Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 690

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 690 (NJ DDR 1966, S. 690); den Beratungen über den § 90a im Rechtsausschuß teilgenommen und ist dabei ausdrücklich über den Sinn des § 90a Abs. 3 aufgeklärt worden.“ Dementsprechend wird im Urteil ausdrücklich noch einmal festgestellt: „Das als strafbar festgestellte Gesamtverhalten des Angeklagten verletzt den § 90a StGB und damit tateinheitlich auch sämtliche übrigen angewandten Strafgesetze (§ 73 StGB).“ Walter Fisch hatte tatsächlich als Bundestagsabgeordneter der KPD im Rechtsausschuß Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 90a Abs. 3 StGB geäußert. Als Vertreter der Bundesregierung hatte ihn daraufhin der damalige Ministerialdirigent Rotberg darüber zu belehren versucht, daß diese Bestimmung keine Verfassungsnorm verletze. Die Anwendung des § 90a Abs. 3 StGB zur nachträglichen Bestrafung von Mitgliedern der KPD, die vor dem Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts im besten Glauben für die Partei tätig gewesen waren, erweckte jedoch auch in westdeutschen Juristenkreisen große Bedenken. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung mußte das Bundesverfassungsgericht durdi Urteil vein 21. März 1961 auf Grund einer Verfassungsbeschwerde § 90a Abs. 3 StGB für gänzlich nichtig und § 90a Abs. 1 StGB insoweit für nichtig erklären, „als er das Gründen und Fördern politischer Parteien mit Strafe bedrohe“. Die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Walter Fisch war nun nicht mehr zu umgehen, denn § 79 BVerfGG bestimmt: „Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer für nichtig erklärten Norm beruht, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.“ Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nahm sich hierfür Zeit: Erst am 11. März 1964 erließ er den längst fälligen Beschluß, durch den die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wurde; jedoch bestimmte der Beschluß ausdrücklich, daß „die im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch aufrechterhalten“ bleiben. In der Hauptverhandlung, die auf Grund dieses Beschlusses schließlich auf den 20. September 1966 angesetzt wurde, hatte Senatspräsident Rotberg den Vorsitz, der als Ministerialdirigent seinerzeit Walter Fisch im Rechtsausschuß so unrichtig belehrt hatte. Bereits zu Beginn der Verhandlung stellte die Verteidigung3 den Antrag, den Wiederaufnahmebeschluß insoweit aufzuheben, als die im Urteil von 1958 getroffenen tatsächlichen Feststellungen erhalten bleiben sollten. Zur Begründung legte die Verteidigung dar, daß die Wiederaufnahme eines Verfahrens im Sinne der westdeutschen Strafprozeßordnung eine völlig neue Durchführung der Hauptverhandlung verlange und insofern mit einem Revisionsverfahren nicht verglichen werden könne. Die Verteidigung wies darauf hin, daß ein Festhalten an den 1958 getroffenen tatsächlichen Feststellungen praktisch die Verweigerung rechtlichen Gehörs darstelle; bei (rechtswidriger) Ablehnung des Antrags müßte Verfas- sungsbeschwerde erhoben werden. Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft forderte, den Antrag der Verteidigung abzulehnen. Das Gericht entschied dementsprechend und weigerte sich auch, die Verhandlung auszüsetzen, bis über die Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht entschieden sei. Vielmehr ließ der Vorsitzende sofort das Urteil vom 13. Juni 1958 verlesen. Der diesem Urteil 3 ln diesem Verfahren wurde Walter Fisch vom Autor allein verteidigt. zugrunde liegende Eröffnungsbeschluß bezog sich wie dargelegt nur auf die als Hochverrat angesehene Mitwirkung Walter Fisdis an der Ausarbeitung und Verbreitung des Programms der nationalen