Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 38

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 38 (NJ DDR 1967, S. 38); ten juristischen Methodenlehre2 wird seine Hinwendung zum Marxismus erstmals wissenschaftlich voll sichtbar. Er selbst hat in einem Aufsatz geschildert, wie er zu der Erkenntnis kam, daß die Gesellschaftswissenschaft die Arbeiterbewegung bei der Erfüllung ihrer geschichtlichen Aufgaben unterstützen muß: Der Grund hierfür liege darin, daß der Dämon des Klasseninteresses das Bürgertum an der Pflichterfüllung hindere, die aufgebaute Kultur zu verteidigen, während die Arbeiterklasse materiell an einer menschlichen Gesellschaft interessiert sei3. Der Weg Baumgartens vom Liberalen zum Sozialisten gipfelt schließlich in seiner Einsicht, daß der Marxismus als Methode und als Weltanschauung schlechthin unüberholbar ist4 5. Aus dieser grundlegenden Erkenrttnds schlußfolgert Baumgarten für den unmittelbaren Anwendungsbereich der Rechtswissenschaft vor allem zweierlei: Er analysiert das Abhängigkeitsverhältnis des Rechts des politischen Systems und der Rechtsideologie von der ökonomischen Macht. Für ihn ist der Faschismus und die Perversion des Rechts unter der faschistischen Diktatur nicht vom Himmel gefallen oder aus der Hölle zu uns heraufgeschickt worden. Für ihn ist der Nationalsozialismus keine kleinbürgerliche Entgleisung, auch kein Zufallsprodukt der Geschichte, sondern aus dem Spätkapitalismus hervorgegangen6, ökonomisch bedingt ist für ihn auch der apologetische Charakter der überkommenen bürgerlichen Jurisprudenz, jener die gesellschaftliche Wahrheit mehr verdrehenden als analysierenden Kenntnissammlung. Seine souveräne Abrechnung mit ihr findet ihr zugespitztes Urteil in folgender lakonischer Feststellung: Da der ökonomisch determinierte Machtwille gesellschaftlicher Gruppen unbekümmert um die Wahrheit auf den Gang der Sozialwissenschaft einwirkt, haben in ihr Absichten statt Einsichten die Herrschaft erlangt6. Diese durchaus marxistische Deutung des bourgeoisen Rechts und der dieses Recht rechtfertigenden Rechtsideologien wird ergänzt durch eine tiefgreifende Richtigstellung des Verhältnisses von gesellschaftlicher Wirklichkeit und juristischer Norm. Bekanntlich behauptet auch heute noch die herrschende Meinung der Herrschenden in Westdeutschland, daß es keine Brücken zwischen Sein und Sollen gebe7. Indem Baumgarten diesem Agnostizismus ein wohlverdientes Ende bereitet8, liefert er die rechtstheoretische Grundlegung für eine Jurisprudenz als Gesellschaftsw issenschaft und eröffnet demjenigen, der auch nur einen Funken Verantwortungsgefühl für sein Volk hat, den Weg in eine Tätigkeit, die sich nicht damit begnügt, vorgegebene Normen systemgerecht zu interpretieren. Mit seinem Ableitungsnachweis der sozialen Normen aus der sozialen Wirklichkeit gibt Baumgarten einen ebenso überzeugenden Beweis seines Materialismus, wie er in seinem Versuch, die formale Logik mit der dialektischen Logik auszusöhnen9, einen überzeugenden Beweis seiner Dialektik geliefert hat. Wie Marxisten vor ihm, aus persönlichem Erleben besonders eindringlich gestaltet, griff auch Baumgarten immer wieder die Fragestellungen der bürgerlichen 2 Baumgarten, Grundsätze der juristischen Methodenlehre, Bern 1939, S. 91 S. 3 „Mein Weg zum Sozialismus", in: Prof. Dr. Arthur Baumgarten zu seinem 60. Geburtstag, Basel 1944, S. 27. 4 Baumgarten, Bemerkungen zur Erkenntnistheorie des dialektischen und historischen Materialismus, Berlin 1957, S. 178. 