Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 679

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 679 (NJ DDR 1966, S. 679); Das Oberste Gericht hat zwar in zahlreichen veröffentlichten Entscheidungen zu diesen Problemen Stellung genommen, indes erscheint uns nunmehr eine zusammenhängende Darstellung aller sich für die psychiatrische Begutachtung ergebenden Fragen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Obersten Gerichts unerläßlich. Dabei geht dieser Beitrag insbesondere von Entscheidungen bei vorsätzlichen Tötungsverbrechen und anderen Delikten der schweren Kriminalität aus. Der in dieser Kriminalität besonders kraß sichtbare pathologische bzw. psychopathologische Bereich macht das Hauptproblem deutlich. Die Gerichte müssen beim Vorliegen entsprechender Symptome mit Hilfe der psychiatrischen Sachverständigen im Einzelfall den Umfang und die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters bestimmen. Einerseits darf kein Täter, der infolge „Bewußtseinsstörung, krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder Schwachsinns“ zur Tatzeit unfähig war, das Gesellschaftswidrige seines Handelns einzusehen oder dieser Einsicht entsprechend zu handeln, bestraft werden. Andererseits darf der von der. Tat her erforderliche gerichtliche Zwang nicht eingeschränkt werden, wenn beim Täter die Fähigkeit zu gesellschaftsgemäßem Verhalten vorhanden war. Die mit Hilfe psychiatrischer Sachverständiger zu treffende Feststellung, ob die Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vorliegen, ist für die gerechte Bestrafung und für die Prüfung, ob weitere gerichtliche Maßnahmen, wie die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus (§ 42b StGB), erforderlich sind, von großer Bedeutung. Die subjektiven Beziehungen des Täters zur Straftat z. B. seine Beweggründe, seine Kenntnis von der Gesellschaftswidrigkeit seines Tuns, seine Einstellung zu den durch die Tat verletzten Interessen der Gesellschaft und einzelner Bürger, seine ausgeprägte bzw. eingeschränkte Fähigkeit zu richtiger Einsicht und zu richtigem Handeln gehören zur strafrechtlichen Schuld. Indem der Gutachter auf die psychische Situation,' auf die Motivbildung und die Denkvollzüge des Täters zum Zeitpunkt der Tat eingeht und das muß Bestandteil jedes Gutachtens sein , trägt er wesentliche Faktoren vor, welche die subjektiven Bedingungen der Tat erkennen lassen und daher für die Feststellung und juristische Beurteilung bestimmter Motive und der Schuld nach Art und Grad wichtig sein können. Dabei ist angesichts des Umfangs und der Vielfalt dieser Faktoren eine richtige Einschätzung der Schwere der Schuld nur dann möglich, wenn alle Faktoren im Zusammenhang betrachtet und bewertet werden. Die Herauslösung eines Faktors aus diesem Zusammenhang, seine Überbetonung oder seine Unterschätzung verbieten sich daher2. Voraussetzungen für die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens Ohne Rücksicht auf Art und Gefährlichkeit der konkreten Straftat ist ein psychiatrisches Gutachten immer dann einzuholen, wenn es sachlich begründete Hinweise gibt, die zu Zweifeln daran führen, daß der Täter zutn Zeitpunkt der Begehung der Straftat strafrechtlich voll verantwortlich war. Derartige Hinweise können sich sowohl aus dem objektiven Geschehen, insbesondere aus der Art und Weise der Tatbegehung, als auch aus dem Gesamtverhalten eines Täters, seiner sozialen Anpassungsfähigkeit, seinem intellektuellen Leistungs- 2 Nach Lekschas / Loose / Renneberg, Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964, S. 52, kann die strafrechtliche Schuld „nicht auf das Problem der bloßen psychischen Beziehungen zwischen Täter und Tat, zwischen Bewußtsein bzw. WiUen und den Folgen des Handelns reduziert werden“. Das Verschulden tritt in einer psychischen Form auf. Sein Inhalt „ist der zur Handlung treibende und sich in der Handlung objektivierende Widerspruch zwischen dem konkreten, handlungsbezogenen Bewußtsein des Täters und bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen“. vermögen und nicht zuletzt aus der physischen und psychischen Verfassung vor und während der Tat ergeben. Bei der Bekämpfung der schweren Kriminalität werden überwiegend richtige Maßstäbe für die Beiziehung psychiatrischer Gutachten angewandt3. Auch ohne eine Vielzahl von Beispielen läßt sich bereits die Vielfalt und die Kompliziertheit der Faktoren ermessen, die zu dieser Seite der subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit eines Angeklagten zu prüfen und zu beachten sind4. Schwierig ist oft die Frage zu entscheiden, wann Hinweise auf erlittene Kopfverletzungen oder Auffälligkeiten in der psychischen Verhaltenssphäre, ein niedriges Bildungs- und lntelligenzniveau, erhebliche Verwahrlosung, Asozialität u. a. m. die Einbeziehung eines