Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 757

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 757 (NJ DDR 1966, S. 757); Dieses makabre Spiel hatte aber nicht nur eine militärische sowie eine innen- und außenpolitische Seite. Es ist auch unter dem Aspekt des Verfassungsrechts höchst aufschlußreich. Man behauptete zwar, es habe sich um eine Übung auf rein hypothetischer Grundlage gehandelt, durch die keinesfalls ein Präjudiz geschaffen werden sollte, weshalb der von verschiedenen Seiten in der westdeutschen Öffentlichkeit erhobene Vorwurf des Verfassungsbruchs absurd sei. Doch eine Nachprüfung des gesamten Übungsablaufs ergibt, daß man von fingierten „rechtlichen“ Voraussetzungen ausgegangen ist die man grundsätzlich verwirklichen will, wie die Bundestagsdebatte am 26. Oktober 1966 gezeigt hat welche insgesamt im Widerspruch zum Bonner Grundgesetz stehen. Deshalb war der Fallex-Bunker-Exzeß rechtlich gesehen teils Vorbereitung zum Verfassungsverrat, teils bereits dessen Vollendung. Gemäß § 89 des westdeutschen StGB begeht derjenige Verfassungsver-rat, der „es unternimmt, durch Mißbrauch oder Anmaßung von Hoheitsbefugnissen . einen der in § 88 be-zeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen“7. Das betrifft vor allem die phantastische Konstruktion des „Gemeinsamen Ausschusses“. Wie aus dem seinerzeitigen Bericht des CDU-Abgeordne-ten Benda zu dem vom Rechtsausschuß des Bundestages vorgelegten Entwurf der „Notstandsverfassung“ hervorgeht, soll dieser gemeinsame Ausschuß“ neben Bundestag und Bundesrat als geheimes Gesetzgebungsorgan „bereits in Normalzeiten“ tätig werden8. Dieser Ausschuß soll regelrecht die ihm von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe auf Vorrat „billigen“. Es soll sich dabei um Gesetzesvorlagen handeln, die „entweder aus Gründen der Geheimhaltung oder aus anderen politischen Gründen“ nicht im Rahmen der normalen Gesetzgebung verabschiedet werden könnten. Gemeint ist hier bei „anderen politischen Gründen“ u. a. die schockierende Wirkung, die die beabsichtigten „Gesetze“ bei der Bevölkerung hervorrufen würden. Die „gebilligten“ Vorlagen der Bundesregierung sollen dann nach Feststellung des „Zustands der äußeren Gefahr“ vom Gemeinsamen Ausschuß „verabschiedet und in Kraft gesetzt“ werden. Und damit auch alles im „Ernstfall“ funktioniert, heißt es in dem Bericht von Benda: „Es müssen bereits auf Grund der Gesetz entwürfe (!) auf allen Verwaltungsebenen organisatorische und verwaltungsinterne Maßnahmen vorbereitet und getroffen werden, damit der sofortige Gesetzesvollzug gewährleistet ist. Diese vorsorglichen Maßnahmen sind aber nur dann sinnvoll, wenn damit gerechnet werden kann, daß der Gemeinsame Ausschuß die Gesetze auch in der Entwurfsfassung verabschiedet.“9 Nirgends auf der Welt gibt es solch monströse Regelungen, wie sie hier vorgesehen sind. Zunächst ist der „Gemeinsame Ausschuß“ nach der Rechtsausschuß-Fassung schon deshalb ein verfassungswidriges Organ, weil durch ihn zweierlei Abgeordnete geschaffen werden 7 § 88 Abs. 2 des westdeutschen StGB lautet: „Verfassungsgrundsätze im Sinne dieses Abschnitts sind 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung .auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung; 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.“ 8 Bericht des Abgeordneten Benda, z u Bundestagsdrucksache IV/3494, S. 4, 8. 9 Ebenda, S. 10 (Hervorhebung im Zitat von. mir. E. G). diejenigen, die ihm angehören, und diejenigen, die ihm nicht angehören; denn er soll ja kein gewöhnlicher Parlamentsausschuß sein, dem von der Natur der Sache her nur eine begrenzte Zahl von Parlamentariern angehören kann. Der Rechtsausschuß hatte vielmehr vor, „mit dem Gemeinsamen Ausschuß ein Verfassungsorgan eigener Art zu schaffen“1 2 3 4 5 6 10 *. Außerdem ergibt sich die Verfassungswidrigkeit dieses Ausschusses auch daraus, daß die neben den 22 Bundestagsabgeordneten vorgesehenen 11 Mitglieder des Bundesrates wie es in Art. 53a Abs. 1 des Entwurfs heißt, soll jedes Land vertreten sein, also hiernach auch rechtswidrig Westberlin nicht an Weisungen gebunden sein sollen, wie das normalerweise der Fall ist. Daraus ergibt sich eine nach Art. 79 Abs. 3 GG k unzulässige Durchbrechung des föderalistischen Prinzips. Zum anderen ist natürlich auch die totale Ausschaltung des Bundestages und des Bundesrates als der verfassungsmäßigen Gesetzgebungsorgane in entscheidenden Lebensfragen durch eine geheime „Rechtsetzung“ wer fühlt sich hier nicht an die „geheimen Führerbefehle“ erinnert? zu einer Zeit, wo sie sowohl versammlungsfähig als auch tätig sind, einfach unüberbietbar. Doch nicht genug damit. Die Exekutive soll tätig werden „auf Grund der Gesetzentwürfe“, d. h. der „gebilligten“, aber nicht „verabschiedeten“ und damit nicht „in Kraft“ befindlichen Regelungen. Wo bleibt das vielberufene Prinzip der „Gesetzmäßigkeit der Vollziehung“, die Bindung der vollziehenden Gewalt „an Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG)? Und wie soll eigentlich das Bundesverfassungsgericht seine Normenkontrolle ausüben können, wenn es sich um „Gesetze“ handelt, die nicht verabschiedet sind? Deshalb ist das sarkastische Urteil, das R i d d e r über die angestrebte „Schubladengesetzgebung“ gefällt hat, vollauf berechtigt: „Mit dieser Technik der ,Vorratsgesetzgebung‘ . , . hat die Staatskunst des Ausnahmezustands ihre primitiven Vorläufer der rohen Regierungsgesetzgebung in den hergebrachten Diktaturen weit hinter sich gelassen. Flier liegt nicht einmal mehr im Sinne solcher altväterlicher oder faschistischer Herrschaftssysteme ein geordnetes Rechtsetzungsverfahren vor.“11 Somit erweist sich der „Gemeinsame Ausschuß“ lediglich als Feigenblatt der Exekutive, das den Schein einer parlamentarischen Verantwortlichkeit Vortäuschen soll, und dies wiederum nur beim „Zustand der äußeren Gefahr“. In der Bundestagsdebatte am 28. September 1960, wo der erste Entwurf einer Notstandsverfassung überhaupt in erster Lesung behandelt wurde, hatte der damalige Bundesinnenminister Schröder einen derartigen Ausschuß mit den Worten abgelehnt, so schön und einfach sich eine solche Sache vielleicht auf dem Papier lesen möge, so unbrauchbar sei sie für die Praxis, und er könne deswegen einer solchen Regelung nicht zustimmen12. Die von ihm damals formulierte Kernthese der gesamten Notstandsgesetzgebung, daß die Ausnahmesituation die Stunde der Exekutive sei, weil in diesem Augenblick gehandelt werden müsse, wurde durch die Aufrichtung einer „Notparlament“-Attrappe keineswegs aufgegeben. Vergleicht man den Schröder-Entwurf für eine „Notstandsverfassung“ von 1960 mit dem Höcherl-Entwurf von 1962 und schließlich mit der Fassung des Rechtsausschusses von 1965, so zeigt sich, daß die ins Auge gefaßte Ausschaltung der gesetzgebenden Körperschaften im Zuge der Neuformulierungen immer mehr verdeckt wurde. An der beabsichtigten verfassungswidrigen Befestigung des Übergewichts der Exekutive 10 Ebenda, S. 8. H Bidder, Notstand ’66, Köln 1966, S. 411. 12 Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 124. Sitzung am 28. September 1960, S. 7177 (C). 1 757;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 757 (NJ DDR 1966, S. 757) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 757 (NJ DDR 1966, S. 757)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendliche. Zum gegnerischen Vorgehen bei der Inspirierung und Organisierung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher sowie zu wesentlichen Erscheinungsformen gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher Möglichkeiten und Voraussetzungen der konsequenten und differenzierten Anwendung und Durchsetzung des sozialistischen Strafrechts sowie spezifische Aufgaben der Linie Untersuchung im Prozeß dar Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Konspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der Forschungsergebnisse, Vertrauliche Verschlußsache Aufgaben und Möglichkeiten der Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Dugendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Potsdam Zank, Donner, Lorenz, Rauch Forschungsergebnisse zum Thema: Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermitt lungsverfahren. Die Planung ist eine wichtige Methode tschekistischer Untersuchungsarbeit. Das resultiert vor allem aus folgendem: Die Erfüllung des uns auf dem Parteitag der gestellten Klassenauft rages verlangt von den Angehörigen der Linie mit ihrer Untersuchungsarbeit in konsequenter Verwirklichung der Politik der Partei der Arbeiterklasse, insbesondere in strikter Durchsetzung des sozialistischen Rechts und der strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Beschuldigtenvernehmung als auch durch die strikte Einhaltung dieser Bestimmungen, vor allem der Rechte des Beschuldigten zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge nachgewiesen ist. Dazu sind das Resultat des Wahrheitsnachweises sowie die Art und Weise seines Zustandekommens objektiv und umfassend zu dokumentieren.

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