Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 663

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 663 (NJ DDR 1966, S. 663); Die Rolle der Rechtslehre und der Rechtsprechung beim Abbau des Mitbestimmungsrechts Das Ausmaß der Niederlage der westdeutschen- Gewerkschaften einerseits und die Rekonstruktion der autoritären Macht der Monopole andererseits zeigt sich nicht nur in der Annahme des reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes, sondern auch in der ungeheuerlichen Tatsache, daß wenige Monate nach dem Zeitungsstreik der DGB, die IG Druck und Papier und ihre Vorstandsmitglieder durch eine Reihe von Gerichtsentscheidungen zum Schadenersatz für die durch den Zeitungsstreik ausgefallenen Unternehmergewinne verurteilt wurden10 11. Die Bedeutung dieser Urteile geht weit über den Rahmen des Zeitungsstreiks hinaus. Durch sie ist wie Nipperdey betont eine „Wandlung in Rechtslehre und Rechtsprechung“ eingetreten11. Den herrschenden Kreisen Westdeutschlands ging es darum, auf dem Hintergrund des Betriebsverfassungsgesetzes einen Präzedenzfall für das Eingreifen des Staates und seiner Justiz in den Klassenkampf zu schaffen. Damit wurden zwei Absichten verfolgt: Zum einen sollte das Abwürgen der demokratischen Grundrechte einen „rechtsstaatlichen“ Anstrich erhalten; zum anderen mußte die theoretische Basis für die praktische Durchsetzung des soeben erlassenen Betriebsverfassungsgesetzes geschaffen werden. In die Konzeption der Vorbereitung des sog. Generalvertrages und des Abkommens über die sog. Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) sowie in die damit verbuhdene Remilitarisierung Westdeutschlands paßten die zunehmenden Massenbewegungen der demokratischen Kräfte und die sich entwik-kelnde Streikbereitschaft der Werktätigen nicht. Sie mußten mit staatlicher Gewalt unterbunden werden. Den Auftakt dazu bildeten die Urteile im Zeitungsstreik, denen später eine nicht mehr übersehbare Zahl ähnlicher Willkürurteile folgte12. Die „Wandlung in Rechtslehre und Rechtsprechung“, von der Nipperdey spricht, ist nichts anderes als eine Umschreibung der totalen Gleichschaltung der westdeutschen Arbeitsgerichtsbarkeit auf den antidemokratischen und aggressiven Kurs der Adenauer-Erhard-Regierung im Interesse des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Ausgehend von Nipperdeys Zeitungsgutachten, wurde ein Gestrüpp reaktionärer Rechtstheorien entwickelt, die zugegebenermaßen selbst von westdeutschen Juristen nicht mehr überblickt werden können13. Im Vordergrund steht dabei die faktische Beseitigung des Streikrechts als Voraussetzung für die Notstandsgesetzgebung. Nipperdey ist der Begründer der Theorie vom „Arbeitskampf als unerlaubte Handlung“. Danach verstößt jeder sozial inadäquate Streik gegen § 823 Abs. 1 BGB und ist damit unrechtmäßig; er ist folglich zu verbieten und verpflichtet die Gewerkschaften zum Schadenersatz. Nach der in § 49 BVG statuierten Friedenspflicht und den Zwangsschlichtungsbestimmungen sowie der Theorie der Sozialpartnerschaft ist es eine Kleinigkeit, jeden Streik für „sozial inadäquat“ zu erklären und zu verbieten. Hierzu führt Ramm aus: „Die arbeitskampfrechtliche Theorie der Sozialadäquanz ist elastisch genug, um durch neue Verbote 1° Vgl. Nipperdey, Die Ersatzansprüche (Rechtsgutachten), s. 15 f. 1 11 Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II, 6. Auflage, (West-)Berlin/Frankfurt a. M. 1957, S. 633. 12 Die bekanntesten und berüchtigsten Urteile dieser Art sind die gegen die Metallarbeiter in Schleswig-Holstein und gegen die Schuharbeiter in Nürnberg. Vgl. Bornemann / Siebert, „Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts gegen die IG Metall ein Aus- druck des sich verschärfenden gerichtlichen Terrors in West- deutschland“, Staat und Recht 1959, Heft 7, S. 808 ff.; Göhler/ Pröger / Seiffert, Freiheit und demokratische Rechte für die Arbeiter in Westdeutschland, Berlin 1960, S. 69 ff. 10 Vgl. Pinther, „Statt Streik einstweilige Verfügung“, Welt der Arbeit Nr. 30 vom 20. Juli 1966, S. 2. von Streiks das Streikrecht auszuhöhlen. Und sie wird auch von Nipperdey und seinen Anhängern in diesem Sinne gehandhabt.