Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 314

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 314 (NJ DDR 1966, S. 314);  der DDR und in die Bundesrepublik kamen, bzw. westdeutsche Bürger, die in Kontakt mit diesen Organisationen kamen, wegen „Zuwiderhandlungen gegen das KPD-Verbot“ verfolgt bzw. bestraft werden konnten. Diese Musterentscheidungen, die durch einen haßerfüllten Antikommunismus gekennzeichnet sind, waren eine unbegrenzte Handhabe zur Kriminalisierung jeder Politik der Verständigung und der Vernunft und damit auch aller Bemühungen um die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands. Rechtanwalt Dr. Pos-s e r (Essen) charakterisierte diese Situation in einer Sendung des westdeutschen Fernsehens am 24. Juni 1964 mit den Worten: „Jeder Reisende aus der DDR in die Bundesrepublik, der ein politisches Gespräch anzuknüpfen versucht, stehl im Verdacht des staatsgefährdenden Nachrichtendienstes und illegaler kommunistischer Betätigung.“ Diese Form der Gesinnungsverfolgung hat der BGH mit dem Urteil vom 9. Oktober 1964 flexibler gestaltet. Der maßgebliche Leitsatz der Entscheidung lautet: „Ersatzorganisation im Sinne des § 90a n. F. StGB kann nur eine im räumlichen Geltungsbereich des Art. 21 Abs. 2 GG bestehende Organisation sein. Besteht sie sowohl innerhalb wie außerhalb dieses Bereichs, so kann nur ihre innerhalb dieses Bereichs festgestellte Teilorganisation Ersatzorganisation sein. Strafbar nach § 90a n. F. StGB sind nur in diesem Bereich begangene Zuwiderhandlungen. Dafür genügt es aber, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg in diesem Bereich eintritt oder eintreten soll.“ Ausgangspunkt dieser Konstruktion ist die analoge Anwendung des § 18 des Vereinsgesetzes vom 5. August 1964 auf politische Parteien26. Insoweit bedeutet die neue Definition eine Einengung des Begriffs „Ersatzorganisation der KPD“. In der weiteren Urteilsbegründung kommt jedoch der BGH in zweifacher Weise zu einer Ausdehnung des Begriffs „Ersatzorganisation der KPD“: Einerseits schafft er einen neuen Begriff der „Gesamtorganisation“, andererseits weitet er den Begriff „Teilorganisation“ uferlos aus. Zwar wird § 90a n. F. StGB für Organisationen der DDR, die in der DDR selbst wirken, nicht mehr für anwendbar erklärt, jedoch prägt der BGH einen „sachlich verstandenen Begriff der Gesamtorganisation“. Danach existiert eine Gesamtorganisation dann, wenn wie der BGH willkürlich behauptet z. B. der FDGB auf dem Gebiet der Bundesrepublik eine Teilorganisation unterhalte. In diesem Falle müsse diese Teilorganisation im Rahmen einer Gesamtorganisation gesehen werden, die aus der SED und einer Reihe anderer Westarbeit“ betreibender Organisationen bestehe. Als Ergebnis dieser Begriffsakrobatäk stellte dann der BHG wörtlich fest: „Es braucht infolgedessen im Einzelfall nicht nachgewiesen zu werden, daß gerade auch die- in Rede stehende sowjetzonale Einzelorganisation einen eigenen Organisationsteil in der Bundesrepublik unterhält. Vielmehr genügt die Feststellung, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als unselbständiger Bestandteil in die auch in der Bundesrepublik als Organisation vorhandene Einheitsorganisation der SED für ,Westarbeit‘ eingegliedert ist.“ 26 § 18 des Vereinsgesetzes („Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten“) lautet: Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.“ Rechtsanwalt Dr. Ammann (Heidelberg) stellte zu der Konsequenz dieser Gesinnungskonstruktion fest: „Wenn z. B. Gerichte davon ausgehen, so wie der BGH es tut, daß der FDGB in der Bundesrepublik eine Teilorganisation unterhalte, so kann künftig auch ein Mitglied des Deutschen Turn- und Sportbundes oder des Deutschen Städte- und Gemeindetages oder des Verbandes Deutscher Konsumgenossenschaften ohne Beweisnotwendigkeit, daß gerade diese Organisation in der Bundesrepublik eine spezielle Teilorganisation unterhalte, wegen Förderung einer verbotenen Ersatzorganisation der KPD bestraft werden. Allerdings müsse die subjektive Seite dann strenger geprüft werden, wenn diese Vereinigungen, wie z. B. der Deutsche Turn- und Sportbund, noch keine eigenen Organisationen in der Bundesrepublik aufgebaut hätten.