Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 219

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 219 (NJ DDR 1967, S. 219); „Wille“ und „Bewußtsein“ nicht genügend Überzeugungskraft zu haben scheinen11. Die Wissenschaften vom menschlichen Erleben befinden sich in der eigenartigen Lage, ihre Gegenstände begrifflich oftmals nicht genügend adäquat ausdrücken zu können. So müssen sie vieldimensionierte Sachverhalte in einer sprachlichen Markierung erfassen, die der Komplexität der psychischen und sozialen Tatbestände oftmals nicht gerecht zu werden vermag. Einmalige, unwiederholbare (d. h. individuelle) Erlebnisse von prozeßhaftem Verlauf müssen in generellen und statischen Formen (Begriffen) ausgedrückt werden. Den fortschreitenden wissenschaftlichen Einsichten in psychische Zusammenhänge vermögen die begrifflichen Fixierungen nicht zu folgen, so daß Situationen entstehen, in denen sprachliche Formen einen veränderten Inhalt bekommen bzw. von Zeit zu Zeit neue Begriffe für wissenschaftliche Erkenntnisse geprägt werden müssen. Nichtdinghafte Sachverhalte, Erscheinungsweisen, Prozesse und Strukturen werden so ausgedrückt (substantiiert), als wären sie als solche existent und lokalisierbar (z. B. das Gefühl oder d i e Sympathie). Letztlich sei noch erwähnt, daß für verschiedene Lebensbereiche und damit auch für verschiedene Sachverhalte oder zumindest doch Aspekte gleicher Sachverhalte identische Bezeichnungen benutzt werden. Alle diese Besonderheiten treffen auch auf den Begriff „Bewußtsein“ zu, nur daß hier die Verhältnisse undurchsichtiger und weitaus verwickelter sind, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Wir kennen einmal die große Klasse der Bewußtseinsbegriffe, in denen sich philosophisch auf der entsprechend abstrakten Bezugsebene die materialistische Konzeption vom Bewußtsein widerspiegelt: „Bewußtsein“ als höchste Form der Widerspiegelung der Materie und als höchstes Produkt der in besonderer Weise organisierten Materie (Zentralnervensystem, insbesondere der menschliche Kortex). Diese erkenntnistheoretische Fassung des Bewußtseins ist zugleich die allgemeinste12. „Bewußtsein“ als „Gesamtheit der psychischen Tätigkeiten“, d. h., das Bewußtsein ist Bewußtsein von der objektiven Welt, der Natur und der Gesellschaft, es ist Bewußtsein des Menschen von sich, also Selbstbewußtsein und damit auch Bewußtsein vom Handeln und von der eigenen psychischen Tätigkeit, wobei die Grundlage des gesamten Bewußtseins das Bewußtsein von der objektiven Welt bildet13. Dieser in der Philosophie notwendige hohe Abstraktionsgrad, der in diesen Bewußtseinsbegriffen die entsprechende Bezugsebene berücksichtigt, ist für die Strafrechtswissenschaft nicht unmittelbar verwendbar. Auf ihrer Ebene handelt es sich um konkrete persönlichkeitsgebundene soziale Handlungen. Hinzu kommt, daß auch von der Psychologie der grundsätzliche Einwand gemacht werden muß, die „Gesamtheit der psychischen Tätigkeiten“ also auch Gefühlserlebnisse, 11 Vgl. u. a. Lander, a. a. O., S. 132; H.-D. Schmidt, „Fahrlässigkeit und Entscheidung“, ebenda, S. 140 ff.; H.-D. Schmidt, Leistungschance , S. 11; Lekschas / Loose / Renneberg, Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964, S. 80. Wenn im folgenden die verschiedensten Bedeutungsgehalte und Problemkomplexe von „Bewußtsein“ und „Wille“ beispielhaft skizziert werden, so soll damit nicht eine Ordnung oder gar Klärung dieser psychischen Sachverhalte erstrebt werden. Das muß der psychologischen Grundlagenforschung und Theoriebildung Vorbehalten bleiben. Es soll lediglich gezeigt werden, wie begründet die Vorbehalte moderner wissenschaftlicher Forschung gegenüber der Beibehaltung von Begriffen wie „bewußt“ und „gewollt“ in der Vorsatzdefinition sind. Des weiteren wird erst auf diesem Hintergrund deutlich sichtbar, welche Vorteile für die Rechtspraxis der Entscheidungsbegriff bietet. 12 Vgl. Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus, Werke, Bd. 14, S. 40, 326. 13 Klaus / Buhr, Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1965, S. 89. Affektzustände und triebmäßige Bedürfnisse als Bewußtsein zu bezeichnen. Wir kennen zum anderen solche Bewußtseinsbegriffe, die bereits für die Forschungs- oder Bezugsebene des sozialistischen Strafrechts bedeutsam sein können. Hier wird das Problem von soziologischen, sozial- oder individual-psychologischen Aspekten behandelt1*. In einem engen Zusammenhang mit diesem Bewußtseinsbegriff steht das „Bewußtsein“ als gesellschaftliche Bewußtheit. Der Unterschied der (gesellschaftlichen) Bewußtheit zum Gesellschaftsbewußtsein liegt darin, inwieweit es einem einzelnen oder einer Gruppe gelungen ist, das gesellschaftliche Bewußtsein in sich aufzunehmen, es zu verarbeiten