Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 677

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 677 (NJ DDR 1966, S. 677); „Wenn auch der Berufung darin zuzustimmen ist, daß der Angeklagte durch die von seiner Ehefrau in den Jahren 1958 und 1962 aufgenommenen ehewidrigen Beziehungen zu anderen Männern und über ihr ablehnendes Verhalten ihm gegenüber in dieser Zeit sehr enttäuscht war, so hat er aber selbst diese Umstände nicht als schwere Beleidigung oder Kränkung empfunden Selbst dann, wenn eine schwere Beleidigung zu bejahen gewesen wäre, müßte die Zubilligung mildernder Umstände daran scheitern, daß die zugefügte Kränkung nicht auf der Stelle erwidert worden ist.“ Daraus ergibt sich, daß das Oberste Gericht in diesem Fall die Anwendung des § 213 StGB nicht deshalb ablehnte, weil ehewidrige Beziehungen grundsätzlich keine schwere Kränkung darstellen können, sondern weil die anderen Voraussetzungen des § 213 StGB nicht Vorlagen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich jedoch weiter, daß die Beleidigung i. S. des § 213 StGB nicht nur objektiv eine schwere Kränkung darstellen, sondern auch subjektiv vom Täter so empfunden werden muß. Unter einer „Mißhandlung“ sind sowohl erhebliche körperliche Einwirkungen als auch sog. seelische Mißhandlungen zu verstehen, die nicht unter den Begriff „schwere Beleidigung“ fallen. Das zeigt das in diesem Heft veröffentlichte Urteil des Obersten Gerichts vom 7. Juli 1966 5 Ust 3/66. Zwar wurde in diesem Fall die Tat nicht unmittelbar durch den getöteten Ehemann ausgelöst, jedoch hätte die durch die Trunkenheit des Mannes bedingte schwerwiegende seelische Belastung der Angeklagten ggf. auch selbständig als „Mißhandlung“ im Sinne der ersten Alternative des § 213 StGB gewertet werden müssen. Klarheit besteht darüber, daß die Formulierung „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ es zuläßt, daß zwischen schwerer Beleidigung bzw. Mißhandlung und Tatausführung eine gewisse Zeit vergangen sein kann. Das Oberste Gericht hat dazu in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1965 5 Ust 28/65 ausgeführt: „Beherrscht ihn (den Täter S. W.) dieser Zorn über einen längeren Zeitraum hinweg so, daß er nicht in der Lage ist, eingehende Überlegungen über die Schwere der ihm zugefügten Kränkung und vor allem darüber anzustellen, wie er sich am zweckmäßigsten wegen dieser revanchiert, ist auch noch eine Tötung im Affekt zu bejahen, wenn zwischen Kränkung und Erwiderung u. U. Stunden vergangen sind.“ Entscheidend ist demnach, daß das Handeln des Täters während des Zeitablaufs von dem durch die Beleidigung oder Mißhandlung hervorgerufenen Affekt bestimmt wird. Die mit dem Affekt verbundene hochgradige Erregung des Täters schließt ein vorsätzliches Handeln nicht aus. Der Auffassung von Lekschas/Loose/ Renne*■ b e r g:i, daß der Affekt eine besondere Schuldart sei, sind Mürbe /Schmidt zu Recht entgegengetreten4. Für alle Affekthandlungen ist in der Regel jedoch charakteristisch, daß zwischen Entschlußfassung (Vorsatzbildung) und Tatausführung nur ein sehr kurzer Zeitraum liegt, der u. U. sogar nur Bruchteile von Sekunden betragen kann. Daraus ergeben sich für die juristische Beurteilung, insbesondere für den exakten Nachweis eines vorsätzlichen bzw. bedingt vorsätzlichen Handelns, besondere Schwierigkeiten. Die Gedanken, die sich ein Täter in dieser Situation macht, gelangen zumeist nicht an die Oberfläche des Denkens. Der Täter kann sich später nicht oder nur schwer an seine Ge- 3 Lekschas / Loose / Renneberg, Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964, S. 85. 4 Mürbe / Schmidt, „Einige Probleme der Schuld im Strafrecht“, NJ 1965 S. 606 ff. So auch Szewczyk, der in einem nicht-veröffentliehten Gutachten ausführt: „Zweifellos handelt es sich bei solchen Affektreaktionen um vorsätzliche Taten, wo eine Entscheidung gefaßt und durchgeführt wird.