Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 483

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 483 (NJ DDR 1967, S. 483); über die Aufgaben und die Organisation der Krankenhäuser des Staatlichen Gesundheitswesens (Rahmen-Krankenhausordnung) vom 5. November 1954 (GB1.-Sonderdruck Nr. 54) i. d. F. der ÄndAO vom 7. Juli 1955 (GBl. I S. 500) obliegenden Pflichten zur Beaufsichtigung und ständigen Weiterbildung des medizinischen Personals und der Ärzte auf dem Gebiet der Anästhesie verletzt. Diese Feststellung ist in ihrer Allgemeinheit jedoch nicht geeignet, kausale Beziehungen zum konkreten Tatgeschehen zu begründen. Bei der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist es vielmehr erforderlich, zu klären, ob diese Pflichtverletzungen kausal für die eingetretenen Folgen sind, d. h., ob der Angeklagte als Chefarzt durch ungenügende Weiterbildung und Beaufsichtigung der ihm unterstellten vollapprobierten Ärztin Lo. den Patienten fahrlässig getötet hat. Nicht Pflichtverletzungen schlechthin begründen bei erfolgsqualifizierten Delikten wie der fahrlässigen Tötung die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die in Betracht kommenden Straftatbestände erfordern vielmehr die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Pflichtverletzungen und den schuldhaft herbeigeführten Folgen. Daraus ergibt sich, daß in diesen Fällen Disziplinverstöße allein nicht der strafrechtlichen Ahndung unterliegen. Auf ihre Vermeidung, die Beseitigung ihrer Ursachen und begünstigenden Bedingungen ist primär durch Maßnahmen der allgemeinstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Einflußnahme hinzuwirken, so durch die Realisierung der vollen Verantwortung gegenüber den übergeordneten Organen, die die Kontrolle ebenso wie bestimmte Formen der Anleitung und Erziehung einschließt. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann aber auch die disziplinarische oder ordnungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit begründet sein. Strafrechtliche Verantwortlichkeit setzt individuelle Schuld in Beziehung auf die Erfüllung aller Voraussetzungen des jeweiligen gesetzlichen Tatbestandes voraus. Die im Zusammenhang mit der Beurteilung von Strafrechtsverletzungen aufgedeckten begünstigenden Umstände, Mängel und Mißstände in der Leitungstätigkeit und auf anderen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens begründen für die Gerichte jedoch die Pflicht, die für die Beseitigung solcher Erscheinungen verantwortlichen anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organe darauf hinzuweisen und sie in ihrem Bemühen um die Wiederherstellung von Ordnung und Disziplin zu unterstützen. Eine Ausweitung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach Umfang und Inhalt widerspricht der sozialistischen Gesetzlichkeit und führt dazu, daß das für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unabdingbare Prinzip der sozialistischen Verantwortlichkeit negiert und die weitere Entwicklung des Verantwor-tungsbewußtseins der Bürger nicht gefördert wird, sondern diese in ihrer Verantwortungsfreudigkeit gehemmt werden können. Wenngleich der Angeklagte diesen ihm als Chefarzt und verantwortlichem Chirurgen obliegenden Pflichten bei der Ausbildung auf dem Gebiete der Anästhesie nicht in ausreichendem Maß gerecht geworden ist, so waren sie doch im vorliegenden Strafverfahren nicht ursächlich für das Versagen der verurteilten Ärztin Lo. und somit auch nicht kausal für den Tod des Patienten. Zunächst ist davon auszugehen, daß sich ein Bürger, dem nach abgeschlossener Ausbildung der berufliche Befähigungsnachweis erteilt und ein bestimmter Aufgabenbereich in eigener Verantwortung übertragen worden ist, bei persönlichem Versagen grundsätzlich nicht darauf berufen kann, daß ihm seine Lehrer, Ausbilder oder übergeordneten Leiter auf diesem Gebiet ein nicht genügendes Wissen vermittelt haben. Das Be- zirksgericht hat verkannt, daß es sich bei der Verurteilten Lo. um eine vollapprobierte Ärztin in der Facharztausbildung handelt; es ging davon aus, daß sie sich noch in der Pflichtassistentenzeit befand. Deshalb hat es die Beurteilung des Geschehens unter anderen Aspekten vorgenommen und diesem vermeintlichen Umstand bei