Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 309

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 309 (NJ DDR 1967, S. 309); nungswidrigkeiten wird wiederholt das Argument verwendet, daß durch die Verfehlungen grundlegende, elementare Verhältnisse der sozialistischen Gesellschaft, wie das sozialistische und persönliche Eigentum und die Persönlichkeits- bzw. Bürgerrechte, angegriffen oder verletzt werden8. Dieses Kriterium erscheint uns für die Einordnung einer Rechtsverletzung als Straftat, Verfehlung oder Ordnungswidrigkeit ungeeignet. Ihm folgt auch der StGB-Entwurf nicht; er verweist einige Handlungen, die zweifellos das Eigentum angreifen, unter anderen Aspekten in das Ordnungsstrafrecht. Dazu gehören leichte Fälle der rowdyhaften Sachbeschädigung9 und die Benutzung von Fahrzeugen gegen den Willen des Besitzers, wenn für die Führung der Fahrzeuge keine staatliche Erlaubnis notwendig ist.10 Die gegenwärtig als Verfehlungen vorgesehenen Tatbestände charakterisieren zweifellos Verletzungen von Rechten der Bürger. Aber daraus die Konsequenz abzuleiten, es liege somit ein Kriterium für den Strafrechtscharakter der Handlungen vor, beruht im Grunde auf sehr engen Auffassungen von den Grundrechten der Bürger und den durch sie geförderten und geschützten Beziehungen der Bürger untereinander, zum Staat und zur Gesellschaft. Die Staatsrechtswissenschaft der DDR hat zu diesen Fragen umfassende Untersuchungen vorgelegt.11 Diese wurden für die Charakterisierung der Verfehlungen und für die Bestimmung der Kriterien für die Gesetzgebung nach unserer Übersicht bisher nicht ausgenutzt. Verletzungen von Grundrechten ziehen weder in erster Linie noch überwiegend strafrechtliche Sanktionen nach sich. Beispielsweise ist die Pflicht zum Schutze des sozialistischen Eigentums weder ausschließlich noch überwiegend oder primär strafrechtlich gesichert. Sie ist vielfältig, vor allem staatsrechtlich (aus der Rechtsstellung jedes Bürgers) und zivil-, arbeits- und LPG-rechtlich begründet. Sie kann auch, je nach Art und Schwere der Rechtspflichtverletzung, durch diese Rechtszweige und ihre vielfältigen Möglichkeiten der Reaktion auf Rechtsverletzungen allein bzw. durch die speziellen Reaktionen auf Verfehlungen gesichert werden. Dazu kommt, daß die rechtlichen Garantien der Grundrechte und der Verwirklichung der Grundpflichten nur eine Gruppe ihrer Garantien sind und die strafrechtlichen Sanktionen nur ein Teil der juristischen Garantien. Dem juristischen Schutz aller Grundrechte dienen viele staatsrechtliche, zivil-, arbeits- und LPG-rechtliche, ordnungsstrafrechtliche und andere Normen des sozialistischen Rechts. Es ist eng und einseitig, nur einzelne grundrechtlich geschützte Verhältnisse wie Eigentum, Integrität und Ehre als besonders (d. h. hier strafrechtlich) schutzbedürftig zu bezeichnen. Deshalb müssen die Verfehlungen u. E. nicht als Strafrechtsverletzungen charakterisiert werden. Nach unseren Feststellungen in der öffentlichen Diskussion über die Verfehlungen ist Inhalt des Rechtsbewußtseins der Bürger in der DDR nicht die Frage, 8 Vgl. M. Benjamin, a. a. O., S. 79, 95, 97, 106; M. Benjamin / H. Schmidt, a. a. O., S. 31 ff. (37); H. Schmidt / Weber, a. a. O., S. 115. 9 vgl. Anmerkung zu § 203 StGB-Entwurf; ferner Hlnderer / Peiler, „Die Strafbestimmungen zum Schutze der staatlichen Ordnung“, NJ 1967 S. 157. 10 Vgl. Anmerkung zu §188 StGB-Entwurf; ferner Forker/ Gerberding / Nehmer, „Die Bestimmungen zur Bekämpfung der Straftaten gegen die allgemeine Sicherheit“, NJ 1967 S. 155. 11 Vgl. Büchner-Uhder / Poppe / Schiisseler, „Grundrechte und Grundpflichten der Bürger in der DDR“, Staat und Recht 1966, Heft 4, S. 563 ff. und die dort angegebene Literatur; I. Hieb- linger / Tautz, „Demokratie und Grundrechte“, Staat und Recht 1966, Heft 7, S. 1217 ff.; Gesellschaft, Staat, Bürger, „ (Lehrheft für das Fernstudium an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität), Berlin 1965, §§ 67, 8; Haney / Wagner, Grundlagen der Theorie des sozialistischen Staates und Rechts, Teil n, Leipzig 1965, S. 120 ff„ bes. S. 137 ff. welchem Rechtszweig die Tatbestände zuzuordnen sind, oder die Forderung nach dem Strafrecht in den Fällen der Verfehlungen. Es geht vielmehr um eine schnellere, wirksame, variable und rationelle Reaktion auf diese Rechtsverletzungen12. Die Verfolgung einer Handlung als Verfehlung oder Ordnungswidrigkeit ergibt sich auch aus der Notwendigkeit der Ermittlung unbekannter Täter sowie daraus, den notwendigen staatlichen und gesellschaftlichen Aufwand nach Art und Schwere der Rechtsverletzungen vom Gesetz her zu differenzieren.13 Die vielen vom sozialistischen Rechtssystem vorgegebenen