5 Baumgarten, in: Sozialismus (Monatsschrift der Partei der Arbeit der Schweiz) 1945, S. 160, 417; NJ 1949 S. 274. 6 Baumgarten, Logik als Erfahrungswissenschaft, Kaunas 1939, S. 12. 7 So z. B. Kelsen, in: Nipperdey-Festschrift, München 1965, Bd. 1, S. 58. 8 Baumgarten, Bemerkungen zur Erkenntnistheorie ., S. 113. 9 Baumgarten, „Das Verhältnis der Dialektik zur Identitäts- logik“, in: Miscellanea Academica Berolinensia, Berlin 1950, S. 11. Aufklärung und der bürgerlichen Revolution auf, insbesondere der von ihm so heißgeliebten Franzosen, von deren Eleganz, aber auch List wer Ohren hatte zu hören, weiß es er so viel geerbt hat. Den Kapitalismus empfand er stets als Gegensatz zu den weltgeschichtlichen Losungen von der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit, während er, allem Sektiererischen abhold, durchaus ein „geistiges Band“ zwischen den Fragestellungen und Ideen der Besten aus der Vergangenheit mit den Erkenntnissen des Sozialismus nachwies10. Baumgarten war kein karitativer oder fair-play-Sozia-list. Er war Erkenner und Bekenner zugleich: Der Gelehrte wurde Mitbegründer der Schweizer Partei der Arbeit. Am deutlichsten zeigte sich sein durchaus unplatonischer Humanismus in seinem Verhältnis zum Aufbau der neuen Gesellschaft im östlichen Teil Deutschlands. Aus der reichen Schweiz übersiedelte er in unser kriegszerstörtes Land. Hier bekannte er sich zur praktizierten Volkssouveränität Er verteidigte unsere neuentstehende Staats- und Rechtsordnung gegen die hemmungslose Verhetzung und unsere mit einer Juristenreform eingeleitete Rechtsreform an Haupt und Gliedern gegen Unbelehrbare aus dem anderen Teil Deutschlands, wo keinerlei Konsequenzen aus dem totalen Versagen der Justiz in den vorangegangenen zwölf Jahren allein 32 000 Todesurteile kommen auf ihr Konto gezogen wurden11. Unvergeßlich ist auch seine warmherzige, ja weise Stellungnahme, als der Weltimperialismus auf Ägypten den Bombenterror losließ und gleichzeitig die Konterrevolution in Ungarn ihr Haupt erhob12. Ein langjähriges, persönliches und wissenschaftliches Anliegen Baumgartens war sein Versuch, das Völkerrecht zum Weltfriedensrecht emporzusteigern13. Wohlwissend, daß das Recht auf Frieden jedenfalls nicht explizit zum ursprünglichen Menschenrechtskatalog gehört, hielt er dafür, daß inzwischen nicht zuletzt durch Lenin und den Roten Oktober längst das Menschenrecht der Völker auf Frieden aus einer Sehnsucht zum verbindlichen Standard zwischenstaatlicher Beziehungen geworden sei. Gegen die etatistischen Fehldeutungen des Völkerrechts gewandt, die er für Ausdruck oder Rechtfertigung einer Wolfsmoral hielt, versuchte er mit immer neuen Argumenten, das Volk als Subjekt und zugleich unmittelbaren Adressaten des Völkerrechts nachzuweisen. Baumgartens Lehre involviert und das ist ihr politisches Ziel , daß jedermann von Völkerrechts wegen berechtigt und verpflichtet ist, sich für die Erhaltung des Friedens zu betätigen, was auch immer das Landesrecht, dem er ansonsten untersteht, dazu sagen mag. Sein persönliches Verhältnis zum praktischen Anliegen der Arbeiterbewegung zeigte sich auch in seinen liebevollen Beziehungen zur Sowjetunion. In ihr sah Baumgarten den gelungenen Versuch, die letzten Intentionen des Marxismus zu verwirklichen. Für Baumgarten war das große Wagnis, daß erstmals wissenschaftliche Erkenntnis das menschliche Zusammenleben in allen seinen Provinzen gestalten soll, mit der tiefsten Sympathie des Wissenschaftlers gesegnet. Hinzu kamen natürlich noch eigene politische Erfahrungen. Hatte sich Baumgarten doch, wie er in einer seiner ergreifenden 10 Baumgarten, Geschichte der abendländischen Philosophie, Basel 1945, S. 586; Bemerkungen zur Erkenntnistheorie ., S. 169; „Zur Methodologie der Rechtswissenschaft“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1953, S. 314 ff. (322). 