Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 455

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 455 (NJ DDR 1967, S. 455); Das Stadtbezirksgericht hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (§§222, 73 StGB, §49 StVO) verurteilt. Auf die Berufung hat das Stadtgericht dieses Urteil im Schuld- und Strafausspruch abgeändert. Es hat die Tatbestandsmäßigkeit des § 49 StVO sowie den Kausalzusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Angeklagten und dem Unfall verneint und wegen Verstoßes gegen §§ 5 Abs. 1, 48 StVO eine Geldstrafe verhängt. Auf Grund eines vom Staatsanwalt des Stadtbezirks beantragten Wiederaufnahmeverfahrens hat das Stadtbezirksgericht den Angeklagten unter Aufhebung des Urteils des Stadtgerichts wegen fahrlässiger Tötung durch Nichtbeachtung von Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (§§ 222, 73 StGB, § 1 StVO) verurteilt. Dieses Urteil beruht auf folgenden Feststellungen: Der Angeklagte fuhr in der A.-Straße mit seinem Lkw etwa 50 m hinter dem Pkw des Zeugen E. Obwohl er in etwa 100 m Entfernung zwei Frauen sich dem Fahrbahnrand nähern sah, konzentrierte er sich lediglich auf den vor ihm fahrenden Pkw. Die Geschädigte H., die ohne Beachtung der Verkehrslage die Fahrbahn betreten hatte, nahm der Angeklagte nicht wahr. Als der Zeuge E. wegen des Verhaltens der Geschädigten H. bremsen und seine Geschwindigkeit auf etwa 20 km/h verringern mußte, behielt der Angeklagte weiterhin nur den Pkw im Auge. Er verminderte seine Geschwindigkeit auf etwa 30 km/h und scherte aus der ursprünglichen Fahrlinie aus, um unter allen Umständen ein Auffahren auf den Pkw zu vermeiden. Die Geschädigte H., die inzwischen ihren Weg fortgesetzt hatte, bemerkte der Angeklagte erst, als sie aus der Fahrlinie des Pkw trat. Zu diesem Zeitpunkt war der Lkw des Angeklagten etwa 30 m von der Geschädigten entfernt. Der Angeklagte bremste stark und riß sein Fahrzeug nach rechts. Dieses geriet ins Schleudern, drehte sich um 180 Grad und erfaßte mit dem hinteren Teil der Ladefläche die Geschädigte, die zu dieser Zeit das erste Straßenbahnschienenpaar, d. h. die Straßenmitte, überschritten hatte. Die Geschädigte verstarb an den Verletzungen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung, mit der die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens bestritten und im übrigen eingewandt wird, eine konkrete Verkehrsrechtspflichtverletzung sei auch in der erneuten Verhandlung nicht bewiesen worden. Die Berufung ist in vollem Umfang begründet. Aus den Gründen: Die Strafkammer hat sich zunächst mit den Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (§§ 317 ff. StPO) auseinandergesetzt und dem Antrag des Staatsanwalts fälschlicherweise stattgegeben (wird ausgeführt). Die Strafkammer hat bei der Würdigung des erneuten Beweisergebnisses die Auffassung des erkennenden Senats nicht beachtet, daß der Angeklagte ausgehend von dem das Straßenverkehrsrecht beherrschenden Vertrauensgrundsatz in der gegebenen Situation nicht damit rechnen mußte, ein Fußgänger werde in verkehrswidriger Weise versuchen, noch vor dem Pkw die Fahrbahn zu überqueren. Der Senat ist dabei von der Tatsache ausgegangen, daß der moderne Straßenverkehr an jeden Kraftfahrer außerordentlich hohe Anforderungen stellt und nicht nur in unmittelbarer Fahrtrichtung Aufmerksamkeit verlangt. So ist ein Kraftfahrer verpflichtet, sowohl die rechte Fahrbahnbegrenzung und die Gegenfahrbahn als auch die vorausfahrenden und die nachfolgenden Fahrzeuge zu beobachten, um sich in seinem Fahrverhalten auf eine nach allgemeinen Erfahrungen mögliche Änderung der Verkehrssituation einzustellen, z. B. auf plötzlich auftauchende Fußgänger, insbesondere Kinder, oder auf eine notwendige Veränderung der Fahrtrichtung. Der Kraftfahrer muß also eine Vielzahl von Wahrnehmungen treffen, zu denen nicht vermeidbare Ablenkungen durch andere im Blickfeld befindliche Objekte hinzutreten. Schließlich darf bei der Beurteilung einer konkreten Pflichtenlage nicht übersehen werden, daß der Kraftfahrer aus dieser Vielzahl von Eindrücken die für sein Fahrverhalten beachtlichen aussondern muß. Hätte die Strafkammer diese ihr bekannten Erwägungen im vorliegenden Verfahren beachtet, dann hätte sde daran zweifeln müssen, ob man an einen Kraftfahrer die Forderung stellen kann, er müsse auch über die vor ihm fahrenden Fahrzeuge hinaus die Fahrstrecke beobachten und sich auf Objekte einstellen, die durch diese Fahrzeuge zunächst verdeckt sind. (Es folgen Ausführungen zur Rekonstruktion der Verkehrssituation und zur Beweiskraft des Rekonstruktionsergebnisses.) Aus den Feststellungen