der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten L. zu Unrecht eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Verurteilten Lo. die konkreten Umstände bekannt gewesen sind, die sie im vorliegenden Fall hätte beachten müssen, um den Tod des Patienten zu verhindern. Nach ihren eigenen Einlassungen hat sie aus ihrem Studium sowie aus ihrer bisherigen ärztlichen Tätigkeit der Angeklagte L. hat ihr, wenn auch in ungenügendem Maße, während der Pflichtassistentenzeit praktisches Wissen vermittelt gewußt, daß sie als Arzt für die Indikation einer Narkose und deren Verlauf sowie für das gesamte Operationsgeschehen verantwortlich ist. Ihr war auch bekannt, daß bei vollem Magen eines Patienten keine Vollnarkose gegeben werden soll und, falls dies doch erforderlich ist, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind. Sie erfuhr von der Angeklagten A. und der Zeugin G., daß der zum Zeitpunkt ihres Eintreffens bereits vollnarkotisierte Patient kurz zuvor gegessen und zu Beginn der Narkose sogar erbrochen hatte. Sie wußte, daß deshalb für sie besondere Sorgfalt geboten war. Da sie sich auf dem Gebiet des Erkennens und des Behan-delns von Narkosezwischenfällen unerfahren fühlte und mit einem solchen mußte sie infolge der gegebenen Umstände rechnen , wäre es ihre Pflicht gewesen, den Angeklagten L. entsprechend seiner allgemeinen Anweisung zu verständigen. Spätestens hätte sie jedoch dieser Anordnung nachkommen müssen, als sie nach der Wundversorgung eine Blaufärbung der Lippen des Patienten feststellte, zumal sie selbst Sauerstoffmangel vermutete. In der Beweisaufnahme vor dem Obersten Gericht erklärte sie hierzu, sie habe angenommen, daß dieser Umstand auf ein Zurückfallen der Zunge zurückzuführen sei und daß es sich deshalb um ein vorübergehendes Verlegen der Atemwege gehandelt habe. Sie hat sich pflichtwidrig weder von der Richtigkeit dieser Diagnose überzeugt noch entsprechende Anordnungen getroffen. Sie verließ sich vielmehr darauf, daß die Stationsschwestern, denen der Patient übergeben wurde, selbständig mit dieser Komplikation fertig werden würden. Unmittelbar nach der Beendigung der Wundversorgung verließ sie unter Verletzung des Grundsatzes, daß der Arzt bis zum Wiedererwachen des Patienten aus der Narkose anwesend bleiben muß. das Krankenhaus, ohne nochmals nach dem Patienten zu sehen. Dieser Pflichtwidrigkeit war sie sich auch bewußt; sie berief sich jedoch darauf, daß dieser Grundsatz auch von anderen Ärzten des Krankenhauses einschließlich des Chefarztes mißachtet wurde. Dies vermag jedoch die Ärztin Lo. nicht zu entlasten, da die Pflichtverletzungen anderer nicht von eigener Verantwortlichkeit befreien. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Tatumstände ist das Versagen der Ärztin Lo. nicht auf für den Tod des Patienten kausale Pflichtverletzungen des Angeklagten L. im Rahmen seiner Ausbildungs- und Aufsichtspflichten zurückzuführen. Die aufgezeigten, den Tod des Patienten mitverursachenden Pflichtverletzungen der Ärztin Lo. beruhen demzufolge nicht auf einer von L. zu vertretenden Unkenntnis bezüglich der Komplikationsgefahren bei Vollnarkose. Diese Pflichtverletzungen der Ärztin sind vielmehr auf eine Mißachtung ihr bekannter und zum Zeitpunkt des Geschehens auch bewußt gewesener medizinischer Grundkenntnisse zurückzuführen. 4S3;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 483 (NJ DDR 1967, S. 483) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 483 (NJ DDR 1967, S. 483)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung sowie zur Verhinderung von Störungen im Untersuchungshaftvollzug erforderlich ist, Inhaftierte Ausländer aus dem nichtsozialistischen Ausland sind unbedingt von inhaftierten Bürgern der getrennt zu verwahren. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen zum Erreichen wahrer Aussagen durch den Beschuldigten und damit für die Erarbeitung politisch-operativ bedeutsamer Informationen kann nur durch die Verwirklichung der Einheit von Parteilichkeit, Objsl Gewährlei- Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren dargestellten weiterfEhrenden Möglichkeiten wirksamer Rechts-snwendung praxiswirksam zu machen.

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