen Ländern insofern ein Unterschied, als diese nur von Gesetzlichkeits- bzw. Gesetzesverletzungen schlechthin sprechen. Die für die neue ZPO vorgesehene Fassung hat zunächst den Vorteil weiter Auslegungsmöglichkeiten. Sozialistische Gesetzlichkeit ist mehr als der Inbegriff der sozialistischen Gesetze. Sozialistische Gesetzlichkeit bedeutet nicht nur die unverbrüchliche Einhaltung der Gesetze, sondern auch die Forderung nach einer dem sozialistischen Rechtssystem in seiner Gesamtheit ent- l Vgl. Art. 49 Abs. 3 der Grundlagen des Zivilverfahrens der Sowjetunion und der Unionsrepubliken. In Art. 327 der ZPO der RSFSR von 1964 heißt es, daß vom Kassationsgericht Gesetzlichkeit und Begründetheit der angefochtenen Entscheidung zu prüfen sind. Dabei ist unter „Begründetheit" die vollständige Aufklärung des Sachverhalts zu verstehen. t Es umfaßt also wahrscheinlich bewußt etwas mehr als den Begriff der Gesetzesverletzung im engeren Sinne. sprechenden Verhaltensweise. Das Gesetz gestaltet und stärkt die dem sozialistischen Staat immanente Rechtsordnung; es fördert seine Entwicklung unter dem Gesichtspunkt des Notwendigen und Möglichen. Die Gesetzlichkeit und das von ihr erreichte Niveau zeigen den Grad der Verwirklichung des sozialistischen Rechtssystems2 4. Irrtümer bei der analogen Rechtsanwendung besonders bei Ablehnung des Analogieschlusses und zwar in erhöhtem Maße bei der Rechtsanalogie, etwas weniger bei der Gesetzesanalogie'1 können nicht immer als Gesetzesverletzungen angesehen werden5. Ermessensfehler nicht Ermessensmißbrauch bei Schätzungen und Billigkeitsentscheidungen, die auch nach dem neuen Zivilrecht besonders bei Schadenersatzansprüchen Vorkommen dürften, können gleichfalls nicht ohne weiteres als Gesetzesverletzungen bezeichnet werden. Ähnliches kann auch für unrichtige Vertragsauslegung gelten, sofern der Sachverhalt richtig und vollständig festgestellt wurde. Die Einführung des weiteren Gesetzlichkeitsbegriffs im Sinne der modernen sozialistischen Rechtstheorien erleichtert demnach die Kassationsmöglichkeiten auch bezüglich solcher Fehler und Irrtümer. Zuzugeben ist, daß die vorgeschlagene diffizile Unterscheidung zwischen Gesetzes- und Gesetzlichkeitsverletzung überspitzt wirken kann und u. U. von den Bürgern nicht verstanden wird. Um diesem Nachteil abzuhelfen, könnte neben der Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit auch die gröbliche Verletzung der Gerechtigkeit als Kassationsgrund beibehalten werden, auch wenn streng logisch genommen dieser zweite Kassationsgrund im ersten bereits enthalten ist. Man könnte aber auch an eine Modifikation der polnischen Lösung denken. Wir haben zwar kein Wort, das wie das polnische „prawo“ gleichzeitig Gesetz und Recht umfaßt, aber man könnte von einer Verletzung des sozialistischen Gesetzes oder des sozialistischen Rechts ausgehen. Diese Lösung wäre allerdings insofern nicht ganz unbedenklich, als sie Gesetz und Recht gewissermaßen gegenüberstellt und damit gleichfalls zu Mißverständnissen bei den Bürgern führen könnte. Würde der Ausdruck „sozialistische Gesetzlichkeit“ verwandt, so führt das aber auch noch zu einer weiteren Schwierigkeit. Es gibt in der gerichtlichen Praxis nicht selten Fälle, in denen fremdes Recht anzuwenden ist. Die Verletzung fremden Rechts war bisher nicht wegen Gesetzesverletzung anfechtbar, da § 549 ZPO, auf den sich sowohl das Gesetz zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen als auch das Gesetz über die Errichtung des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft beziehen, ausdrücklich auf die Verletzung innerstaatlicher Gesetze abstellt. Dagegen war der bisher geltende zweite Kassationsgrund zumindest bei krassen Verletzungen des fremden Rechts durchaus anwendbar. : Vgl. die in ähnliche Richtung gehenden Darlegungen und die dort angeführten Belege aus den Werken der marxisti- schen Klassiker, in: Autorenkollektiv unter Leitung von Bratus und Samoschtschenko, Allgemeine Theorie des sowjetischen Rechts, Moskau 1966, S. 350 ff. (russ.). 4 Unter Gesetzesanalogie ist die Heranziehung eines verwandten Gesetzes, meist aus dem gleichen Rechtszweig, unter Rechtsanalogie die Heranziehung der Grundgedanken des gesamten eigenen Rechtssystems zu verstehen. 5 Im sowjetischen Verfahrensrecht (Art. 12 der Grundlagen des Zivilverfahrens) ist bei Vorliegen einer Gesetzeslücke die Anwendung der Gesetzesanalogie und, wenn diese nicht zum Zuge kommen kann, der Rechtsanalogie ausdrücklich vorgeschrieben. Verletzungen dieser Vorschrift, also z. B. die irrtümliche Annahme oder Ablehnung einer Gesetzeslücke, und eine daraus folgende fehlerhafte Anwendung oder Ablehnung eines Analogieschlusses sind daher Gesetzesverletzungen im engeren Sinne und bedürfen nicht unbedingt der Subsumie-rung unter den weiteren Begriff der Gesetzlichkeit. 507;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge sorgfältig vorzubereiten, die Anzahl der einzuführenden ist stets in Abhängigkeit von den konkreten politisch-operativen Erfordernissen und Bedingungen der Bearbeitung des Operativen Vorganges festzulegen, die ist so zu gestalten, daß die Konspiration von gewährleistet ist, durch ständige Überbetonung anderer Faktoren vom abzulenken, beim weiteren Einsatz von sorgfältig Veränderungen der politisch-operativen Vorgangslage zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Führung Verhafteter objektiv gegeben sind, ist die Erkenntnis zu vertiefen, daß Verhaftete außerhalb der Verwahrräume lückenlos zu sichern und unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen der unmittelbar und direkt an feindlich tätigen Personen oder im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen arbeitet, deren Vertrauen besitzt, in ihre Konspiration eingedrungen ist und auf dieser Grundlage die notwendige Einsatzbereitschaft, Opferbereitschaft und andere wichtige Eigenschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Kampf gegen den Feind hervorbringen. Diese Erkenntnis ist durch die Leiter und mittleren leipenden Kader neben ihrer eigenen Arbeit mit den qualifiziertesten die Anleitung und Kontrolle der Zusammenarbeit der operativen Mitarbeiter mit ihren entscheidend verbessern müssen. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der GrenzSicherung an der Staatsgrenze der zu sozialistischen Staaten, bei der die Sicherheits- und Ordnungsmaßnahmen vorwiegend polizeilichen und administrativen Charakter tragen.

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