Formen der Verantwortung sind für die Bekämpfung weiterer Rechtsverletzungen zu nutzen und damit zu erweitern und zu präzisieren. Die effektivere Bekämpfung relativ geringfügiger Rechtsverletzungen wird so zu einem Anliegen, das der unmittelbaren Einwirkung der Leitungsorgane des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses in ihrem Verantwortungsbereich unterliegt. Die dadurch wirksamer werdende Bekämpfung z. B. der künftigen Verfehlungen ist der bisher uneinheitlichen Praxis überlegen und dient auch der Vorbeugung gegen die Kriminalität. Bei der Regelung der Verfehlungen geht es somit auch um die einheitliche Gestaltung einer wissenschaftlich begründeten, rationellen und in ihrer Wirksamkeit optimalen Organisation des Kampfes gegen die Kriminalität und andere Rechtsverletzungen und dessen Leitung. Einige Fragen der rechtlichen Erfassung der Verfehlungen Die Tatbestände der Eigentumsverfehlungen bedürfen u. E. noch der Präzisierung. Das betrifft z. B. die Frage, ob auch für eine versuchte Eigentumsverfehlung Verantwortlichkeit bestehen soll. Nach der Formulierung in den §§ 150 und 169 des StGB-Entwurfs („entwendet“, „begeht“) soll offensichtlich nur die vollendete Verfehlung Verantwortlichkeit nach sich ziehen. In § 1 Abs. 2 des Entwurfs der Verfehlungsverordnung (WO) wird aber mit der Formulierung „beabsichtigter Schaden“ zum Ausdrude gebracht, daß auch die versuchte Eigentumsverfehlung bereits Verantwortlichkeit nach sich ziehen soll. Wir halten das letztere für richtig, nur muß das auch in den Tatbeständen der Eigentumsverfehlungen klar zum Ausdrude kommen. Die Behandlung des Rückfalls bei Eigentumsverfehlungen ist überhaupt nicht geregelt. § 1 Abs. 2 WO spricht davon, daß der geringfügige Diebstahl oder Betrug bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in der Regel nur dann als Verfehlung zu betrachten ist, wenn es sich um eine erstmalige Tat handelt. Dem stimmen wir voll zu. Was wird aber dann, wenn der Täter bereits einmal oder mehrmals wegen einer Eigentumsverfehlung zur Verantwortung gezogen worden ist? Die Konsequenz aus der in der WO vorgeschlagenen Regelung kann doch nur sein, daß dann, wenn sich Maßnahmen auf der Grundlage der WO als wirkungslos erwiesen haben, der Täter strenger, 12 Vgl. MettinV Möller / Prestel, a. a. O., S. 192. Hinweise auf eine jahrtausendelange Entwicklung der Moralanschauungen bzw. jahrhundertealte Erfahrungen der Werktätigen und darauf, daß Diebstahl und Beleidigung nach den „Traditionen der deutschen Rechtsentwicklung . seit jeher in Deutschland vom Strafrecht geregelt wurden“ (M. Benjamin, a. a. O., S. 81, 95, 106), orientieren u. E. mehr auf die Beibehaltung bisheriger als auf die Entwicklung neuer Normen und Begriffe, die neue, der sozialistischen Gesellschaft in der DDR entsprechende Wege im Kampf gegen Rechtsverletzungen weisen. 13 Nicht folgen können wir deshalb der Anregung von Goll-nick, „die Vernehmung als Beschuldigter auch bei Verfehlungen“ zuzulassen (vgl. Mettin / Möller / Prestel, a. a. O., S. 192 f.) Das liefe darauf hinaus, das Ermittlungsverfahren auch auf Verfehlungen auszudehnen, was nach § 99 Abs. 2 des StPO-Ent-wurfs zu Recht unzulässig sein soll. Es wäre aber auch nicht rationell, denn die vorgesehenen Zwangsmittel reichen u. E. aus. 309;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 309 (NJ DDR 1967, S. 309) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 309 (NJ DDR 1967, S. 309)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspiration und ihrer Person erfolgen? Bei den Maßnahmen zur Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspirierung und ihrer Person ist stets zu beachten, daß beim Erhalten und Reproduzie ren der insbesondere vom Kapitalismus überkommenen Rudimente in einer komplizierten Dialektik die vom imperialistischen Herrschaftssystem ausgehenden Wirkungen, innerhalb der sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen und individuellen Bedingungen zu erfassen und aufzuzeigen, wie erst durch die dialektischen Zusammenhänge des Wirkens äußerer und innerer Feinde des Sozialismus, der in der sozialistischen Gesellschaft und in den Bedingungen und Möglichkeiten der politisch-operativen Arbeit verwurzelter konkreter Faktoren. Es muß als eine Grund- frage der Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen als soziales Phänomen wird vorbeugende Wirkung auch gegen den konkreten Einzelfall ausgeübt. Die allgemein soziale Vorbeugung stößt daher aus der Sicht der Untersuchungsergebnisse der größere Bereich von Personen, der keine Fragen stellt Weil er schon auf seinem Entwicklungsweg zu der Überzeugung kam.

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