Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 343

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 343 (NJ DDR 1967, S. 343); In der Vorsatzdefinition muß der Begriff der Entscheidung bzw. des Tatentschlusses aufgegliedert werden, und es müssen diejenigen Merkmale herausgearbeitet werden, die das Gericht im Einzelfall feststellen und nachweisen muß, um zu dem Urteil gelangen zu können, daß sich der Täter für die Tat entschieden bzw. zur Tat entschlossen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ein maßstabgerechtes, kongruentes Bild von der subjektiven Tatseite zu zeichnen, sondern die juristisch relevanten psychischen Merkmale herauszuarbeiten, d. h. diejenigen Merkmale, die die Haltung des Täters zu den sich auf die Tat beziehenden elementaren sozialen Verhaltensregeln und damit die (subjektive) Verantwortungslosigkeit seines Verhaltens bestimmen und zum Ausdrude bringen. (Man kann sie beim Vorsatz grob vereinfacht als bewußte Mißachtung bestimmter elementarer Verhaltensforderungen der Gemeinschaft bzw. vom Täter aus gesehen als Mißachtung elementarer Pflichten gegenüber der Gemeinschaft bezeichnen.) Die bisherige Vorsatzdefinition arbeitet diese Momente detailliert heraus, wenn sie auf das Bewußtsein bzw. die Kenntnis aller Tatumstände und den Willen zu ihrer Verwirklichung abstellt. Liegen diese beiden Momente vor, so hat die subjektive Pflichtwidrigkeit in der Regel den Charakter einer bewußten Mißachtung der in den Strafgesetzen erhobenen elementaren Verhaltensregeln. Der Verzicht auf die detaillierte Herausarbeitung der schuldrelevanten Merkmale in der Vorsatzdefinition und ihre Ersetzung durch den Komplexbegriff der Entscheidung ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, denn er überläßt es dem Richter, diese Merkmale aus dem psychischen Gesamtkomplex der Entscheidung herauszuarbeiten, statt sie selbst zu bestimmen16. Gegen eine globale Bezeichnung des Vorsatzes durch den Begriff „Entscheidung“ bestehen keine Bedenken, ebensowenig, wie sie bisher nicht gegen den Begriff des Tatentschlusses bestanden. Aber für die Verwendung in der Vorsatzdefinition, wo es auf die exakte Herausarbeitüng der subjektiven Kriterien der Verantwortlichkeit ankommt, halte ich den komplexen Begriff der Entscheidung für bedenklich. Die Feststellung, daß eine Entscheidung vorliegt, kann nur die Schlußfolgerung aus bestimmten psychischen Umständen sein, die im Einzelfall zu prüfen und nachzuweisen sind. Welche Umstände das sind, muß die Vorsatzdefinition den Rechtspflegeorganen sagen. Die Verwendung des Entscheidungsbegriffs wird vor allem dann problematisch, wenn es sich bei der Tat um ein komplexes objektives Geschehen mit mehreren Handlungsakten, differenzierten Folgeerscheinungen, qualifizierenden und privilegierenden Umständen usw. handelt. Wonach ist zu beurteilen, was alles von der Entscheidung des Täters umfaßt wird? Die Beurteilung des Vorsatzes erfordert ja nicht nur die Beantwortung der Frage, ob eineJSntscheidung (im Sinne der Wahl dieser oder jener Verhaltens- bzw. Zielvariante) vorliegt oder nicht, sondern vor allem die Prüfung der Reichweite der Entscheidung: Was ist bei einem komplexen Tatgeschehen noch und was ist nicht mehr von der Entscheidung umfaßt? Hierauf gibt die auf den Entscheidungsbegriff abstellende Vorsatzdefinition keine Antwort. Sowohl Lekschas als auch Hartmann/Dettenborn/Fröh-lich erheben grundsätzliche Einwände und Bedenken gegen die Verwendung der Begriffe „Bewußtsein“ und 16 Das gleiche gilt für die Ersetzung der Begriffe der Einsichtsund Willens(steuerungs)fähigkeit in der Bestimmung über die Unzurechnungsfähigkeit. Die Jetzt genannten psychischen Kriterien bilden die wesentlichen Momente, von denen die Entscheidungsfähigkeit abhängt. Um zu beurteilen, ob die Entscheidungsfähigkeit vorliegt, muß festgestellt werden, ob der Täter über die Einslchts- und Steuerungsfähigkeit verfügte. In der Frage, wonach die Entscheidungsfähigkeit überhaupt zu beurteilen ist, lassen die §§ 14 und 15 des StGB-Ent-wurfs den Richter im Stich. „Wille“ in der bisherigen Vorsatzdefinition. Sie lassen sich im wesentlichen auf drei reduzieren17. 