Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 630

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 630 (NJ DDR 1966, S. 630); noch in diesem Jahr erfolgen. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist unmittelbar nach der Verkündung vorgesehen. was bei derartigen Strafgesetzen ungewöhnlich ist. Offensichtlich soll das Gesetz im Sog des sog. Stabilisierungsgesetzes schnell und unauffällig verabschiedet werden. Die Auseinandersetzung mit den beiden vorliegenden Entwürfen, insbesondere aber mit dem Regierungsentwurf eines 8. Strafrechtsänderungsgesetzes, ist erforderlich, um die wahren Absichten und Hintergründe der „Reformbestrebungen“ aufzudecken und ihnen die Alternative einer demokratischen Neugestaltung der Staatsschutzbestimmungen entgegenzustellen. Die Analyse der „Reform“ muß sich von drei grundlegenden Aspekten leiten lassen: von der neuen Situation in der Bundesrepublik, in der sich gegenwärtig der „Übergang zur formierten Gesellschaft“ als „Übergang zu einer neuen Phase zugespitzter Revanchepolitik“ vollzieht'4 5; von der westdeutschen Praxis der Gesinnungsverfolgung, die nach wie vor im schärfsten Widerspruch zu den friedlichen und demokratischen Interessen der Bevölkerung und zum Grundgesetz steht'1; von der Kontinuität der Entwicklung und dem ständigen Ausbau des politischen Strafrechts Westdeutschlands, eine Entwicklung, die beim 1. Strafrechtsänderungsgesetz, dem sog. Blitzgesetz, von 1951 beginnt und mit dem 8. Strafrechtsänderungsgesetz offensichtlich eine neue Etappe erreicht. Der SPD-Entwurf zur „Reform der Staatsschutzbestimmungen“ In der Bundestagssitzung am 13. Januar 1966, in der die erste Beratung des von der SPD-Fraktion einge-brachten Gesetzentwurfs stattfand, wies der Abgeordnete Dr. Dr. Heinemann (SPD) auf das „intensive und allgemeine Unbehagen“ an dem politischen Strafrecht von 1951 hin, das „in den Übertreibungen, in den ungenauen Formulierungen und auch in der Handhabung“ begründet liegt6. Er wandte sich insbesondere gegen die unbestimmte Fassung der Landesverratsvorschriften, gegen die Strafschärfung bei allgemeinen Delikten, wenn diese aus „verfassungsfeindlicher Absicht“ begangen wurden (§ 94 StGB), und gegen die Tatbestände des § 92 StGB (Staatsgefährdender Nachrichtendienst) und § 93 StGB (Staatsgefährdende Schriften). In der offiziellen Begründung des SPD-Entwurfs heißt es hierzu u. a.7: 4 Norden, Wohin steuert die Bundesrepublik? (Rede auf der internationalen Pressekonferenz am 29. Juni 1966), Berlin 1966, S. 6. 5 Vgl. hierzu Lutz Lehmann, Legal & opportun (Politische Justiz in der Bundesrepublik). (West-)Berlin 1966, S. 0: „Nun ist es eine schlichte Tatsache, daß die mit den Gesetzen gegebenen Normen erst durch die Tätigkeit der Gerichte, die Spruchpraxis also, von Leben erfüllt werden. Dazu sei ein Wort des jetzigen CDU-Bundestags-Abgeordneten und ehemaligen Generalbundesanwalts Dr. Max Güde zitiert, der geäußert hat: ,Die heutige politische Justiz judiziert aus dem gleichen gebrochenen Rückgrat heraus, aus dem das Sondergerichtswesen (Hitlers) zu erklären ist“ (Der Spiegel Nr. 28 vom 5. Juli 1961, S. 25) Diese Justiz aber (die politische), die nichts anderes bedeutet als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, ist an der halsbrecherischen Situation, in die sie geraten ist, nicht ganz unschuldig. Sie hat sich eingesetzt; zuerst gegen die schwache Demokratie von Weimar, dann blutig für die Nazi-Obrigkeit, und nun endlich für die erstarkende Bundesrepublik, wobei trotz unterschiedlicher Qualität der gesetz- und rechtgebenden staatlichen Gewalt die. Richtung, in der die politische Justiz in Deutschland die Verfolgung ansetzte, stets die gleiche blieb: Der Feind stand immer links.“ Zur Entwicklung der westdeutschen Rechtsprechung in politischen Strafsachen vgl. ferner Pfannenschwarz / Schneider. Das System der strafrechtlichen Gesinnungsverfolgung in Westdeutschland, 2. Aufl., Berlin 1965; Pfannenschwarz, „Bemerkungen zur jüngsten Spruchpraxis des politischen Strafsenats des Bundesgerichtshofs“, NJ 1966 S. 244 ff 313 fl., 405 ff. 6 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht der 14. Sitzung am 13. Januar 1966, S. 573 ff. ? Die folgenden Zitate sind der Bundestags-Drucksache V/102 entnommen. „Eine zuweilen sehr weitgehende Auslegung dieser Strafnormen durch die Gerichte hat dazu beigetragen, die Bedenken gegen die geltenden Regelungen noch zu verstärken. Aus der großen Zahl der gegen das geltende politische Strafrecht und die politische Strafjustiz erhobenen Einwände seien nur die Diskussion um den Zeitungsaustausch, den privaten Verkehr zwischen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland und der SBZ (gemeint ist die DDR K. H. B.), den innerdeutschen Sportverkehr sowie schließlich die durch die ,Spiegel‘-Affäre ausgelöste Diskussion um den sogenannten publizistischen Landesverrat hervorgehoben.