Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 415

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 415 (NJ DDR 1967, S. 415); Aufgabe des Staates sein, Wohnungen zu bauen; seine Aufgaben seien andere8. Damit war das Ziel der Bonner Mietrechtspolitik abgesteckt: Radikale Einschränkung des staatlichen Wohnungsbaus mit dem Ziel der Entlastung des Staatshaushalts zugunsten der Finanzierung der Atomrüstung9. Die Vertreter der CDU/CSU und ihres damaligen Koalitionspartners, der FDP, zogen alle Register, um die mit den neuen Mietrechtsbestimmungen verfolgten Absichten der Bonner Regierung weitgehend ziu verschleiern und die Bevölkerung über den wahren Charakter der unter dem Motto „Überführung der Wohnungszwangswirtschaft in die freie Marktwirtschaft“ angepriesenen Neuregelung zu täuschen Lücke behauptete, daß das Wohnungsdefizit in der Bundesrepublik im wesentlichen beseitigt sei, und versuchte Kritiker mit der Erklärung zu beschwichtigen, „die Statistik weise einen viel höheren Bedarf aus, als er in Wirklichkeit bestehe“. Er versicherte, daß die Neuregelung „keine Lawinen von Räumungsklagen aus-lösen“ würde; denn vom Vermieter werde „ein soziales Verhalten gegenüber dem Mieter verlangt, und der Ausschluß von Willkür würde gesetzlich gesichert werden“. Die für Kündigungsfälle in das BGB eingefügte Sozialklausel „räume dem Mieter ein Widerspruchsrecht ein, wenn die Kündigung eine unbillige Härte darstelle. Sofern der Widerspruch begründet sei, bleibe das Mietverhältnis bestehen. Darin bestehe das Kernstück; des sozialen Mietrechts.“10 Wie wenig diese wohltönenden Reden mit der Wirklichkeit übereinstimmten, sollte die werktätige Bevölkerung Westdeutschlands bald zu spüren bekommen. Unter dem Motto „Überleitung in eine freiheitliche Ordnung“ verstieg sich der Sprecher der CDU/CSU, Hesberg, anläßlich der Begründung der Lücke-Gesetze zu der Behauptung, „daß sich das Mieterschutzgesetz auch zuungunsten der Mieter auswirken könne und die normalen Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter vielfach beeinträchtige“11. Den Beweis hierfür blieb er allerdings schuldig. Statt dessen behauptete Hesberg weiter, mit der sog. Sozialklausel sei dem Mieter ein Widerspruchsrecht gegen die Kündigung gegeben und „damit dann im Gefolge der Fortbestand der bisherigen Normen gewährleistet“. Gleichsam zur Beruhigung derer, die an der Glaubwürdigkeit dieser einander widersprechenden Äußerungen zweifeln, verkündete Hesberg schließlich: „Der wirksamste Bestandsschutz liegt in den Miet- und Lastenhilfen.“1'2 Hier wird bewußt die Tatsache unterschlagen, daß die Wirksamkeit einer Kündigung durch den Vermieter nicht im mindesten davon abhängt, ob der Mieter Wohngeld bezieht oder nicht. Die Bereitschaft des Mieters, das Mietverhältnis mit dem Vermieter unter veränderten Bedingungen, also unter Erhöhung des Mietzinses, fortzusetzen, weil er ein Wohngeld in Anspruch nehmen kann13, verpflichtet den Vermieter nicht zur Weiterführung des Mietverhältnisses. Hier von Mieterschutz zu sprechen, ist absurd. 8 Vgl. Will, a. a. O., Preusker (ehemaliger Bonner Wohnungsbauminister), Das Parlament vom 2. Dezember 1959. 9 Vgl. Kellner, „Das antinationale und antisoziale Miet- und Wohnrecht in Westdeutschland“, NJ 1960 S. 727. 10 Lücke, Das Parlament vom 2. Dezember 1959. H Hesberg, Das Parlament vom 22. Dezember 1959. 12 Hesberg, a. a. O. Auch Mick (Das Parlament vom 8. Juni 1960) behauptete: „Den wesentlichsten Bestandteil des sozialen Mietrechts macht das Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen aus.“ 18 Im übrigen ist von der Möglichkeit, Mietbeihilfe bzw. Wohngeld nach dem Gesetz über Wohnungsbeihilfen vom 29. Juli 2963 (BGBl. I S. 508) jetzt: Wohngeldgesetz i. d. F. vom 1. April 1965 (BGBl. I S. 177) zu beziehen', nur in sehr beschränktem Umfang Gebrauch gemacht worden. Es besteht eine starke Abneigung, sich einer laufenden Einkommensüberprüfung die Voraussetzung für eine Wohngeldzahlung ist zu unterziehen. Die Anwendung der Sozialklausel (§ 556a BGB) in der Praxis Nach § 556a Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung widersprechen, wenn die vertragsmäßige Beendigung des Mietverhältnisses wegen besonderer Umstände des Einzelfalls einen Eingriff in die Lebensverhältnisse des Mieters oder seiner Familie bewirken würde, dessen Härte auch unter voller Würdigung der Belange des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Unter dieser Voraussetzung kann der Mieter vom Vermieter verlangen, das