1. Die Begriffe „Bewußtsein“ und „Wille“ entsprächen einem veralteten Erkenntnisstand und seien durch die unwissenschaftlichen Auffassungen der idealistischen Philosophie vorbelastet. Zunächst ist die Feststellung geboten, daß die bisherige Vorsatzdefinition nicht einfach unter Hinweis auf ihre Entstehungsgeschichte und ihren Entstehungszeitpunkt in Frage gestellt werden darf, wenn man die allgemeine Anerkennung und jahrzehntelange Anwendung in anderen sozialistischen Staaten in Erwägung stellt. Das allein ist natürlich kein Gradmesser für die Richtigkeit dieser Definition, spricht aber dafür, daß wir sie nicht leichtfertig als überkommene und veraltete Bestimmung über Bord werfen dürfen. Auch die Tatsache, daß die Begriffe „Bewußtsein“ und „Wille“ wegen ihrer unwissenschaftlichen Interpretation durch die verschiedensten Schulen und Strömungen der idealistischen Philosophie und Psychologie in Vergangenheit und Gegenwart „theoretisch vorbelastet“ sind18, kann kein Argument gegen die Verwendung dieser Begriffe sein. Wollte man wissenschaftliche Begriffe allein aus diesem Grund in Frage stellen, so müßte man einen großen Teil unseres wissenschaftlichen Begriffsinventars aussondem. Die insbesondere von Psychologen vorgebrachten Einwände, daß die Nebeneinanderstellung der Begriffe „Bewußtsein“ und „Wille“ in der bisherigen Vorsatzdefinition Ausdruck der unwissenschaftlichen Anschauungen der traditionellen bürgerlichen Psychologie sei, nach denen Bewußtsein, Wille und Gefühl als isolierte psychische Erscheinungen bzw. Prozesse aufgefaßt wurden19, berücksichtigen den spezifischen Charakter und die spezifischen Erfordernisse der Vorsatzdefinition als juristischer Definition nicht genügend. Es ist richtig, daß Bewußtsein und Wille nicht „additiv zusammenfügbare psychische Gegebenheiten“ sind20. Die Vorsatzdefinition hat jedoch überhaupt nicht die Aufgabe, etwas über das Wechsel Verhältnis zwischen diesen psychischen Erscheinungen auszusagen; sie hat vielmehr die juristisch relevanten Merkmale aus dem komplexen psychischen Geschehen herauszuschälen, die das subjektive Verhältnis des Täters zu den sozialen Anforderungen der Gesellschaft, also die Verantwortungsbeziehung Individuum-Gemeinschaft, bestimmen und charakterisieren21. Gerade weil sie über die Wechselbeziehung von Bewußtsein und Wille im Motivationsprozeß nichts aussagt und aussagen soll, ist sie nicht vom jeweiligen Erkenntnisstand der Psychologie abhängig und weist eine relative Stabilität auf (was nicht zuletzt auch die nahezu 50jährige Geschichte des sowjetischen Strafrechts bezeugt). Man kann deshalb dieser Vorsatzdefinition auch nicht den Vorwurf machen, sie „assoziiere einen psychischen Kausalmechanismus, den es nicht gibt“, bzw. sei eine „mechanische Addition von Elementen der Bewußtheit und voluntativen Momenten“22. Sie darf ihrem Charakter 17 Hier soU nur auf die wesentlichen Einwände bzw. Feststellungen zu meinen Ausführungen eingegangen werden, nicht aber auf solche, die sich aus einem Mißverständnis bzw. einer einseitigen Interpretation meiner Ausführungen ergeben. 18 So Hartmann / Dettenborn / Fröhlich (a. a. O., S. 220) in bezug auf den Willensbegriff. IS Zur Auseinandersetzung mit diesen unwissenschaftlichen Auffassungen und zur Begründung einer materialistischen Interpretation des Willens vgl. Werker j Seliwanow / Tschchar-tischwili, in: Beiträge zur Psychologie der Persönlichkeit, Informationsmaterial aus der pädagogischen Literatur der Sowjetunion und der Länder der Volksdemokratie, Berlin i960. Heft 25. 20 Lander, „Zur Psychologie der vorsätzlichen Handlung“, in: Schmidt / Kasielke, Psychologie und Rechtspraxis, Berlin 1966, S. 134. 21 vgl. dazu auch Friebel, a. a. O., S. 687. 22 Lekschas, a. a. O., S. 140. 343;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 343 (NJ DDR 1967, S. 343) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 343 (NJ DDR 1967, S. 343)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich neaativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Unterbindung nichtgenehmigter Veröffentlichungen in westlichen Verlagen, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie bei der Bekämpfung der Verbreitung feindlich-negativer Schriften und Manuskripte, die Hetze gegen die und die anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft in der Regel auf Initiative imperialistischer Geheimdienste gebildet wurden und von diesen über Personalstützpunkte gesteuert werden. zum Zwecke der Tarnung permanenter Einmischung in die inneren Angelegenheiten der sozialistischen Staaten zu nutzen, antisozialistische Kräfte in der und anderen sozialistischen Ländern zu ermuntern, eich zu organisieren und mit Aktionen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, insbesondere die rechtzeitige Feststellung subjektiv verur-V sachter Fehler, Mängel, Mißstände und Unzulänglichkeiten, die feindlich-negative Einstellungen und Handlungen als soziale Gesamterscheinung und stößt damit zugleich gegen die einzelnen feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen und ihre Ursachen und Bedingungen vor.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X