Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 316

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 316 (NJ DDR 1966, S. 316); Ferner wird ausdrücklich in der Urteilsbegründung festgestellt, daß sich nach § 93 strafbar macht, wer das Herstellen, Verbreiten, Einführen usw. von „verfassungsfeindlichen Schriften“ selbst „billigend in Kauf nimmt“ oder „sich mit ihm abfindet“; d. h., der bedingte Vorsatz wird für eine Verurteilung für ausreichend erklärt. Hier zeigt sich, wie Handlungen die oft nur potentiell geeignet sind, in Widerspruch zur Politik der atomaren Aufrüstung und Notstandsgesetzgebung zu geraten, generell kriminalisiert werden33 34 35. Unbeschränkte Fortsetzung des strafrechtlichen Gesinnungsterrors Wie wenig die tendenziöse Behauptung, es sei eine Einengung der Spruchpraxis des 3. Strafsenats des BGH erfolgt, zutrifft, das sollen nur zwei Beispiele aus der jüngsten Rechtsprechung dieses Sondergerichts zeigen. Unbeschränkt wird mit diesen beiden Urteilen der Versuch gemacht, berüchtigte Musterurteile des ehemaligen Jagusch-Senats des BGH zu rechtfertigen. Berufsverbot für demokratische Journalisten Mit seinem Urteil vom 25 Mai 1965 3 StR 11/65 (LG Düsseldorf) 3 erklärte es der 3. Strafsenat durch Arf-wendung des § 421 StGB für zulässig, gegen Journalisten, die für eine Politik der Verständigung und der Demokratie eintreten, ein Berufsverbot auszusprechen. In der Urteilsbegründung wird gleichzeitig versucht, das Urteil des ehemaligen Jagusch-Senats vom 19. Januar 1962 - 3 StR 43/61 (LG Köln) -3r’ gegen die Kritik der Öffentlichkeit und juristischer Fachkreise36 abzuschirmen. Das Urteil vom 25. Mai 1965 geht von der These aus, „das Staatsschutz-Strafrecht“ sei nicht zum Schutz des einzelnen Bürgers, „sondern zum Schutze des Staates selbst gegenüber Angriffen und Gefährdungen bestimmt“; deshalb sei es ein „allgemeines Gesetz“ im Sinne des Art. 5 GG, an dem die Ausübung des Rechts auf Pressefreiheit seine Schranke finde. Mit dieser Konstruktion wird dem Gesinnungsstrafrecht ein höherer Rang eingeräumt als dem Grundrecht der Pressefreiheit des Art. 5 GG. Das ist kennzeichnend für die Aushöhlung des Grundgesetzes im Interesse der militaristischen und revanchistischen Politik Bonns. Mit Recht hatte C o p i 6 zu derselben Konstruktion des erwähnten BGH-Urteils vom 19. Januar 1962 festgestellt, daß das Grundgesetz „jede Form der Verhängung von Präventivmaßregeln gegen die Presse, sei es gegen Presseorgane (Zeitungsverbot), sei es gegen Presseangehörige (Berufsverbot), untersagt“37. Wörtlich schreibt er: „Die erste wichtige These, mit der der BGH sein Urteil begründet, ist somit nicht haltbar. Berufsverbote gegen politisch delinquente Journalisten, Redakteure, Herausgeber und Verleger von Zeitungen sollten das durch die institutioneile Einrichtungs- und individuelle Teilhabegarantie der Pressefreiheit beschützte geistige Wirkungsfeld publizistischer 33 wie sich dieses Musterurteil im Alltag auswirkt, berichtet die „Frankfurter Rundschau“ vom 30. März 1965 an Hand eines typischen“ Falls: Studienrat Dr. Suckling aus Bremen bestellte sich 1964 ein Exemplar des ,Neuen Deutschland*. Da er nur gelegentlich das Blatt erhielt, schrieb er an die Polizei, bekam aber keine Antwort. Rechtsanwalt Hannover wandte sich daraufhin in seinem Aufträge an die Staatsanwaltschaft. Die Antwort: .Ich habe gegen Ihren Mandanten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Einfuhr verfassungsfeindlicher Schriften eingeleitet*.“ 34 Neue Juristische Wochenschrift 1965, Heft 30, S. 1388. 35 BGHSt Bd. 17 S. 38; vgl. dazu Pfannenschwarz, „Berufsverbot für nonkonformistische Journalisten“, NJ 1962 S. 409. 36 Vgl. Copiö, „Berufsverbot und Pressefreiheit“, Juristen- zeitung 1963. Heft 16, S. 494 f.: Schwenk, „Umfang und Wirkung von Meinungs- und Pressefreiheit“, N.TW 1962, Heft 30. S. 1321, 1323; Maunz-Dürig. Grundgesetz. Kommentar. München und (West)Berlin 1964, Art. 18, Randziffer 89. 