Wiedervereinigung, d. h. auf den Vorgang aus dem Jahre 1952. Die prozessuale Grundlage für die übrigen Beschuldigungen, die zeitlich nach dem KPD-Verbot lagen, bildete lediglich der vom Senatspräsidenten in der Verhandlung im Jahre 1958 gegebene Hinweis auf die „Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts“. Deswegen wies die Verteidigung bereits in diesem Stadium der Hauptverhandlung darauf hin, daß die Handlungen Walter Fischs nach dem Wegfall der Verurteilung wegen Vergehens gegen § 90a Abs. 3 StGB, der ja vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war, strafrechtlich nunmehr einzeln beurteilt werden müßten. Die Verteidigung verlangte eine Prüfung, inwieweit hierfür überhaupt die prozessuale Grundlage gegeben sei, da doch diese einzelnen Handlungen wie dargelegt weder gesondert angeklagt noch durch gesonderten Eröffnungsbeschluß erfaßt worden waren. Senatspräsident Rotberg versuchte zunächst, über diese Einwendungen hinwegzugehen, gab dann aber nach längerer Beratung des Senats zu, daß hier ein „ernsthaftes prozessuales Problem aufgetaucht“ sei, zu dem er die Stellungnahme der Verfahrensbeteiligten wünsche. Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft mußte sich erst mit ihrem Vorgesetzten beraten und erklärte schließlich, die Bundesanwaltschaft vertrete den Standpunkt, daß der die Wiederaufnahme anordnende Beschluß den fehlenden Eröffnungsbeschluß für die nicht angeklagten Handlungen Walter Fischs ersetze. Falls der Senat diesem Standpunkt nicht folgen wolle, sei sie bereit, Nachtragsanklage zu erheben, wofür allerdings die Zustimmung des Angeklagten erforderlich sei (§ 266 StPO). In ihrer Entgegnung bezeichnete die Verteidigung die Auffassung, daß ein die Wiederaufnahme eines Verfahrens anordnender Beschluß einen Eröffnungsbeschluß ersetzen könne, als grotesk und warnte den Senat davor, den von der Bundesanwaltschaft empfohlenen Weg einzuschlagen, da damit praktisch Grundprinzipien der westdeutschen Strafprozeßordnung außer Kraft gesetzt würden. Zu dem Angebot der Bundesanwaltschaft, Nachtragsanklage zu erheben, wies die Verteidigung darauf hin, daß der von ihr zu Beginn der Hauptverhandlung gestellte Antrag, den Wiederaufnahmebeschluß bezüglich des Festhaltens an den im Jahre 1958 getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu ändern, bereits in der Überlegung erfolgt war, daß nach dem Wegfall des § 90a Abs. 3 StGB für die strafrechtliche Bewertung der Handlungsweise Walter Fischs nach dem Verbotsurteil keine prozessuale Grundlage vorhanden sei, so daß eine Nachtragsanklage gestellt werden müsse. Die nach der StPO erforderliche Zustimmung des Angeklagten zur Nachtragsanklage könne natürlich nur dann gegeben werden, wenn der Senat seinen Beschluß bezüglich des Festhaltens an den 1958 getroffenen tatsächlichen Feststellungen aufhebe. Dem widersprach die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Sie wollte auch bei Erhebung der Nachtragsanklage an den 1958 getroffenen tatsächlichen Feststellungen festhalten. Die Verteidigung erwiderte darauf, daß ein Verfahren über Vorgänge, deren vor acht Jahren getroffene tatsächliche Feststellungen nicht erörtert werden dürften, mit einem ordnungsgemäßen gerichtlichen Vorgang nicht mehr das geringste zu tun habe und daß es dann besser sei, für die Herbeiführung des Urteils einen Automaten zu benutzen, der nach Einwurf eines Geldstücks einen fertigen Vordruck zur Verfügung stellt. Die Verteidigung schloß ihre Ausführun- 690;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 690 (NJ DDR 1966, S. 690) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 690 (NJ DDR 1966, S. 690)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

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