der Strafkammer ergibt sich, daß der Angeklagte die Geschädigte in einer Entfernung wahrgenommen hat, in der sie für ihn nicht beachtlich war, und daß er sich danach auf das übrige Verkehrsgeschehen, insbesondere auf den vor ihm fahrenden Pkw, konzentriert hat. Er hat auf das Bremsen des Pkws reagiert und die Gefahr erst nach dem Ausscheren aus der ursprünglichen Fahrlinie erkannt. Dieses Fahrverhalten ist nicht verkehrswidrig, weil der Angeklagte vor dem Bremsen des Pkws keinen Anlaß hatte, die Verkehrssituation über den vor ihm fahrenden Pkw hinaus zu beachten. Insbesondere hatte er keine Veranlassung, mit dem verkehrswidrigen Verhalten der geschädigten Fußgängerin zu rechnen. Deshalb nahm er diese Fußgängerin, die über das Dach des Pkw hinweg objektiv in seinem Blickfeld gewesen sein mußte, nicht ebenso wahr wie das übrige Verkehrsgeschehen. Der Auffassung, ein Kraftfahrer müsse stets die vor ihm liegende Strecke auch über vorausfahrende Fahrzeuge hinaus beobachten und bei Beginn des Bremsvorganges des vor ihm fahrenden Fahrzeugs mögliche auftauchende Gefahrenmomente in seine Überlegungen einbeziehen, kann nicht generell zugestimmt werden. Von einem Kraftfahrer kann nur gefordert werden, daß er auf überschaubare Situationen richtig reagiert. Dabei kann die Überschaubarkeit z. B. auch dann gegeben sein, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug ohne erkennbaren Grund bremst und zum Stehen kommt. Dann muß der Kraftfahrer eine Gefahrensituation vermuten und gegebenenfalls halten. In derartigen Situationen wird es aber auch nicht ohne weiteres verkehrswidrig sein, wenn sich der Kraftfahrer einseitig auf das unmittelbar vor ihm fahrende Fahrzeug konzentriert und zunächst annimmt, daß auch für ihn keine Gefahrensituation mehr besteht, wenn dieses Fahrzeug seine Fahrt fortsetzt, zumal das Bremsen auf eine Vielzahl von Umständen (z. B. Schlaglöcher, die Fahrbahn überquerende Tiere u. ä.) zurückgeführt werden kann. Entgegen der Auffassung der Strafkammer und der Staatsanwaltschaft liegt daher bei der hier gegebenen Situation keine konkrete Verkehrsrechtspflichtverletzung des Angeklagten vor, die zu dem Unfall geführt hat. § 44 Abs. 2 und 3 StVO. Der Fahrer eines Sonderfahrzeugs hat die Signale zu benutzen, die in der konkreten Verkehrssituation für alle anderen Verkehrsteilnehmer erkennbar sind. Die Benutzung eines Sondersignals entbindet den Kraftfahrer nicht von den allgemeinen Pflichten der Vorsicht und gegenseitigen Rücksichtsnahme. Er muß seine Fahrweise so einrichten, daß eine rechtzeitige Reaktion auf das Verhalten solcher Verkehrsteilnehmer, die das Sondersignal und ihre sich daraus ergebenden Pflichten nicht erkennen, möglich ist. Nur innerhalb dieser allgemeinen Grenzen hat der Vertrau- 455;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit erlanqt; sie dienen ausschließlich der f-ÜFfnternen Informationsgewinnung und WahrheitsSicherung und dürfen im Interesse der weiteren Konspirierurig der inoffiziellen Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit unter zielgerichteter Einbeziehung der Potenzen des sozialistischen Rechts tind der Untersuchungsarbeit fester Bestandteil der Realisierung der Verantwortung der Linie Untersuchung bei der Erfüllung der Schwerpunktaufgaben der informalionsbeschaffungj Wirksamkeit aktiver Maßnahmen; Effektivität und Lücken Am Netz. Nut Atngsiacl der im Netz vor-handelten operativen. Möglichkeiten; Sicherheit des und Aufgaben zur Erhöhung der Qualität der politisch-operativen Untersuchungsarbeit gelang es der Befehl mmni sunter Mehrzahl der Spezialkommissionen und den gemäß gebildeten Referaten die Wirksamkeit der Vor-uchung zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten und die Wirksamkeit der Nutzung der Möglichkeiten staatlicher sowie wirtschaftsleitender Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen, gesellschaftlicher Organisationen und Kräfte; die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung des dienen und die Bindungen an Staatssicherheit vertiefen, in seiner Erfüllung weitgehend überprüfbar und zur ständigen Überprüfung der nutzbar sein. Der muß bei Wahrung der Konspiration und der Gewährleistung der Sicherheit des unbedingt notwendig. Es gilt das von mir bereits zu Legenden Gesagte. Ich habe bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es für die Einschätzung der Zusammensetzung, ihrer Qualität und operativen Zweckmäßigkeit sind die konkreten politisch-operativen Arbeitsergebnisse der ihr konkreter Anteil am inoffiziellen Informationsaufkommen der Diensteinheit.

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