Mietverhältnis so lange fortzusetzen, als dies unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. Erhebt aber der Mieter gegen eine Kündigung Widerspruch, so obliegt es ihm, zu beweisen, daß die Beendigung des Mietverhältnisses eine unzumutbare Härte für ihn darstellt. Im Verhältnis zu den Erfordernissen einer Klage des Vermieters nach den Bestimmungen des MSchG bedeutet dies eine Umkehr der Beweislast. Sie weist dem Mieter von vornherein die Position des Schwächeren zu, wobei durch den Wegfall der Pflicht einer Kündigungsbegründung gesetzlich vermutet wird, daß die Kündigung des Vermieters berechtigt ist. Selbst wehn der Widerspruch die Feststellung berechtigter Gründe gegen die Kündigung ergeben sollte, was wie noch darzulegen sein wird in der Regel ausgeschlossen ist, sind die „Belange des Vermieters“ (§ 556a Abs. 1), seine schutzwürdigen, insbesondere seine wirtschaftlichen Interessen an einer vorteilhaften Vermietung des Wohnraums zu beachten. Sollte die Berechtigung des Widerspruchs jedoch wirklich einmal vom Gericht anerkannt und eine Entscheidung auf Fortsetzung des Mietverhältnisses getroffen werden, so ist der Mieter nicht etwa die Sorge einer erneuten Kündigung los, denn das Mietverhältnis wird nur für eine bestimmte, vom Gericht festzusetzende Zeit fortgesetzt. Danach kann der Vermieter jederzeit wieder kündigen und der Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nur noch einmal begehren, wenn dies durch eine wesentliche Änderung der Umstände, die nach § 556a BGB maßgebend waren, gerechtfertigt ist (§ 556c BGB). Auch wenn die zum Zeitpunkt des ersten Urteils für eine Fortsetzung des Mietverhältnisses maßgebenden Umstände inzwischen nicht weggefallen sind, die vom Gericht auf den Widerspruch festgesetzte Frist zur Fortsetzung des Mietverhältnisses aber verstrichen ist, kann ein zweiter nunmehr letztmaliger Widerspruch nur dann Erfolg haben, wenn im Verhältnis zum ersten Verfahren neue Gründe vorgetragen werden. Wie diese als „Kernstück der Neuordnung des sozialen Mietrechts“1'* gepriesene Vorschrift mit ihren verschwommenen, generalklauselartigen Formulierungen in der Praxis der westdeutschen Rechtsprechung angewandt wird, zeigen die nachfolgenden Entscheidungen. So hat das Landgericht Hagen in seinem Urteil vom 12. November 1964 ausgeführt: „Der Mangel an Ersatzwohnraum ist für eine alleinstehende, arme Mieterin mit vier minderjährigen Kindern hinsichtlich des Widerspruchs gegen die Kündigung ohne Bedeutung. Aus dem Wortlaut und dem Sinn der sog. Sozialiklausel ergibt sich eindeutig, daß gewisse soziale Härten vielleicht sogar die menschlich bedauernswertesten durch diese Vorschrift nicht gemildert werden können. Dieser Rechtszustand kann nicht durch die Gerichte, sondern allein vom Gesetzgeber geändert werden.“15 Bei der Verklagten handelte es sich um eine alleinstehende Frau mit vier Kindern. Sie bezog Fürsorge- 14 So der Wohnungsbauminister in der 128. Sitzung des Bundestages (Niederschrift, S. 6216). 15 Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 1965, Heft 5, S. 140. 415;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 415 (NJ DDR 1967, S. 415) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 415 (NJ DDR 1967, S. 415)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit unter Berufung auf ärztliche Weisungen und zum gegenseitigen Ausspielen des Medizinischen Dienstes, der Abteilung und der Abteilung wurden in vielen Fällen rechtzeitig Provokationen verhindert, Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt gesichert und weitestgehend gewährleistet, daß der Verhaftete sich nicht seiner strafrechtlichen Verantwortung entzieht, Verdunklungshandlungen durchführt, erneut Straftaten begeht oder in anderer Art und vVeise die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges gefährdet. Auch im Staatssicherheit mit seinen humanistischen, flexiblen und die Persönlichkeit des Verhafteten achtenden Festlegungen über die Grundsätze der Unterbringung und Verwahrung verbunden, das heißt, ob der Verhaftete in Einzeloder Gemeinschaftsunterbringung verwahrt wird und mit welchen anderen Verhafteten er bei Gemeinschaftsunterbringung in einem Verwahrraum zusammengelegt wird. Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik geben neue Hinweise für konkrete Versuche des Gegners zur Durchsetzung seiner Konzeption der schrittweisen Zersetzung und Aufweichung der sozialistischen Ordnung.

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