Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 731

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 731 (NJ DDR 1966, S. 731); lungen durch Wehrmacht und SS bemüht, weil sie wegen der Exportschwierigkeiten infolge des Krieges einen Produktionsrückgang (sprich: Profitausfall) befürchtete. Diese „Befürchtung“ erwies sich als unbegründet. Zyklon B wurde das bevorzugte Massenmordinstrument in den Konzentrations- und Vernichtungslagern5 6. Mit Recht sagte Kaul in seinem Schlußvortrag, daß alle diese Feststellungen auf den eigentlichen Träger cjes Naziregimes hinweisen: auf die aggressiven Kräfte des deutschen Monopolkapitals, denen der Profit über alles ging. Die Integration von Naziverbrechern in die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Wichtige Erkenntnisse ließen sich auch aus dem Auftreten der Angeklagten und jener Zeugen gewinnen, die den Naziterror selbst aktiv unterstützt hatten. Die Angeklagten haben wie dies auch in anderen Prozessen gegen Naziverbrecher in der Bundesrepublik regelmäßig geschieht durchweg geleugnet. Dieses Leugnen beschränkte sich nicht etwa auf ihre persönliche Rolle in dem verbrecherischen Geschehen. Die Angeklagten versuchten darüber hinaus, den verbrecherischen Charakter des Geschehens schlechthin abzustreiten, soweit sie selbst darin verstrickt waren. So behauptete der Angeklagte Burger, er habe Zyklon B nur für Desinfektions- und Entwesungszwecke bestellt. Mit der Beschaffung dieses Gases für die Ermordung von Menschen habe die Abteilung Verwaltung der KZ-Kommandantur nichts zu tun gehabt. Und der Angeklagte Neubert erklärte, seines Wissens sei der gesamte Betrieb im Häftlingskrankenbau Monowitz darauf abgestellt gewesen, kranke Häftlinge zu heilen bzw. in andere Krankenbauten zur Weiterbehandlung zu verlegen. Im Verlauf der Beweisaufnahme traten zahlreiche schwer belastete Angehörige der nazistischen Ministe-rialbürokratie, Industriekapitäne und frühere hohe SS-Führer als Zeugen auf. So hörte das Gericht beispielsweise den ehemaligen stellvertretenden Betriebsführer des IG-Bunawerkes in Auschwitz, Faust, den früheren Degesch-Direktor Peters, den Mitverfasser verbrecherischer nazistischer Rassengesetze Globke und einige der engsten Mitarbeiter Himmlers in der obersten SS-Fijhrung. Sie alle leben heute in der Bundesrepublik unbehelligt und konnten wiederum in einflußreiche Positionen gelangen. Ihre Anwesenheit im Gerichtssaal verdeutlichte mehr, als statistische Darlegungen es vermocht hätten, daß heute in der Bundesrepublik die gleichen Kräfte herrschen wie zur Hitlerzeit. Auch diese Zeugen leugneten nicht nur jede Mitwirkung an den geschehenen Verbrechen, sondern bestritten global, von diesen Verbrechen überhaupt Kenntnis gehabt zu haben. So behauptete Faust, daß er von der Ermordung der auf seine Veranlassung aus Monowitz „abgeschobenen“ Häftlinge erst nach Kriegsende erfahren habe obwohl er in Monowitz fast täglich den Geruch verbrannten Menschenfleisches wahrnehmen konnlje. Und Peters behauptete, er habe angenommen, das von der SS-Führung bestellte Zyklon B ohne Wamstoff8 sei für den „humanen“ Vollzug „ordnungs- 5 Nicht zuletzt aus diesem Grunde stieg die Zyklon-Produktion von 179,8 to im Jahre 1939 auf 411,2 to im Jahre 1943. An das KZ Auschwitz wurden nachweisbar im Jahre 1942 insgesamt 7478,6 kg im Werte von 44 575 RM und im Jahre 1943 insgesamt 12174,9 kg im Werte von 71 849 RM geliefert. Dem Angeklagten Burger, der diese verbrecherischen Geschäfte für die SS vornahm, konnte die Beschaffung von 14 493,44 kg im Werte von 89 028 RM nachgewiesen werden. 6 Es war gesetzlich vorgeschrieben, daß das fast geruchlose Zyklon B mit einem Zusatz versehen werden mußte, der beim Ausströmen des Gases zu einer Reizung der Augen- und Nasen- schleimhäute führte und dadurch die umstehenden Menschen warnte. Dieser „Warnstoff“ wurde bei dem an die Vernichtungslager gelieferten Zyklon B weggelassen, damit die zur Ermordung bestimmten Opfer bis zuletzt getäuscht werden konnten. gemäß“' ausgesprochener Todesurteile bestimmt gewesen obwohl ihm bekannt war, daß das deutsche Strafrecht den Vollzug der Todesstrafe durch Giftgas nicht kennt, und obwohl die von ihm eingestandenermaßen gelieferte Menge nach seinen eigenen Berechnungen ausreichte, um 500 000 Menschen zu töten. Dieses Auftreten von Angeklagten und Zeugen hat wie Kaul in seinem Schlußvortrag eindrucksvoll darlegte gesellschaftspolitische Ursachen. Diese Zeugen wissen sich in die gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik völlig integriert, sie fühlen sich sogar als die berufenen Träger dieser Ordnung. Das gibt ihnen eine gewisse innere Sicherheit. Zugleich aber befürchten sie, durch wahrheitsgemäße Aussagen über ihre Tätigkeit und ihr Wissen während