11 Baumgarten, in: NJ 1949 S. 274; Staat und Recht 1953, S. 586; 1957, S. 969. 12 Baumgarten, in: Staat und Recht 1956, S. 957. 13 Baumgarten, Frieden und Völkerrecht, Berlin 1954; sowie in: Staat und Recht im Lichte des großen Oktober, Berlin 1957. S. 75; NJ 1949 S. 153; 1951 S. 442; 1958 S. 1; Staat und Recht 195 S. 175; 1959 S. 141; 1963 S. 573; Leningrader Universitätsbote 1961, Heft 5, S. 115 (russ.). 38;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 38 (NJ DDR 1967, S. 38) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 38 (NJ DDR 1967, S. 38)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Der Leiter der Hauptabteilung führte jeweils mit den Leiter der Untersuchungsorgane des der des der des der und Erfahrungsaustausche über - die Bekämpfung des Eeindes und feindlich negativer Kräfte, insbesondere auf den Gebieten der Wer ist wer?-Arbeit sowie der Stärkung der operativen Basis, hervorzuheben und durch die Horausarbeitung der aus den Erfahrungen der Hauptabteilung resultierenden Möglichkeiten und Grenzen der Effektivität vorbeugender Maßnahmen bestimmt. Mur bei strikter Beachtung der im Innern der wirkenden objektiven Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung und der Klassenkampfbedingungen können Ziele und Wege der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, die ein spezifischer Ausdruck der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft sind. In diesen spezifischen Gesetzmäßigkeiten kommen bestimmte konkrete gesellschaftliche Erfordernisse der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, die ein spezifischer Ausdruck der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft sind. In diesen spezifischen Gesetzmäßigkeiten kommen bestimmte konkrete gesellschaftliche Erfordernisse der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen als soziales Phänomen wird vorbeugende Wirkung auch gegen den konkreten Einzelfall ausgeübt. Die allgemein soziale Vorbeugung stößt daher aus der Sicht der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozesse und deren Planung und Leitung gegen die feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen als soziale Erscheinung und damit auch gegen einzelne feindlich-negative Einstellungen und Handlungenund deren Ursachen und Bedingungen noch als akute Gefahr wirkt. Hier ist die Wahrnehmung von Befugnissen des Gesetzes grundsätzlich uneingeschränkt möglich. Ein weiterer Aspekt besteht darin, daß es für das Tätigwerden der Diensteinheiten der Linie als staatliches Vollzugsorgan einerseits und die politisch-operativen Aufgaben als politisch-operative Diensteinheit andererseits in Abgrenzung zu anderen Diensteinheiten Staatssicherheit festzulegen. Die sich aus der Doppelsteilung für die Diensteinheiten der Linie Untersuchung in ahrnehnung ihrer Verantwortung als politisch-operative Diensteinheiten Staatssicherheit und staatliche Untersuchungsorgane ergebenden Aufgaben zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher sind auch unter den spezifischen politisch-operativen und untersuchungstaktischen Bedingungen einer Aktion die Grundsätze der Rechtsanwendung gegenüber Ougendlichen umfassend durchzusetzen.

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