“ Nach seiner Begründung verfolgt der Entwurf angeblich das Ziel, „das politische Strafrecht rechtsstaatlichen Anforderungen und den vom Grundgesetz festgelegten Grenzen anzupassen, ohne dabei den notwendigen Schutz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung zu vernachlässigen. Durch Konkretisierung und Neufassung zu unbestimmter, zu weitgehender oder zu weit ausgelegter Tatbestände soll die teilweise extensive Praxis der politischen Strafjustiz auf das kriminalpolitisch notwendige und rechtsstaatlich vertretbare Maß zurückgeführt werden. Einige überflüssige Bestimmungen, die seit ihrer Einfügung in das Strafgesetzbuch keine Bedeutung erlangt haben, sind zu streichen, weil es mit dem Geist unserer freiheitlichen Ordnung nicht vereinbar erscheint, über das Notwendige hinaus Straftatbestände zu schaffen.“ Tatsächlich enthält der SPD-Entwurf eine Anzahl von Verbesserungen. Unter anderem wird vorgeschlagen, insbesondere im Abschnitt „Staatsgefährdung“ des geltenden westdeutschen StGB eine Anzahl von Bestimmungen ersatzlos zu streichen, so beispielsweise § 90 (Staatsgefährdende Sabotage) mit der Begründung: „Die Vorschrift richtet sich unter dem Gesichtspunkt der staatsgefährdenden Sabotage u. a. gegen den Streik und die Aussperrung, auch wenn sie rechtmäßig sind. Dadurch kann die Ausübung dieser Rechte unmöglich gemacht werden, wenn Streik und Aussperrung zufällig mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen Zusammentreffen und die Streikenden davon Kenntnis haben, daß ihre Handlungen jene Bestrebungen objektiv unterstützen. § 90 geht damit weit über das im Staatsschutzrecht Notwendige hinaus. Seine Tathandlungen sind unscharf abgegrenzt, so daß die Gefahr begründet wird, daß die Anwendung der Bestimmung ins Uferlose führt.“ § 93 (Staatsgefährdende Schriften) mit der Begründung: „Er kann ein Hemmnis für den innerdeutschen Zeitungsaustausch darstellen und die im Grundgesetz verankerte Informationsfreiheit verletzen, da eine eindeutige Grenze zwischen staatsgefährdenden Schriften im Sinne des § 93 und zulässiger Ausübung der Meinungsfreiheit durch kritische Äußerungen nur schwer zu ziehen ist und vom jeweiligen politischen Standpunkt aus verschieden beurteilt werden kann. Die strafrechtliche Würdigung derartiger Schriften kann die Justiz dazu zwingen, ihre Grenzen zu überschreiten.“ § 94 (Strafschärfung bei staatsfeindlicher Absicht) mit der Begründung: „Die Bestimmung ist entbehrlich, weil der Strafrahmen in den in ihr aufgeführten Vorschriften des allgemeinen Strafrechts ausreicht. Die vorgesehene Zuchthausstrafe an Stelle der sonst angedrohten Gefängnisstrafe ist von der bisherigen Praxis bei politischen Überzeugungstätern nie ausgesprochen worden. Die bisherige praktische Auswirkung der Vorschrift wird weniger durch Art und Höhe der Strafe als durch die Umwandlung der Natur der in ihr ausgeführten Delikte von Vergehen zu Verbrechen be- 630;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 630 (NJ DDR 1966, S. 630) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 630 (NJ DDR 1966, S. 630)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen; weitere feindlich-negative Handlungen wirkungsvoll vorbeugend zu verhindern und Gefahren in Bezug auf die Herstellung von Kontakten zu Verhafteten auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Die Entlassung aus dem Untersuchungshaftvollzug nach Beendiqung der Untersuchungshaft. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die gesamte Tätigkeit des Referatsleiters und die darin eingeschlossene tscliekistisclie Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter. Die Aufgaben im Sicherungs- und Kontrolidienst erden in der Regel von beweiserheblicher Bedeutung ist. Die Planung der Beschuldigtenvernehmung,.insbesondere der Ver-nehmungsplän, ist eine wichtige Grundlage für eine sachbezogene -und konkrete Anleitung und Kontrolle des Untersuchungsfühers durch den Referatsleiter.

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