der Nazizeit aus ihrer gesellschaftlichen Geborgenheit herausgestoßen zu werden. Sie wissen, daß sehr viele Personen aus ihrer eigenen Umwelt, die einflußreiche Positionen innehaben, durch Nennung von Namen oder Tatsachen in Verbindung mit Naziverbrechen bloßgestellt werden könnten. Und sie wissen, daß diese Personen heute noch mächtig genug sind, um sie selbst als Antwort auf eine Bloßstellung gesellschaftlich zu isolieren und materiell zu ruinieren. So schweigen und leugnen diese Zeugen, und sie werden dazu noch durch die Gewißheit ermuntert, daß die bundesdeutsche Justiz dieses Verhalten duldet was sich wiederum letztlich nur damit erklären läßt, daß auch diese Justiz weitgehend von den gleichen gesellschaftlichen Kräften und deren Geist beherrscht wird. Nicht viel anders ist es bei den Angeklagten. Auch sie fühlen sich in die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik integriert. Mit Recht machte Kaul darauf aufmerksam, daß es diesen Angeklagten als ein selbstverständliches „Recht“ erscheinen muß, gleichberechtigte Bürger in einer Ordnung zu sein, in der die gleichen Personen, mit denen sie einst in Auschwitz zusammenarbeiteten oder die ihnen scheinjuristische Grundlagen für ihre Verbrechen lieferten, in voller Freiheit leben und sogar in führenden Positionen des Staatsapparates, der Wirtschaft oder der Justiz tätig sind. Er erscheint den Angeklagten nachgerade als ungerecht, für ein Verhalten vor Gericht gestellt zu werden, das "sie als Weitaus weniger bedeutsam ansehen als das Verhalten dieser anderen. Dieser gesellschaftliche Hintergrund wurde besonders in der Gegenüberstellung mit den Aussagen des inzwischen vom Obersten Gericht der DDR zum Tode verurteilten KZ-Arztes Fischer7 deutlich. Er war entsprechend einem offiziellen Rechtshilfeersuchen an den Generalstaatsanwalt der DDR durch das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte als Zeuge für den zweiten Auschwitz-Prozeß vernommen worden. Das in der Frankfurter Hauptverhandlung verlesene Protokoll über seine Vernehmung ließ erkennen, daß -Fischer bei allem Bemühen, seine persönliche Schuld möglichst gering erscheinen zu lassen, diese Schuld doch anerkannte und auch selbst bereit war, zur Aufklärung der Wahrheit beizutragen. Dieses Verhalten beruhte letztlich wohl darauf, daß Fischer in der Deutschen Demokratischen Republik keine gesellschaftliche Integration zu verteidigen hatte, sondern sich vom Zeitpunkt seiner Entdeckung an faktisch von seiner Umwelt ausgestoßen wußte. Ebenso wußte Fischer, daß die Justiz auch ohne sein Zutun die volle Wahrheit über die Hintergründe und Zusammenhänge der Auschwitz-Verbrechen aufklären und die Hauptschuldigen mit Namen nennen würde. Dieses Wissen erübrigte alle Überlegungen, ob und wie er sich etwa durch Schweigen oder Leugnen hätte wirkungsvoll verteidigen können. 7 Vgl. OG, Urteil vom 25. März 1966 - 1 Zst (I) 1/66 - (NJ 1966 S. 193 ff.). J 7 31;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 731 (NJ DDR 1966, S. 731) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 731 (NJ DDR 1966, S. 731)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die erhobene Beschuldigung mitgeteilt worden sein. Die Konsequenz dieser Neufestlegungen in der Beweisrichtlinie ist allerdings, daß für Erklärungen des Verdächtigen, die dieser nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsvertahrens. Sie wird nicht nur getroffen, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten empirischen Untersuchungen für die Währung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, e,pschaftlichkeit und Gesetzlich!:eit als Schwerpunkte erwfesen - die sichiere Beherrschung der strafverf aürensr echtliclien. Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Verdachtshinweise Liegen Hinweise auf den Verdacht einer Straftat vor, haben der Staatsanwalt und das Untersuchungsorgan zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Hinweise auf den Verdacht einer Straftat begründende Handlung allseitig und unvoreingenommen aufzuklären und den Täter zu ermitteln. Dabei ist für die weitere Durchsetzung der Politik der Partei, für den Kampf gegen Pereonenzusammenschlüsse und deren Tätigwerden gegen die Rechtsordnung der nach den Ergebnissen des Folgetreffens in Wien durch die Linie in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Diensteinheiten voraus. Unter den politisch-operativen Bedingungen bevorstehender Aktionen und Einsätze sowie abzusichernder Veranstaltungen sind in Zusammenarbeit mit den anderen operativen Diensteinheiten spezifisch gestaltete Aufgaben zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher erfordert, an die Anordnung der Untersuchunoshaft hohe Anforderungen zu stellen.

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