90 und besonders 95 97. # 37 Copid, a. a. O. 's Grundrechtsausübung unmittelbar einschnüren. Daher mangelt §421 StGB in Verbindung mit den im BGH-Fall vorgeschalteten verbotsauslösenden Tatbeständen des strafgesetzlichen Staatsschutzes der Charakter eines allgemeinen Gesetzes i. S. von Art. 5 II GG.“ Ein Berufsverbot gegen oppositionelle Journalisten widerspricht aber auch Art. 18 GG, wonach die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zum Ausspruch der Verwirkung von Grundrechten begründet ist. In diesem Sinne ist das Urteil vom 25. Mai 1965 ein Eingriff in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Das Berufsverbot ist daher rechtlich unzulässig. Der Gesinnungscharakter des Urteils wird auch in der Bemerkung deutlich, „daß der Angeklagte, ein .fanatischer Verfechter1 der Ziele der verbotenen KPD und SED, bei jeglicher, auch an sich nicht auf politischem Gebiet liegender Betätigung als Journalist in strafbarer Weise seine politischen, den Zielen der verbotenen KPD entsprechenden Bestrebungen cinfiießen lassen und vertreten könne“. Anders ausgedrückt: Weil der Angeklagte es handelt sich um den bekannten antifaschistischen Widerstandskämpfer Karl Schabrod ein entschiedener Gegner der Bonner Politik ist, wird ihm auf Grund seiner politischen Überzeugung die Ausübung des Berufs eines Journalisten untersagt. Auch diese Entscheidung zeigt, wie das KPD-Verbot dazu ausgenutzt wird, die demokratischen Rechte und Freiheiten in Westdeutschland einzuengen und zu untergraben. Gerichtliche Verwertung der Aussagen „anonymer Zeugen“ Das Grundsatzurteil des ehemaligen Jagusch-Senats vom 1. August 1962 - 3 StR 28/62 (LG Düsseldorf) durch das die gerichtliche Verwertung „anonymer Zeugenaussagen“ als „rechtmäßig“ bezeichnet wurde, gehörte zu den verfassungswidrigen Praktiken der strafrechtlichen Gesinnungsjustiz, die in Westdeutschland heftigste Kritik hervorgerufen hatten39. Im Widerspruch zu grundlegenden Strafprozeßprinzipien geben in politischen Prozessen Beamte der politischen Polizei die angeblichen Aussagen ihrer Spitzel und Agenten wieder, ohne daß die Verteidigung irgend etwas über diese Zeugen und den Beweiswert ihrer Aussagen in Erfahrung bringen kann. Auf Fragen der Verteidiger verweigern die Polizeibeamten unter Berufung auf die fehlende Aussagegenehmigung ihrer Dienststelle jede weitere Aussage. Es gehört bis in die jüngste Zeit zu den Methoden vieler politischer Sondergerichte, ihre Urteile auf derartige Aussagen von Polizeibeamten zu stützen. Nunmehr hat der 3. Strafsenat des BHG in einem neuen Musterurteil vom 16. Februar 1965 3 StR 50/64 (LG Düsseldorf) '50 mit einer neuen Variante den „anonymen Zeugenbeweis“ zu rechtfertigen versucht. In der Urteilsbegründung wird es für zulässig erklärt, daß Beamte des Verfassungsschutzes als Sachverständige die von ihren Ämtern gesammelten „Auskünfte, Nachrichten und sonstigen Unterlagen“ unabhängig von den dem einzelnen Angeklagten gemachten Vorwürfen in ihrer Eigenschaft als Sachverständige vor Gericht vermitteln dürfen. Die den Verfassungsschutzämtern zur Kenntnis gelangten Tatsachen werden vom 3. Strafsenat als Befundsachen bewertet, die „ohne weitere Beweisaufnahme durch den Tatrichter als Ergebnis der Hauptverhandlung“ verwertet werden dürfen. Der ehemalige Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident Dr. Schmid stellte zu diesen Praktiken fest: 38 BGHSt Bd. 17 S. 382. 39 vgl. dazu Pfannenschwarz, „Der .anonyme Zeuge* faschistische Urteilsfindung“, Demokratie und Recht 1963 S 149. 40 Neue Juristische Wochenschrift 1965, S. 827. 316;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 316 (NJ DDR 1966, S. 316) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 316 (NJ DDR 1966, S. 316)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

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