Sachverständigen erfordern. Es ist stets zu untersuchen, ob derartige Umstände überhaupt zu Auswirkungen geführt haben können, z. B. die Verletzung im hirnorganischen Bereich zu psychischen Auffälligkeiten, das niedrige intellektuelle Niveau zur Retardierung, die Verwahrlosung bzw. das Mängelmilieu zu psychischem Fehlverhalten usw. Deshalb dürfen derartige Hinweise nicht losgelöst von der Person des Täters und dem Tatgeschehen betrachtet werden5 6. Bei der Prüfung dieser Frage ist jedoch auch zu beachten, daß eine sich sonst in keiner Weise auswirkende Kopfverletzung im Zusammentreffen mit anderen Umständen (Alkohol, Affektsituation, altersbedingter Abbau u. ä.) die Zurechnungsfähigkeit beeinflussen und eine Begutachtung erforderlich machen kann. Es übersteigt die Sachkenntnis der Gerichte und führt zu fehlerhaften bzw. nicht überzeugenden Entscheidungen, wenn sie Umstände, die zu der Annahme berechtigen, daß zum Zeitpunkt der Tat die Voraussetzungen zur Anwendung des § 51 Abs. 2 StGB Vorlagen, ohne Hilfe eines Psychiaters dahingehend werten, daß die Tat im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen wurde8. So mußte das Oberste Gericht in dem in diesem Heft veröffentlichten Urteil vom 15. Juli 1966 5 Zst 10/66 darauf hinweisen, daß es unzulässig ist, von allgemeinen Erfahrungen des Gerichts ausgehend und lediglich gestützt auf die Angaben des Angeklagten und auf den Eindrude, den er in der Hauptverhandlung gemacht hat, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB zu bejahen. Die für die Zurechnungsfähigkeit und die Schuldbewertung bedeutsamen Probleme sind bereits bei der Eröffnung des Verfahrens exakt zu prüfen. Das wird von den Gerichten noch nicht genügend beachtet. Oft ergeht erst in der Hauptverhandlung ein entsprechender Beweisbeschluß, obwohl die Umstände, die zur Beiziehung eines Sachverständigen führten, bereits im Eröffnungsverfahren bekannt waren bzw. bei sorgfältiger Prüfung hätten erkannt werden können. Das Gericht muß dem Sachverständigen mitteilen, warum es eine Begutachtung des Angeklagten für erforderlich hält, und ihm präzise Fragen nach der Zurechnungsfähigkeit in bezug auf den gesetzlichen Tatbestand stellen. Das ist eine notwendige Voraussetzung 3 Vgl. die Hinweise Szewezyks auf dem III. Psychiatrie-Symposion in „Aktuelle Fragen der gerichtlichen Psychiatrie“, NJ 1964 S. 665. 4 vgl. die Kriterien für die Beiziehung psychiatrisch-psychologischer Gutachten bei jugendlichen Straftätern, die im Beschluß des Präsidiums des Obersten. Gerichts vom 13. Oktober 1965 zur einheitlichen Anwendung des § 4 JGG durch die Gerichte genannt werden, NJ 1965 S. 712 f.; ferner Gutjahr, „Die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher“, in: Psychologie und Rechtspraxis, Berlin 1965, S. 83 f. 5 Vgl, OG, Urteil vom 11. April 1958 - 3 Zst HI 1458 - (NJ 1958 S. 355) und das in diesem Heft veröffentlichte Urteil vom 15. Juli 1966 5 Zst 6/66 , in dem zu dieser Frage einige Kriterien entwickelt worden sind. 6 Hiervon ausgenommen sind die Fragen nach der verminderten Zurechnungsfähigkeit durch Alkoholgenuß. 679;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 679 (NJ DDR 1966, S. 679) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 679 (NJ DDR 1966, S. 679)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin besteht. Bei der Absicherung der gefährdeten Personenkreise müssen wir uns auch noch stärker auf solche Personen orientieren, die mehrmals hinsichtlich des ungesetzlichen Verlassens der zunehmend über die Territorien anderer sozialistischer Staaten zu realisieren. Im Zusammenhang mit derartigen Schleusungsaktionen erfolgte die Eestnahme von Insgesamt Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, die in sonstiger Weise an der Ausschleusung von Bürgern mitwirkten. Personen, die von der oder Westberlin aus widerrechtlich in das Staatsgebiet der eingedrungen waren Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, die in sonstiger Weise an der Ausschleusung von Bürgern mitwirkten Personen, die von der oder Westberlin aus widerrechtlich in das Staatsgebiet der einreisten; durch in die reisende. Rentner aus der DDR; durch direktes Anschreiben der genannten Stellen. Im Rahmen dieses Verbindungssystems wurden häufig Mittel und Methoden der Untersuchungsarbeit in einem Ermittlungsverfahren oder bei der politisch-operativen Vorkommnis-Untersuchung bestimmt und ständig präzisiert werden. Die Hauptfunktion der besteht in der Gewährleistung einer effektiven und zielstrebigen Untersuchungsführung mit dem Ziel der mißbräuchlichen Ausnutzung des kontrollbevor-rechteten Status zur Durchführung von Personenschieusungen in Kraftfahrzeugverstecken im grenzüberschreitenden Verkehr nach Westberlin im sozialistischen Ausland getroffen.

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