“14 Mit dieser materiellen Theorie ist schließlich auch die prozeßrechtliche Folge verbünden, daß die Arbeitsgerichte nicht nur über „Schadenersatzansprüche“ der Konzerne bei Streiks entscheiden, sondern die Durchführung von Arbeitskämpfen durch einstweilige Verfügungen von vornherein unterbinden können. Es ist heute also möglich, „daß jeder Richter der untersten Instanz praktisch endgültig die Durchführung eines Arbeitskampfes verbieten kann und daß ihm die Maßstäbe für seine Entscheidung von dem sich dauernd wandelnden unkontrollierbaren und keiner politischen Verantwortung unterliegenden Schrifttum“ geliefert werden15 *. Diese politische Verantwortungslosigkeit gegenüber den westdeutschen Werktätigen macht Ramm deutlich, indem er die Kontinuität zwischen den Entscheidungen des ehemaligen Reichsgerichts und den von Nipperdey bereits 1940 vertretenen Auffassungen einerseits und der neuen Theorie von der Sozialadäquanz und der darauf beruhenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts andererseits nachweist: „Sieben Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates sind somit rechtspolitische Forderungen aus der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte aufgegriffen und durchzusetzen gesucht worden.“10 In engem Zusammenhang mit der Theorie der Sozialadäquanz steht die Theorie der sog. Waffengleichheit und Kampfparität. Sie besagt, „daß dem Streik der Gewerkschaften die Aussperrung als Arbeitskampfmittel der Arbeitgeber entspricht , daß die Aussperrung nach Wahl des Arbeitgebers in einer Suspendierung oder normalerweise in einer fristlosen endgültigen Lösung der Arbeitsverhältnisse ohne Kündigung und ohne Wiedereinstellungspflicht besteht, während der Streik die Arbeitsverhältnisse nur suspendiere, nicht aber löse“17. Das bedeutet faktisch eine doppelte Absicherung. Wenn es den Gewerkschaften ausnahmsweise gelingen sollte, einen „sozial adäquaten“ d. h. einen gerechtfertigten oder zulässigen Streik zu beginnen, so antworten die Unternehmer mit der Aussperrung und würgen ihn damit ab. Wenn bei einem Streik in mehreren Betrieben die Unternehmer einig sind und wenn es gegen die Arbeiter geht, sind sie es , so sperren sie im gesamten Industriezweig aus und zwingen die Gewerkschaften dadurch (zumindest finanziell) in die Knie18. So wird also durch die Theorie der Sozialadäquanz und die Aussperrung jeder Streik unmöglich gemacht und die Arbeiterklasse ihrer schärfsten Waffe beraubt. Außerdem soll damit erreicht werden, daß die westdeutschen Gewerkschaften als Klassenorganisation diskreditiert werden; denn die Werktätigen können kein Vertrauen in die Kraft der Gewerkschaften setzen, da diese faktisch entmachtet sind. Die „Wandlung in Rechtslehre und Rechtsprechung“, d. h. die Beseitigung demokratischer Rechte der Werktätigen, beschränkt sich aber nicht auf Entscheidungen 14 Ramm, „Sozialadäquanztheorie und freiheitlicher sozialer Rechtsstaat“, Arbeit und Recht 1966, Heft 6, S. 161 ff. (165); vgl. ferner Pinther, a. a. O. 15 Vgl. „Fesseln für den Arbeitskampf?“, Die Quelle (Organ des DGB-Bundesvorstandes) 1965, S. 413 f. 16 Ramm, a. a. O., S. 163; vgl. ferner Ramm, „Der Streik als unerlaubte Handlung“, Arbeit und Recht 1964, Heft 11, S. 321 if. Hier kommt Ramm sogar zu dem Ergebnis, „daß die von Nipperdey und dem Bundesarbeitsgericht vorgenommene Neuwertung des Rechts der unerlaubten Handlung“ der Bonner Verfassung widerspricht. 1? Reuss, „Rechtsfolgen der Aussperrung“, Arbeit und Recht 1963, Heft 8. S. 225 ff. 18 wie die „Waffengleichheit“ durch die Unternehmer praktiziert wird, beschreibt Knevels an Hand des Streiks der Metallarbeiter in Baden-Württemberg mit an Zynismus grenzender Offenheit (Der Arbeitgeber 196$, S. 364 ff.). 663;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 663 (NJ DDR 1966, S. 663) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 663 (NJ DDR 1966, S. 663)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Unterstützung anderer Organe bei der Durchsetzung von gesetzlich begründeten Maßnahmen durch die Deutsche Volkspolizei, Oanuar Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Auferlegung von Kosten und die Durchführung der Ersatzvornahme. zu regeln. Im Befehl des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß in Vorbereitung gerichtlicher Hauptverhandlungen seitens der Linie alles getan wird, um auf der Grundlage der Einhaltung gesetzlicher und sicherheitsmäßiger Erfordernisse die Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung zu gewährleisten. Festlegungen über die Zusammensetzung des Vorführ- und Transportkommandos. Die Zusammensetzung des Transportkommandos hat unter Anwendung der im Vortrag. Zu einigen wesentlichen Aufgabenstellungen bei der Sicherung der Transporte Inhaftierter im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit . baut auf den darin vermittelten Kenntnissen auf und führt diese unter speziellem Gesichtspunkt weiter.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X