“ danken während des Affektablaufs erinnern und demzufolge auch keine exakten Angaben hierzu machen. Das wird in der Praxis immer wieder bestätigt. Die Beantwortung der Frage, ob ein Täter in einer solchen Situation vorsätzlich handelte oder nicht, muß deshalb in erster Linie aus dem objektiven Geschehnisablauf rekonstruiert werden. Dafür sind vor allem solche Faktoren wie die Intensität des Zuschlagens und Zustechens, die Schwere der Verletzungen und die Art der verletzten oder gefährdeten Organe bzw. Körperteile von Bedeutung“. Voraussetzungen für die Anwendung anderer mildernder Umstände Die Rechtsprechung zur Anwendung „anderer mildernder Umstände“ i. S. des § 213 StGB ist wenig aussagekräftig. In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist § 213 StGB mit der Begründung abgelehnt worden, daß die konkreten Umstände ggf. bei der Strafzumessung berücksichtigt werden können, jedoch nicht von solchem Gewicht sind, daß sie die Zubilligung mildernder Umstände begründen. Konkretisiert wurde dieser Grundsatz in der Entscheidung vom 16. November 1965 5 Zst 22/65 (NJ 1966 S. 158 ff.) und dem in diesem Heft veröffentlichten Urteil vom 7. Juli 1966 5 Ust 3/66 . Im Umkehrschluß ist der Begründung des Urteils vom 16. November 1965 5 Zst 22/65 zu entnehmen, daß in einem Abhängigkeitsverhältnis der Ehefrau zum Ehemann „andere mildernde Umstände“ erblickt werden können, wenn die Ehefrau dadurch zur Tötung des ehelichen Kindes bestimmt worden ist. Allerdings muß der wirkliche Inhalt dieses Verhältnisses in bezug auf die Entwicklung des Tatentschlusses untersucht werden. Im Urteil vom 7. Juli 1966 5 Ust 3/66 wurde ausgesprochen, daß die Faktoren, die zur Anwendung „anderer mildernder Umstände“ führen, in ihrer Schwere und Bedeutung denen der ersten Alternative des § 213 StGB gleichkommen müssen. Typisch für die Anwendung „anderer mildernder Umstände“ sind die Fälle, in denen die Mutter Selbstmord begehen will und die Kinder vorher tötet, um sie nicht „allein zu lassen“ (sog. erweiterter Suizid). Hier wird wie im übrigen auch in den Fällen der Kindestötung die „seelische Notlage“ des Täters zu Recht als ein entscheidendes Merkmal für die Anwendung mildernder Umstände betrachtet.5 6. Dagegen können solche Umstände wie Jugend, Unerfahrenheit, mangelnder eigener Wille, aber auch sonstiges korrektes Verhalten, Bemühungen zur Mitwirkung bei der Aufklärung der Straftat u. ä. nicht zur Anwendung mildernder Umstände herangezogen werden7. Zu beachten ist, daß die Anwendung mildernder Umstände nicht den Charakter der Straftat als Verbrechen i. S. des § 1 StGB berührt8. Die Anwendung des § 213 StGB ermöglicht im konkreten Fall ein Abgehen von dem für den Regelfall vorgesehenen Strafrahmen und ist Voraussetzung der individuellen Strafzumessung. 5 Szewczyk weist in einem Gutachten darauf hin, daß es sich dabei nicht nur um eine Frage des konkreten Überlegens handelt: „Der Mensch weiß nebenbewußt, daß es sich beim Hals und bei der Brust um gefährdete Organe handelt, und er wird dies auch in einem starken Affekt dann berücksichllgen, wenn er im Affekt nur den Vorsatz der Verletzung hat. Jeder Mensch hat im Affekt die Möglichkeit, seine Handlungen nicht nur automatisch ablaufen zu lassen.“ 6 In der Entscheidung vom 25. September 1964 5 Zst 17 64 (OGSt Bd. 7 s. 94) wird ausgeführt: „Diese Voraussetzungen sind, wie das Oberste Gericht bereits mehrfach ausgesprochen hat, u. a. bei dem Täter gegeben, der einen Totschlag oder eine Kindestütung aus einer seelischen Notlage heraus begangen hat." 7 vgl. z. B. OG. Urteil vom 25. September 1964 - 5 Zst 17 '64 -(OGSt Bd. 7 S. 94); OG, Urteil vom 16. November 1965 - 5 Zst 22/65 - (NJ 1966 S. 158). 8 So auch Strafrecht der DDR, Besonderer Teil. Lehrhefte der Humboldt-Universität für das Fernstudium, Heft 4, S. 49. 677;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 677 (NJ DDR 1966, S. 677) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 677 (NJ DDR 1966, S. 677)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

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