und damit als Verhaltensmaxime im gesellschaftlichen Alltag zu praktizieren. Es ist also die Konkretisierung und Verhaltenswirksamkeit des gesellschaftlichen Bewußtseins auf den individuellen Fall, wobei planend und zielstrebig gesellschaftliche Zwecke verfolgt werden. Von großem Interesse ist dabei, wie Rubinstein den sozialen und psychisch-individuellen Inhalt des Bewußtseins faßt. Für ihn ist Bewußtsein die „Einheit von Erleben und Wissen“15 *. Das „Wissen“ ist ein Kernbestandteil des Bewußtseins; es läßt sich ja auch ethy-mologisch (con-science) darauf zurückführen. Es schließt stets Erleben in sich ein. Daß aber auch diese bestechend einfache Definition die Problematik des Bewußtseins nicht ohne weiteres lösen kann, zeigen Rubinsteins Auffassungen vom „unbewußten“ Erleben (es liege vor, wenn „der Gegenstand, durch den es hervorgerufen wurde, nicht bewußt wird“) und vom unbewußten Handeln oder Verhalten (bei denen der Mensch sich seiner Tat, aber nicht der Folgen bewußt werde, die sie nach sich ziehen muß)11’. Wenn das Bewußtsein „immer die Einheit des Bewußtgewordenen und des Nichtbewußtgewordenen, des Bewußten und des Unbewußten, der ineinander verflochtenen und vielfach verbundenen wechselseitigen Übergänge“17 ist, erhebt sich beispielsweise für die Strafrechtswissenschaft sofort die Frage: Wann ist ein psychischer Inhalt als „bewußt“ anzusprechen? Dann, wenn von ihm 45 % oder bloß 25 % unbewußt sind? Was besagt es also z. B. für eine strafrechtlich relevante Handlung, wenn Rubinstein formuliert, daß bei dieser Einheit die Bewußtheit „führend“ sei? Weiter ist zu fragen, wie es sich mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Verhält, wenn in dieser Einheit die nichtbewußten Anteile leicht überwiegen. Welche Anteile müssen dem Täter bewußt sein, um seine Schuld begründen zu können, oder beeinflußt dieses Verhältnis „bewußt unbewußt“ den Grad des persönlichen Verschuldens? Es soll hier nicht gegen Rubinstein polemisiert werden, der mit seiner „Allgemeinen Psychologie“ ganz andere Zielstellungen verfolgte. An diesem Beispiel wird nur verdeutlicht, daß die Strafrechtswissenschaft selbst hier echte und ganz spezifische Probleme lösen muß; diese Aufgabe läßt sich unter Berufung auf allgemeine psychologische Arbeiten allein nicht lösen. Schließlich kennen wir aus der Psychologie noch weitere Bewußtseinsbegriffe, die ebenfalls für die Strafrechtswissenschaft von Bedeutung sein können: Bewußtsein als Selbst-Bewußtsein, als Reflexion über die Stellung des Menschen zu den Dingen, zu den Mitmenschen und sich selbst. Eine solche Bewußtseinsform liegt im Unterschied zu der sozialen Funktion des Selbstwertgefühls vor, wenn M Auch hier wollen wir nur diejenigen Bewußtseinsauffassun- gen wiedergeben, die für die Schuldproblematik von Bedeu- tung sind. 15 Rubinstein, Grundlagen der allgemeinen Psychologie, Berlin 1961, S. 21. 1 Ebenda, S. 22. 17 Ebenda. S. 23. 219;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 219 (NJ DDR 1967, S. 219) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 219 (NJ DDR 1967, S. 219)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und bei Erfordernis mit weiteren Diensteinheiten Staatssicherheit sowie das aufgabenbezogene politisch-operative Zusammenwirken mit den zuständigen Gerichten, der Staatsanwaltschaft sowie anderen Organen und Einrichtungen bei der Organisierung einer wirksamen vorbeugenden Tätigkeit ist Grundlage für die zielstrebige und systematische Nutzung der Kräfte, Mittel und Möglichkeiten dieser Institutionen für die Erarbeitung von Ersthinweisen oder die Ergänzung bereits vorliegender Informationen Staatssicherheit . Unter Berücksichtigung der spezifischen Funktionen dieser Organe und Einrichtungen und der sich daraus ergebenden differenzierten Möglichkeiten für die Erarbeitung von - Zielen, Inhalterf uclMethoden der Erziehung und Selbsterziehung sJcfer Befähigung des Untersuchungsführers im Prozeß der Leitungstätigkeit. An anderer Stelle wurde bereits zum Ausdruck gebracht, daß die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie und ihre Bedeutung für die Erziehung und Befähigung von Untersuchungsführern durch den Leiter. wirklich! Cbl. tück der Leitungs ;L Vergleiche Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung in den Kreisdienststellen Objektdienststeilen Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf dem zentralen Führungs- seminar über die weitere Vervollkommnung und Gewährleistung der Sicherheit der Vorführung so zu erfolgen hat, daß Gefahren und Störungen rechtzeitig erkannt und beseitigt vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen der Sicherheit der Vorführung eingeleitot werden.

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