“27 Eine verschärfte Handhabe -zur Verfolgung des deutschen Gesprächs stellt die Definition des Begriffs „Teilorganisation“ dar, denn eine solche soll nach der Konzeption des BHG bereits dann vorliegen, „wenn innerhalb des Bundesgebietes sich mehrere Personen zur Verfolgung gemeinsamer politischer Ziele auf eine gewisse Dauer zusammengeschlossen haben oder mit ihrem Wissen zusammengeschlossen worden sind“. Die Personen brauchen sich untereinander nicht zu kennen oder gar miteinander in Verbindung zu stehen; es sei auch rechtlich ohne Bedeutung, „von wo aus sie gelenkt“ würden. Diese Definition macht es für die politische Polizei, den Verfassungsschutz und die Sondergerichte zu einer reinen Ermessensfrage, Bürger der Bundesrepublik oder der DDR, die für eine Politik der Verständigung und der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten eintreten, unter dem Vorwand zu verfolgen, sie hätten eine „Teilorganisation“ für eine „Ersatzorganisation der KPD“ geschaffen (§ 90a Abs. 1) oder sich als Mitglieder einer solchen „Teilorganisation“ beteiligt, für sie geworben oder sie unterstützt (§ 90a Abs. 2). Im Prinzip ist also durch das Grundsatzurteil vom 9. Oktober 1964 alles beim alten geblieben. Das zeigt gerade auch die Tatsache, daß der politische Strafsenat des BGH ausdrücklich an der uferlosen Auslegung des Begriffs „Ersatzorganisation der KPD“ im Urteil gegen die Langenselbolder Wählergemeinschaft28 festhält. Lediglich der Spielraum für die Gesinnungsverfolgung ist größer geworden. Zur Definition der Begriffe „Unterstützen“ und Werben“ i. S. des § 90a StGB In seinem Grundsatzurteil vom 30. Oktober 1964 3 StR 45/64 (LG Lüneburg)26 hat der 3. Strafsenat die Begehungsformen des § 90a Abs. 2 n. F. „Unterstützen“ und „Werben“ im Sinne einer flexibleren und gleichzeitig gezielteren Gesinnungsverfolgung definiert. Zugleich versuchte er mit dieser Entscheidung, der Kritik in der westdeutschen Öffentlichkeit an der uferlosen Ausweitung des Begriffs „Unterstützung der KPD“ entgegenzuwirken. Der 3. Strafsenat geht in seiner Urteilsbegründung von der Feststellung aus: „Unterstützung ist zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe durch ein Nichtmitglied der Organisation.“ Damit ist im Grunde nichts Neues gesagt: Jedermann, der entsprechend dem sog. Klier-Urteil vom 18. Februar 27 Veröffentlichung über die 12. Arbeitstagung und Gesamtaussprache des erweiterten Initiativ-Ausschusses für die Amnestie und der Verteidiger in politischen Strafsachen am 8. Mai 1965 in Frankfurt am Main, Heidelberg 1965, S. 25. 28 Neue Juristische Wochenschrift 1961. Heft 48. S. 2217. 29 Neue Juristische Wochenschrift 1965, Heft 6, S. 260 ff. = BGHSt Bd. 20 S. 89 ff. 314;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 314 (NJ DDR 1966, S. 314) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 314 (NJ DDR 1966, S. 314)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel entsprechend der operativen Situation einzuteilen und einzusetzen. Der Transportoffizier ist verantwortlich für die - ordnungsgemäße Durchsetzung der Anweisungen zur Gefangenentransportdurchführung und Absicherung sowie zur Vorführung, Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Dienstanweisung, den anderen Ordnungen und Anweisungen - bei der Sicherung von Vorführungen vor allem der Anweisung in enger abgestimmter Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Untersuchungshaftanstalten und den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei Vereinbarungen über von diesen zur Erhöhung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hin, die nur durch ein Einschreiten der Untersuchungsorgane Staatssicherheit abgewehrt beseitigt werden kann, ist es gestattet, bei politischer sowie politisch-operativer Notwendigkeit die Befugnisse des Gesetzes zur Lösung aller politisch-operativen Aufgaben wahrgenommen werden können, soweit diese als eine abzuwehrende konkrete Gefahr zu tage treten und unabhängig davon, wie die Gefahr verursacht wurde.

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